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"Klimasünder Flugzeuge bislang geschont"
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Radio DRS1 Rendez-Vous vom 16.5.2008

Transcript, ecoglobe Kommentare und Email an Radio DRS .
    Ist es richtig, dass der Flugverkehr vom Kyotoprotokoll ausgenommen wurde, dass er soviel CO2 ausstossen darf, wie er will? Hinter den Kulissen wird im Moment darum gefeilscht, wie es nach 2012 weitergehen soll, wenn das Kyotoprotokoll ausläuft. Unlängst wurde eine Studie bekannt, die zeigt, dass der CO2-Ausstoss des Flugverkehrs bis 2025 rasant wachsen wird. Thomas Häusler berichtet.
Wir alle fliegen immer mehr. Die Konquenz: Der Kohlendioxidausstoss der Airlines nimmt stetig zu. Von 1990 bis 2000 verdoppelte er sich in der EU. Im Jahr 2005 bliesen alle Flugzeuge weltweit 700 Millionen Tonnen CO2 in den Himmel und bis ins Jahr 2025 sollen es gar 1200 bis 1500 Millionen Tonnen sein, prognostiziert eine Studie die nun bekannt wurde. Damit werden die schlimmsten Szenarien wahr oder auch übertroffen, die der Weltklimarat Ai-Pi-Si-Si [IPCC - Intergovernmental Panel on Climate Change], für den Luftverkehr aufgestellt hat. Das sagt der britische Forscher David Lee, der die neuen Prognosen mitberechnete.
    "We do appear to be on the high growth rate trajectory that the IPCC was talking about."
Die Flugzeuge werden zwar zunehmend sparsamer. Im Schnitt verbrauchen sie ein bis zwei Prozent weniger Sprit pro Jahr. Aber dies wird vom prognostizierten Wachstum der Flugindustrie zunichte gemacht, sagt José Romero, Sektionschef beim Bundesamt für Umwelt.
    "Der Sektor ist unglaublich dynamisch und die Emissionen wachsen wachsen wachsen. Und unter diesen Umständen kann man sich gewisse Sorgen machen."
Noch liegt der Anteil der Flieger am gesamten CO2-Ausstoss bei etwa drei Prozent. Aber bei einem derart hohem Wachstum müsse man nun schauen, dass dies sich in Zukunft nicht ändere, warnt der Brite David Lee.
    "But we have to be careful that the emissions in aviation don't carry on increasing at the kind of growth rates that they are doing because they are not covered by the Kyoto Protocol."
Der CO2-Beitrag der Flugzeuge wird nicht vom Kyoto Protokoll geregelt, sagt David Lee. Das sei problematisch weil der globale Kohlendioxidausstoss weiter dramatisch zunehme. Um die zu ändern müssten alle Branchen ihren Beitrag leisten.
    "The situation is very difficult because we see total anthropogenic emissions of CO2 increasing rather dramatically. Now if we start to do something about that, try and reverse that trend, all sectors have to respond to that."
David Lee's Forderung: Die Emissionen des Flugverkehrs gehören wegen der grossen Verkehrszunahme zwingend ins Kyoto-Nachfolgeprotokoll, das ab 2012 gelten wird.
    "It would be silly to ignore one sector like this, particularly one with very high growth rates."
José Romero vom BARFU verhandelt für die Schweiz über die Kyoto-Nachfolge. Er sagt die EU-Staaten und manch andere Länder wollten die Flugemissionen ins Nachfolgeprotokoll aufnehmen. Andere, wie die USA sind sehr skeptisch.
    "Es ist hochpolitisch. Ich glaube es braucht noch Verhandlungen."
David Lee ist noch pessimistischer.
    "I'm afraid to see, I see very many signs of it not being included."
Viele Anzeichen deuteten daraufhin, dass der Flugverkehr auch vom Kyoto-Nachfolgeprotokoll ausgenommen sein werde. Dabei sind sich David Lee und José Romero einig: Auf die Preise für den Ferienflug nach Paris oder Istanbul hätte es nur sehr geringen Einfluss, wenn die Passagiere für die CO2-Emissionen künftig bezahlen müssten. - Häusler

ecoglobe> Die Schlussfolgerung entspricht voll und ganz den vorherrschenden Meinungen:

1. Dem Klima könne durch Geld geholfen werden. Kompensationszahlungen bedeuten jedoch, dass die Ausstösse unvermindert weitergehen. Mit dem Geld wird anderswo etwas gebaut, was zu einer weiteren Erhöhung der Klimagasemissionen führt. Die sogenannten "Sauberen Entwicklungsmechanismen" (CDMs, Clean Development Mechanisms) bewirken in Tat und Wahrheit höchtens eine relative Verringerung der CO2-Ausstösse, im Vergleich zu einem Weiter-Wie-Bisher Szenario.

2. Wir müssen nichts ändern. Wir können so weiterleben wie bisher. Seit dem Inkrafttreten des Kyotoprotokolls jedoch ist alles gewachsen: die Bevölkerung, die Wirtschaft, der CO2-Ausstoss. Es ist ein riesiger Irrtum, wenn man meint, wir könnten so weitermachen und müssten nichts reduzieren.

3. Dieselben Klimatologen, welche die Folgen des Klimawandels voraussagen, schlagen auch Gegenmassnahmen vor. Problemexpertise im Klimabereich bedeutet jedoch nicht, dass man auch Nachhaltigekeitsexperte ist. Sie vertreten vielfach, der Leiter der IPCC Herr RK Pachauri inbegriffen, der gängigen Meinung, dass die Wirtschaft weiterwachsen kann und muss. Dass die Erde rund und Ressourcen begrenzt sind, haben viele FührerInnen noch nicht verstanden. Wie man es auch dreht oder wendet, Wachstum bedeutet mehr - Autos, Strassen, usw. Das erhöht die Treibhausgasausstösse und ist Teil der allgemeinen Überbelastung der Erde durch die Menschheit.

4. Man setzt voll und ganz auf das Nachfolgeprotokoll. Man weiss nicht, dass das Kyotoprotokoll unwirksam und sogar kontraproduktiv ist. Vom Nachfolgeprotokoll kann man die gleichen Inhalte und Mechasnismen erwarten und somit die gleiche Unwirksamkeit. Bis 2012, wenn das Nachfolgeprotokoll in Kraft treten soll, geschieht auf jeden Fall nichts.

5. Die Dringlichkeit, welche auf der DRS Webseite bezeugt wird, findet sich in der Reportage nicht wieder. Ganz allgemein gibt es eine riesige Kluft zwischen den bezeugten Folgen des Klimawandels und den tatsächlich ergriffenen oder nur diskutierten Massnahmen. Mit der Folge, dass die Ausstösse munter weiterwachsen. Auch die Luftfahrt darf weiterwachsen, so macht es den Anschein. Das Nachfolgeprotokoll wird es dann schon regeln. Hauptsache, die Luftfahrt wird miteinbegriffen und die Ausstösse werden durch Ticketpreisaufschläge kompensiert. Das ist die traurige Nachricht. "Lebensstil ändern. Es bleiben nur noch acht Jahre." Weiss der Herr Romero das, der für uns verhandelt?

Zum Glück(?) steht Peak Oil - das Maximum der Ölförderung unmmittelbar vor der Tür. Das wird dem Wachstum ein dringend notwendiges aber rumloses Ende bereiten.


Helmut Lubbers ... 16 Mai 2008
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    ecoglobe seit 1997
    8516  
    Sehr geehrter Herr Häusler,

    da hörte ich grad Ihren Rendez-Vous-Beitrag von heute. Toll. Sie haben Recht.

    Leider hat diese ganze Aufregung über den Klimawandel keinen Nutzen. Im Gegenteil, er schadet nur.

    Natürlich gibt's den Klimawandel und er ist unaufhaltbar. Aber es schaden die unqualifizierten Diskussionen über die sogenannten "Lösungen".

    Erstens sind die gehandelten Lösungen allesamt illusorisch und teilweise sogar kontraproduktive, wie jene Mechanismen, die im Kyotoprotokoll festgeschrieben wurden. Man vergeudet also Zeit und Energie an Scheinlösungen und versäumt damit, wirkliche Lösungen vorzuschlagen und durchzuführen. Zweitens ist der Klimawandel nur ein Teil der weit umfassenderen Probleme der Ressourcenerschöpfung und Umweltverschmutzung, welche wiederum Folge sind von Überbevölkerung und Überkonsum.

    Die Bevölkerung steigt immer weiter und ist bei Umweltkonferenzen kein Thema, so auch heute nicht bei einer hochgradigen Konferenz der Unitar im Palais des Nations Genf über Afrika. Und obwohl bei einigen Mineralien, namentlich dem Öl und dem Erdgas, die maximale Förderung jederzeit erwartet wird, wollen alle Politiker, Ökonomen und die Wirtschaft noch weiteres Wachstum. Süsswasser, Artenvielfalt, Fischbestände, Urwälder, Bodenerosion, und schleichende allgemeine Umweltvergiftung durch mehr als 100000 Chemikalien sind einige weitere Probleme.

    Das kann nur in eine allgemeine Katastrophe münden: Zusammenbruch der Gesellschaft und Endzeitkriege um die letzten Ressourcen. Die Folgen des Klimawandels werden dieses Szenario noch verschlimmern.

    Nur eine radikale Verringerung unseres Warenausstosses kann die Klimagasausstösse verringern und gleichzeitig unseren Ressourcenverbrauch reduzieren. Dazu müssen wir unsere Lebensweisen ändern, umstrukturieren, lokal herstellen und somit bis 90 Prozent der Waren- und Personentransporte einsparen, langsamer werden und auf viele schädliche, unnutze und verzichtbare Produkte "verzichten".

    Es wird dies jedoch kein wirklicher Verzicht sein. Wir tauschen eine umweltschädliche Lebensweise ein für eine umweltschonende. Diese Umwälzung wird uns eine Hoffnung verschaffen, dass es nach dem "heute" noch ein "morgen" geben wird. Weiter wie bisher bedeutet das sichere Ende. Im Grunde haben wir also gar keine andere Wahl. Wohl oder übel werden wir von Auto und Flugreisen Abschied nehmen müssen und dafür etwas Zukunft zurückbekommen.

    Ich erkläre Ihnen gerne, warum die Kyotomechanismen das gegenteilige Ergebnis haben, nämlich Erhöhung der Ausstösse. Kurzgefasst können Sie die wichtigsten Klimaargumente hier bei mir nachlesen: www.ecoglobe.ch/climate/e/hei7119.htm.

    Die Medien scheuen sich noch, das Wachstumsthema aufzugreifen. Frau Imboden machte einen anfang, leztes Jahr. Die Leiter von SF und DRS interessieren sich noch nicht. Die KOF ist sturer Verneiner. Dazu mögen Sie meine ecostories vergleichen, z.B. diese:
    www.ecoglobe.ch/climate/d/rdvi8509.htm
    www.ecoglobe.ch/economics/d/kof7130.htm
    www.ecoglobe.ch/climate/d/echo7203.htm

    Ihre Rückmeldung würde mich freuen.

    Mit freundlichen Grüssen ... Helmut Lubbers

    --
    Helmut E Lubbers
    Ingénieur, MSocSc, DipEcol,
    editor of www.ecoglobe.ch and ecoglobe.org
    published by ecology discovery foundation
    Wellington New Zealand and Geneva Switzerland

    14 bd Carl-Vogt 1205 Genève
    +41 22 3212320 h e l m u t at e c o g l o b e dot c h
    http://www.ecoglobe.ch/ecostory
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    Klimasünder Flugzeuge bislang geschont

    Bislang ist der Flugverkehr vom Kyoto-Protokoll ausgenommen worden. Er muss nichts zur Verringerung des CO2-Ausstosses beitragen. Das könnte sich bald ändern.

    Denn derzeit wird darüber verhandelt, wie es nach 2012 weitergehen soll, wenn das Kyoto-Protokoll ausläuft. Und unlängst wurde eine Studie veröffentlicht, die zeigt, dass der CO2-Ausstoss des Flugverkehrs bis 2025 noch einmal rasant wachsen wird.
    Ein Beitrag der Sendung «Rendez-vous»
    Verantwortlich für diesen Beitrag:
    Thomas Häusler
    Klimawandel:
    Jetzt handeln und
    Lebensstil ändern
    (DRS)
    Der Menschheit bleiben nur noch acht Jahre, um eine unumkehrbare Klima-Katastrophe zu verhindern. Nimmt der Ausstoss von Treibhausgasen in dieser Zeit nicht ab, werden die Temperaturen um bis zu 6,4 Grad steigen. Zu diesem Schluss kommt der Klimabericht der Uno.
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