previous ecostory 18/2008 next

Bericht von der CarbonExpo in Köln
Startseite | Klima | Energie | Nachhaltigkeit | zurück

Radio DRS1 Rendez-Vous vom 9.5.2008

Transcript und ecoglobe Kommentare.

Sie tragen keine Wollpullies und fahren nicht mit dem Velo zur Arbeit und sie reden mehr von Rendite als von Ökologie. Die neuen Akteure im Kampf gegen die Klimaerwärmung sind Männer im Nadelstreifen, die mit dem Handy noch rasch die neuesten Börsenkurse abrufen, bevor sie ins Flugzeug steigen um zum nächsten Businesstermin zu jetten. Denn die Klimapolitik hat neue geschäftsmöglichgkeiten geschaffen, Geschäfte, die hochrentabel sind und schnell wachsen. - Priscila Imboden:

Es herrscht rege Geschäfsttätigkeit an der Carbonexpo in Köln, dem jährlichen Stelldichein der Klimabranche. Der Markt wächst stark. Er hat sich im letzen Jahr auf 61 Milliarden Dollar vedoppelt. Projektentwickler, Fondsmanager und Investementbanker eilen von Stand zu Stand. Einer davon ist James Cameron. Er ist Geschäftsleiter von Climate Change Capital, einer Investmentfirma, die mit 1,5 Milliarden Dollar den grössten Klimafonds der Welt managt [leitet].

"It is really very remarkable. This is a market designed to reduce emissions. It's amazing."

Es sei erstaunlich. Ein Markt sei geschaffen worden um den CO2-Ausstoss zu reduzieren. Geschaffen wurde er von der internationalen Klimapolitik. Unter dem Kyoto-Protokoll haben sich Länder verpflichtet, ihre CO2-Emissionen zu reduzieren. Zentrales Instrument ist der Handel mit Rechten zum Ausstoss von CO2, sogenannten Emissionsrechten. Länder oder Firmen können diese Emissionsrechte kaufen oder verkaufen. Oder sie können in Projekte in Entwicklungsländer investieren und dort statt im eigenen Land den CO2-Ausstoss reduzieren. ecoglobe> Letzteres ist grundfalsch. Jene Projekte bewirken keine Reduktion der Klimagasausstösse sondern nur eine relative Verringerung im Vergleich zu einer normalen Entwicklung, wobei mehr CO2 ausgestossen würde. Zudem wird das Wachstum der Wirtschaft gefördert, wodurch die CO2-Ausstösse nochmals steigert werden, wie auch der allgemeine Rohstoffverbrauch und das Bevölkerungswachstum. Das ist genau das Gegenteil einer nachhaltigen Entwicklung, denn Wachstum erhöht die bestehende grosse Überbelastung des Planeten.

Diese Projekte sind offenbar attraktiv. Climate Change Capital zählt Grossinvestoren, wie Pensionskassen, den Schweizer Rückversicherer SwissRe und internationale Banken zu seinen Kunden.

"We have really first-class investors and they are looking to make good returns from their investments. It's not a charitable donation. They are looking to make ..."

Sein Unternehmen hätte erstklassige Investoren, sagte James Cameron. Diesen gehe es nicht um wohltätigen Spenden, sondern um hohe Renditen. Aber sie wüssten, dass neben der finanziellen Rendite auch ein Gewinn für die Umwelt herausschaue. ecoglobe> Eben nicht. Es ergibt sich einen Riesenverlust für die Umwelt. Dort werden Klimagasausstösse und Umweltbelastung erhöht. Hier meint man irrtümlicherweise, man mache etwas für die Umwelt und versäumt es dadurch, wirkliche Massnahmen zu treffen.

Die grösste Firma, die in der Projektentwicklung tätig ist, ist die britische Firma Eco Securities. Was das für Projekte sind, erklärt der Schweizer Martin Enderlin, der für Eco Securities arbeitet.

Wir haben Wasser kraftwerke. Wir haben Industrieprojekte. Wir haben aber auch Geothermie. Wir haben Biomasseprojekte. Wir haben ei sehr breitstrukturiertes Portfolio."

Zu den Kunden zählen nicht, wie bei Climate Change Capital, Investoren, sondern Firmen oder Organisationen, die selber ihren CO2-Ausstoss vermindern müssen. Oder Firmen, die aus Imagegründen klimaneutral werden wollen. ecoglobe> "Klimaneutral" gibt es gar nicht. Erstens ist jede Tätigkeit immer mit Verbrauch und Ausstössen verbunden. Zweitens reduziert man keine Klimagasausstösse, sondern man heizt sie erst noch an, weil man anderswo entwickelt, baut, fördert. Die Wirtschaft und die mit ihr eng verbundene Politik und die Disziplin der Volkswirtschaft sind sehr kreativ, wenn es ums Finden einer irreführenden Terminologie geht.

Auch die Schweizer Klimarappenstiftung gehört zu den Kunden von Eco Securities. Das Geschäft sei riskoreich, erklärt Martin Enderlin, denn:

"Es ist sehr aufwendig, bis das Projekt erstellt ist, genehmigt ist, nachher geprüft wird, überwacht wird, die Emissionen, die Reduktion davon, gemessen werden."

Die Abwicklung der Projekte brauche zwei bis sechs oder noch mehr Jahre. Auf dem Klimammarkt müsse man deshalb langfristig planen können. Doch die langfristige Perspektive ist im Moment nicht gewährleistet. Denn das Kyoto-Protokoll läuft bis 2012. Die internationale Gemeinschaft hat sich bisher nicht darauf einigen können, was für Regel nachher gelten sollen. Das sei gefährlich, erklärt Martin Enderlin.

"Jede Verzögerung bringt Unsicherheit und damit besteht die Möglichkeit, dass auch die Finanzmärkte wieder aus diesem Markt, die sie jetzt langsam angefangen haben zu sehen, wieder zurückziehen und das wäre natürlich unglücklich." ecoglobe> "Unglücklich"? Für die Finazspekulationen, ja, sicher. Für die Umwelt wäre es gut, dieses Treiben zu beenden.

"Unglücklich", weil der Klimawandel nur zu stoppen ist, wenn der Ausstoss gesenkt wird, wenn die Wirtschaft CO2-arm wird. Ohne massive Investitionen wird dies nicht geschehen. ecoglobe> Investitionen in Hausisolationen, effizientere Technik können indertat den Energieverbrauch und damit die Kliamwgasausstösse senken. Doch die Investitionen in Projekte imAusland bewirken grad das Gegenteil. Die gleiche Irreführung geschieht übrigens mit den Ablasszertifikaten, sogenannten "Kompensationstahlungen", die man für Flugbillete kaufen kann. Auch die WWF fördert jenen Unsinn in Zusammenarbeit mit dem Zürcher Myclimate.

Das Geschäft mit dem Klima braucht deshalb dringend klare Regeln. Nur so werden Geschäftsleute und Investmentbanker ihren dringend nötigen Beitrag an ein nachhaltiges Wachstum leisten. ecoglobe> Richtig heran ist, dass die Politik, das heisst die Demokratie, die Regeln setzen muss. Falsch ist, dass Investitionen und Finanzspekulationen irgendetwas für die Umwelt tun könnten.
Höchsterstaunlich ist, dass hier wieder von "nachhaltiges Wachstum" geredet wird. Wir haben dem Radio per Brief und per Email mehrmals detailliert erklärt, wieso "nachhaltiges Wachstum" nicht möglich ist. Wie man es auch dreht oder wendet, Wachstum bedeutet mehr - Autos, Strassen, usw. Wenn man Material einspart, ergibt sich in der Tat einen Nutzeffekt für die Umwelt, aber eben auch eine Schrumpfung des Bruto Inlandprodukts. Umdenken ist schwierig.
Eine Person vom Radio schrieb uns in ihrer Ratlosigkeit: "Bleibt zu hoffen, dass Sie nur teilweise Recht haben und ein bisschen Wachstum möglich ist, und zwar qualitatives Wachstum, etwa im Bereich des geistigen Eigentums oder der erneuerbaren Energieen, so dass die Umwelt nicht weiter darunter leidet."
Es gibt jedoch nur ein einziges Wachstum, jenes, dass in Geldeinheiten des BIPs ausgedrückt wird. Und so lange es sich nicht um Kunst handelt, entsprechen jeder Franken und jeder Euro immer Material und Energie und Abfall und Klimagasausstössen, auch wenn die Ökonomen das nicht wahrhaben wollen.
Wachstum muss sein. Es ist ein Hirnvirus, dass in den Volkswirtschaftsabteilungen der Universitäten eingepflanzt wird und das fast unausrottbar ist.
Wenn wir wirklich etwas konkretes machen willen, müssen wir sparen, zurückstecken, Arbeit und Wohnen relokalisieren, den Verkehrsausbau stoppen, langsamer werden und langlebige Produkte herstellen. Das ist gleichzeitig die geeignete Vorbereitung auf die Zeit nach dem Peak-Oil, der maximalen Erdölförderunmg.


- Christina Imboden über die Profiteure des Klimawandels. ecoglobe> Der DRS Radiosprecher verwendet hier den absolut richtigen Ausdruck: "Profiteure".

ecoglobe> Es stellt sich die Frage ob das Radio sich bei der Berichterstattung etwas mehr vom Inhalt distanzieren sollte. Einige Konjunktive scheinen uns hier sehr angebracht. Sonst läuft das Radio das Risiko, sich ungewollt zum Sprecher gewisser Interessengruppen zu machen, einer Wirtschaft, der es nur ums Geld geht.

Helmut Lubbers ... 9 Mai 2008
  • Nachaltigkeit und "völlig erneuerbare Energien"
  • Nachhaltigkeit
  • Zeit-Wachstum-Szenarios
  • Briefe stop Wachstum
  • Startseite | Stichwörter a-z | Klimawandel | ecostory | Ihre Rückmeldung
    ecoglobe seit 1997
    8509-8517-8916