Bundesrat Joseph Deiss, am Swiss Economic Forum, 26.5.2005
Meine Damen und Herren, "Die Prioritäten richtig setzen" ist heute existentiell für jede Bürgerin und jeden Bürger, für jede Unternehmerin und jeden Unternehmer, für jede Politikerin und jeden Politiker. Allerdings müssen wir keine akademischen oder politischen Debatten darüber führen. Wir sollten es einfach tun. Wie es richtig gemacht wird, das können wir hier vor Ort auch erfahren. Wir brauchen nur hinzusehen, wie es der FC Thun macht. An den Schweizer Fussballmeisterschaften ist er Schweizer Vize-Meister. Für mich sind die Fussballer aus dem Lachen-Stadium Vorbild, nicht nur weil ich früher selber gerne ein wenig im Tor stand, sondern weil sie uns zeigen, wohin man kommt, wenn man die Prioritäten richtig setzt und diese auch konsequent umsetzt. Aber ich bin nicht hier um über Fussball zu philosofieren. Das kann der Trainer, Urs Schönenberger sicher besser. Ich dank Ihnen für die Einladung und möchte vielmehr aufzeigen, wo wir stehen, weshalb wir nicht mehr in der Lage sind, immer und überall die Prioritäten richtig zu setzen, welche Herausforderungen uns zwingen, hier besser zu werden, und welche meine Prioritäten sind. Meine verehrten Damen und Herren, gestatten Sie mir, zuerst ein kurze Beurteilung der Aktuellen Situation. Wirtschaftlich geht es leicht aufwärts. Letztes Jahr verzeichneten wir 1,7 Prozent Wachstum. Das ist nicht viel aber es ist viel mehr als das, was wir im Vorjahr oder in den zehn vorangegangenen Jahren hatten. Und für dieses Jahr sind wir immer noch zuversichtlich und rechnen mit 1,5 und im nächsten Jahr mit 1,8 Prozent Wachstum. Gegenwärtig sind sehr wahrscheinlich etwa 145000 Personen arbeitlos in diesem Land. Am Ende des Monats April waren es genau 150671 oder 3,8 Prozent der aktiven Bevölkerung. Ich hab soeben Bundesminister Schilly das Bonmot von seinem Kollegen, Bundesminister und Wirtschaftsminister Clement gesagt, als wir beim Dreiländertreffen Deutschlands, sterreichs und der Schweiz. ber die Lage disklutierend, hab ich gesagt, wir haben ein grosses Problem, wir haben etwa vier Prozent Arbeitslosigkeit. Und Herr Clement hat mir dann gesagt, wenn wir mal vier Prozent Arbeitslosigkeit haben, dann stoppen wir alle Reformen. Das Problem ist, wie kommen wir zu einer Wirtschaftspolitik, die Wachstum generiert. Unser Problem ist sicher die Wachstumsschwäche. Und tatsächlich stossen wir hier an die Grenzen des Systems, unseres Systems, des politischen Systems. Wir haben einen ausgeklügelten Mechanismus, der allen Betroffenen Mitsprache garantiert. Und mit dem Federalismus pflegen wir eine hohe Kultur des Ausgleichs und der Rücksichtnahme auf Minderheiten. Das System hat sicher grosse Vorteile. In der Vergangenheit hat es sich in vielen Bereichen bewährt. Aber wir müssen auch die Nachteile sehen. Wir müssen dafür besorgt sein, dass wir trotz dieser Nachteile weiter kommen. Der Preis für unser freundeidgenössisches Ausmachen der Entscheide, für die Harmonie, darf natürlich nicht Erstarrung sein. Rücksichtnahmen hier, Zugeständnisse dort, perfektionniert durch ein ausgeklügeltes Konsultationsverfahren, machen es immer schwieriger, Prioritäten zu setzen. Formal, weil in der Schweiz jeweils nicht nur ein halbes Dutzend Parteien, eine vielzahl von Verbänden, natürlich 26 Kantone, und die über 195 ausserparlementarischen Gremien, die berücksichtigt werden mit Ihren über 1700 Mitgliedern, diese alle hier mitreden und mitreden wollen. Nur schon bei der Neustrukturierung des Verordnungsrechts zum Lebensmittelgesetz - etwas, das in den kommenden Wochen und Monaten über die Bühne gehen wird. Und für uns äusserst wichtig ist um Wettbewerbsgleichheit zu schaffen oder sie wenigstens zu verbessern. Da hatten wir etwa 400 interessierte Kreise zur Vernehmlassung eingeladen. Zum Ziel wäre sicher etwas weniger auch möglich gewesen. Inhaltlich - zweiter Aspekt - ist es heute ohnehin schwierig, es allen Recht zu machen. Die verkrampfte Suche nach diesem helvetischen Kompromis wird zuweilen zur Nivellierung nach unten. Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Statt ein richtig grigffiges Kartellgesetz zu gestalten haben wir 1995 ein zahnloses gemacht. Und somit mussten wir es jetzt wieder revidieren. Die SwissLex- Reformen nach dem EWR-Nein blieben auch auf halben Wege stecken. Sonst müsste ich nicht bereits wieder in der nun anlaufenden Session im Parlament ein neues Binnenmarktgesetz auflegen und vertreten. Meine Damen und Herren, Sie sehen es an vielen Fronten. Wir laufen das Risiko, festzfahren und uns selber zu blockieren. Ein Leben in der Bewegungslosigkeit ist jedoch nur dann akzeptabel, wenn man sich nicht bewegen muss. Wir aber müssen uns bewegen. Oui, Mesdames et Messieuirs, dans notre cas les dix dernières années de croissance quasi nulle montrent bien que c'est un luxe que nous ne pouvons pas nous permettre. Seule une petite minorité fort bruyant réclame que rien ne bouge. Nous avons un défi à relever, s'agissant des évolutions mondiales. Si nous ne parvenons pas faire valoir nos intérêts par example dans les négotiations en cours à l'OMC, ce sont les Etats Unis ou le Brésil qui décideront de notre avenir. Nous avons aussi un défi à relever dans les rélations avec les voisins. Et si nous ne consolidons pas nos rélations avec l'Europe, avec l'Union Européenne en particulier, dans le cadre des accords bilatéraux, nous la laissons décider pour nous. Et nous avons enfin à relever un défi à l'intérieur de notre pays, si nous ne parvenons pas à créer véritablement un marché intérieur helvétique, s'il ne nous est pas possible de libéraliser ce marché intérieur, si nous ne parvenons non plus à baisser les taxes et les émoluments, si nous ne comblons pas le déficit de la confédération, et si refusons à collaborer avec l'étranger pour toutes sortes de raisons, souvent pseudo-patriotiques, nous n'avons pas le droit de nous plaindre du manque de croissance. Vous savez, je n'aime pas cette image des bains romains, où tout le monde est bien au chaud, drapés dans des linges bien douillets, mais personne ne se rend compte que cette vapeur est en train de nous voiler la vue. Les temps ont changés. Dans le monde d'aujourd'hui ce sont souvent les autres qui fixent les priorités et je n'aime évidamment pas qu'ils les fixent pour nous. La dernirne chose dont nous ayons besoin aujourd'hui, c'est des cassants, c'est à dire des régisseurs de filmes de peur voire de l'horreur, des champions de l'immobilisme, ou ceux qui veulent boucler la frontire et qui sillonnent nos pays avec des tambours et tromptes. Malheureusement, tant que notre perfectionnisme helvétique nous fixeront parfois des ordonnances. Je veux vous donner seulement un exemple seulement. Vous trouvez - on s'arrache parfois les cheveuix pour autant qu'il en restent - que on a mme fixé par voie d'ordonnance, la profondeur à laquelle une patte de vache artificielle, parceque il'il s'agit de testes, peut s'enfoncer dans un tapis en plastique pourqu'une vache réelle se sent bien dessus. Ou encore, tant que les cantons se tireront dans les jambes lorsqu'une entreprise veut s'établir dans notre pays. Ou encore tant qu'une révison de notre loi sur l'assurance contre les maladies qui serais favorable aux citoyens echouera parceque il-y-a trop d'intérts particuliers qui doivent tre pris en compte et que trop de bénéficires ou de profiteurs veulent avoir voix au chapitre, nous ne serons pas en mesure de sortir de cette létargie de la croissance dans laquelle nous nous trouvons. La politique régionale est aussi un chapitre instructif. Pour voir, que tout le monde veux certes le développement des régions les plus reculées ou les plus retardées, nous tournons vers une politique régionale mais ds que cela ne deviens précis on se pert dans le nombrilisme et dans le traitement dans de faveurs qu'on cherche pour sa propre région. Donc, c'est l'esprit de clocher qui repart dans toute sa splendeur. Les politiciens ne sont pas les seuls à avoir détourné l'ancien slogan du partie radical démocratique, plus de liberté moins d'état, pour parler de plus d'individualisme et moins de cohésion. Chacun y a donc sa propre priorité et c'est bien ce danger là, celui du reigne du particularisme local, du patriotisme local qui le plus souvent cache un protectionisme local qui gre nos intérts particuliers. Ja, meine Damen und Herren, wir haben noch viel Lokalpatriotismus zu überwältigen, zu bewältigen und die Diskussion um das Binnenmarktgesetz zeigt das recht deutlich. Denn wir wollen dort etwas Luft in das ganze hineinbringen, etwas Wind und wollen die lokalen, die regionalen Behinderungen durchbrechen. Sehr bald hört man aber, dass das doch nicht möglich sei, den Nachbarkanton etwas zuzumuten, das nicht das selbe sei. Die Qualität sei gefährdet. Es ist also nicht möglich, das ein Zürcher für die Tessiner oder ein Waadtländer für die Freiburger und so weiter. Und auch im Parlament sieht man, dass die Vorstösse in diese Richtung gehen und immer mehr und auch das System blockieren in ihrer Menge. An der letzten Frühjahrssession - wir haben 246 Parlamentarier - sind allein während dieser Session 280 Vorstösse eingereicht worden. Wer sich dem Vortschritt verweigert aus lauter Angst vor Besitzstandverlust, wer seine Politik nur nach dem Prinzip der Wiederwahl ausrichtet, wer den Staat nur über die Finanzen steuern will, der agiert nicht mehr, der reagiert nur. Prioritäten setzen heisst also, Sachaufgaben richtig einstufen und konsequent danach handeln. Das können wir nur, wenn wir den starren Blick vom Geldbeutel lösen und das Gesamte sehen. Meine Prioritäten als Mitglied der Landesregierung sind deshalb zuerst einmal, den Staat so gestalten, dass es keine Angst, keine Armut, kein Leid, keine Unterdrückung gibt - den Rechtsstaat (F19). Die Wirtschaft. Die Wirtschaft mit dem Freiraum versehen für Innovation, Kreativität. Es geht um die Standortqualität. Es geht mir um die liberale Wirtschaftsordnung (F20). Und schliesslich, liebe Bürgerinnen und Bürger, nicht durch parteipolitisch und aktionistischen Schlachten zu verunsichern. Wenn dafür alle engagiert mitziehen, dann finden wir sicher die Instrumente, die uns wieder zu Wachstum und Wohlstand führen. (F21). Ich hätte meine Prioritäten für heute wohl falsch gesetzt, wenn ich Ihnen zum Schluss nicht ein oder zwei Worte doch über die Abstimmung vom füften Juni und die Abstimmung vom 25sten September sagen würde. Und da ich nicht weiss, ob sich Herr Schilly dazu melden wird, will ich dem wenigstens vorbeugen. Meine Damen und Herren, es geht mir nicht darumm, Ihnen jetzt zu sagen, was hinter Schengen und Dublinoder hinter der Freizügigeit steckt. Ich gehe davon aus, dass Sie als Unternehmer, als Teil dieser Schweizer Wirtschaft, genau wissen, worum es geht. Und ich bin sicher auch - und da m/öchte ich einen Appell an die Vertreter der Wirtschaft richten - ich gehe auch davon aus, dass Sie bereit sind, dafür einzustehen, wenn es darum geht, die Entscheide nicht nur mit den Falschen Prioritäten aber auch mit den falschen Argumenten zu fällen. Ich betrachte es als gefährlich, wenn jetzt kleine Gruppierungen im Namen der Wirtschaft sich gegen Schengen einsetzen und die Wirtschaft nicht gebührend reagiert. Sie, meine Damen und Herren, Sie müssen nicht nur das Geld für die Kampagne bereitstellen. Sie müssen sich mit Ihrer Person engagieren und sagen, worum es geht. Und verhindern, dass wir einen Entscheid fällen unter dem Gebot der Angstmacherei, unter dem Gebot der vermummten Polizisten oder unter auf Grund von falschen oder Argumenten, die nichts damit zu tun haben. Wenn jetzt behauptet wird, es werde Arbeitslosigkeit geschürt über das Sicherheitsprojekt Schengen, dann ist das einfach mit dem Thema nicht zu verbinden. Ich bin einverstanden, dass man im Herbst über die Arbeitzsplatzfrage spricht aber doch nicht im Falle der Sicherheit. Und so gibt es viel Argumente, die nun herumgeboten werden, die entweder Angst schüren oder die Verwirrung schaffen wollen. Meine Damen und Herren, Schengen gefährdet weder den Arbeitsplatz oder den Standort Schweiz oder die Beschäftigung, noch unsere Sicherheit. Im Gegenteil. Es geht darum, die binnenmarktähnlichen Verhältnisse, die wir über die anderen bilateralen Verträge mit der EU herstellen wollen, diese Verhältnisse zu untermauern mit einem flüssigen Verkehr über die Grenze ohne dabei die Sicherheit zu verschlechtern sondern eben sie noch zu verbessern. Das ist die Frage, um die es geht und da erwarte ich von Ihnen, dass Sie auch im Namen der Wirtschaft sagen, was unser Land braucht, was unser Land braucht für die Zukunft. Meine Damen und Herren, das reiht sich ein in das ganze Programm, mit dem wir über Bildung und Forschung und Innovation, über mehr Wettbewerb, über gesunde Finanzen, über bürgefreundlcihe Steuern, aber auch über Öffnung der Märkte im Ausland das Wachstum wieder zur Tagesordnung unseres Landes machen wollen und werden. Das erreichen wir nur, wenn wir Bagatellen als Bagatellen und Wichtiges als Wichtiges behandeln. Das erreichen wir nur, wenn wir nicht von einer Aufregung in die andere hineinschlittern. Das erreichen wir nur, wenn wir mit mehr Gelassenheit die sachlich richtigen Prioritäten setzen. Das erreichen wir vor allem, wenn wir so politisieren, wie der FC Thun Fussball spielt: engagiert, kämpferisch und schnörkellos. Herzlichen Dank. ![]() Wachstumsdikussion |