Der Spiegel 27/2008 Abschrift und ecoglobe Kommentare.
Wahrend Deutschland den CO2-Ausstoß drastisch senken will, werden überall auf der Welt neue Kohlekraftwerke gebaut - selbst in den Ölregionen am Golf.Wenn Alfred Tacke, Chef des Essener Stromkonzerns Evonik Steag, auf dem Weg nach Arabien ist, kann er den Persischen Golf schon von weitem erkennen: an den gelblich-braunen Schleiern vor den Fenstern seines Fliegers.Irgendwo unter der Dunstglocke liegt das Ölparadies Kuweit - samt seinen fünf großen Gas- und Ölkraftwerken. Die liefern bislang rund um die Uhr den Strom für die gigantischen Meerwasserentsalzungs- und Klimaanlagen. "Hier brauchen Sie nur den Finger in den Sand zu stecken, und schon kommt Öl raus - oder Gas", sagt Tacke, Chef von Deutschlands fünftgrößtem Elektrizitätskonzern. Dennoch will Tacke in der Region eine Menge Geld verdienen - mit Kohlekraftwerken. "Wir sind dabei, die Bedingungen für solche Projekte auszuloten", sagt Tacke. So verrückt können die Folgen sein, wenn eine international eher chaotische Energie- und Umweltpolitik auf steigende Ölpreise trifft. Statt noch mehr Strom aus Sonne, Wind oder Wasser zu gewinnen, wächst weltweit die Nachfrage nach Kohlekraftwerken - zu Lasten von Klima und Ökosystemen. So hat die staatliche Oman Oil Company erst Ende April mit zwei koreanischen Unternehmen eine Absichtserklärung für Bau und Betrieb mehrerer Kohlekraftwerke unterzeichnet. Dubai plant in einem ersten Schritt mindestens vier grosse Blöcke mit einer Gesamtleistung von 4000 Megawatt. Abu Dhabi will ebenfalls Kohlekraftwerke bauen. Selbst Ägypten erwägt mittlerweile den Bau einer ersten Anlage am Roten Meer. In anderen Weltregionen sieht es ähnlich aus. Das erdölreiche Russland plant mehr als 30 neue Kohlekraftwerke - bis 2011. Und in China geht derzeit alle ein bis zwei Wochen ein neuer Block ans Netz. Weltweit werden bis 2030 rund 5000 Kohlekraftwerke in Betrieb sein, schätzt die Umweltschutzorganisation Greenpeace. Kein Wunder: Eine Megawattstunde m Strom mit australischer Kohle zu produzieren kostet etwa elf Euro. Für die gleiche Elektrizitätsmenge aus einem Ölkraftwerk ist dagegen die fünffache Summe fällig. Hinzu kommt, dass die globalen Vorräte an Kohle, je nach Schätzung, noch mindestens 100, möglicherweise sogar bis zu 200 Jahre reichen. Die Vorkommen sind obendrein billig und teilweise so gar über Tage abbaubar, vor allem in Australien, aber auch in den USA, Südafrika, China und Russland. Entsprechend öffnet sich die Schere zwischen den Weitmarktpreisen für Öl und Gas auf der einen sowie Kohle auf der anderen Seite immer stärker. Und so kommt es auch, dass die Golfstaaten ein höchst lukratives Geschäftsmodell entwickelt haben: Ihr Öl verkaufen sie zurzeit zu Rekordpreisen von bis zu 140 Dollar pro Barrel an den Weltmarkt. Ihren eigenen Energiebedarf dagegen stillen sie mit billiger Importkohle. Die Versorgung übers Meer ist unproblematisch. Brennstoffkosten je Megawattstunde (MWh) Energieeinheit ... ... für Steinkohle ![]() ... für Erdgas ![]() ... für Erdöl ![]() Ökologisch dagegen ist der Trend verheerend. Die Golfstaaten, allen voran die Vereinigten Arabischen Emirate, gehören zu den Boomregionen der Welt: Allein die Bevö1kerung Dubais soll sich bis 2015 auf 2,6 Millionen Menschen verdoppeln. Jeder Bewohner des Emirats verbraucht sechsmal so viel Energie wie der globale Durchschnitt und immerhin noch ein Drittel mehr als ein US-Bürger. Entsprechend trübe sind die Aussichten für das weltweite Klima, wenn der Kohleanteil in der Stromproduktion weiter steigt. Selbst ein modernes Steinkohlekraftwerk stößt 750 Gramm CO2 bei der Produktion einer Kilowattstunde Strom aus, doppelt so viel wie ein Gas- und rund 50 Prozent mehr als ein Ölkraftwerk. Braunkohle ist so gar noch schädlicher fürs Klima. Die Entwicklung zeigt, zu welch absurden Resultaten eine national begrenzte Klimapolitik führen kann. Während Deutschland seine CO2-Emissionen bis 2020 um 20 Prozent reduzieren muss und die doppelte Einsparung erreichen will, gelten viele Golfstaaten, darunter die Vereinigten Arabischen Emirate, als Entwicklungsländer. Das bedeutet: Sie haben zwar das Kyoto-Protokoll ratifiziert, brauchen aber ihren CO2-Ausstoß nicht zu senken. Dabei wäre es ein Leichtes, im Golf einen Teil der Energieversorgung durch Solarstrom zu decken. Schließlich lassen sich in der sonnig-heißen Wüstenregion mit einem einzigen Quadratmeter Solarzellen mindestens 2200 Kilowattstunden pro Jahr produzieren. In Deutschland ist es weniger als die Hälfte. Noch aber ist Solarstrom, im Vergleich zu Kohle, zu teuer. Ganz anders als in der Bundesrepublik, wo der Einbau von Sonnenkollektoren mit staatlichen Subventionen hoch gefördert wird. Die Folge: In Deutschland wurden im vergangenen Jahr Anlagen mit einer Leistung von 1300 Megawatt installiert, in Saudi-Arabien und den Golfstaaten waren es nur 36 Megawatt. Würde nur ein Bruchteil der deutschen Solarsubventionen in die Golfstaaten fließen, wäre der Effekt für das Weltklima um ein Vielfaches größer. Doch für solche Lösungen gibt es derzeit keine politischen Mehrheiten, weder in den Ö1- noch in den Industriestaaten. Evonik-Steag-Chef Tacke kann es recht sein: "Der Golf ist für uns eine Zukunftsregion", sagt er. (WOLFGANG REUTER) English (Urheberrecht: Der Spiegel. Wiedergabe ausschiesslich für wissenschaftliche Zwecke, ohne Gewinnabsichts.) ecoglobe: Der Wahnsinn zeigt sich nicht nur in den Auswirkungen auf die Kohlenstoffausstösse. Es ist überhaupt unsinnig, Meereswasser zu entsalzen und Luxusstädte in der Wüste zu bauen. Erst nach 40 Jahren hat man in der gleichen Region den Anbau von Weizen aufgegeben, weil das ökologischer Unsinn war. Wann wird man dort einsehen, dass bei mangelndem Sprit für die Flugzeuge die Luxushotels am Golf leerstehen werden? Wie lange wird der Kohlezufuhr per Schiff dann noch gesichert sein? Wie ist es möglich, dass ernsthafte Leute meinen, die Erde wäre flach und grenzenlos? Helmut Lubbers ... 4 Juli 2008 |