vorherige ecostory 89/2008 nächste
Energie sparen, CO 2 senken und trotzdem wachsen
Startseite | Klima | Energie | Nachhaltigkeit | Wachstum ecostory list | zurück
"Auf Wachstum will auch in Zukunft niemand verzichten," schreibt die NZZ am Sonntag.
Nur, wer ist "niemand"? Sind das alle Menschen, überall? Oder ist das hier im Lande vielleicht nur eine verhältnismässig kleine Schicht von Leuten,. die nie genug haben und keine Grenzen anerkennen wollen oder können?

Nach unserer Erfahrung gibt es viele normale Menschen, die nicht immer mehr wollen, einerseits. Die aber auch verstehen, andererseits, dass man bei beschränkten Vorräten und beschränkter Landesoberfläche nicht immer weiterwachsen kann und darf.

Denn wo hört das Wachstum auf? Spätestens an den Landesgrenzen, wenn alles überbaubare Land bebaut wurde, mit Strassen, Bahnen, Häusern, Fabriken, Freizeitzentren und Golfplätzen. Wo bliebe dann die Natur? Im Videofilm etwa, wie im Film "Soylent Green", wo die Menschen sich nur noch mit Nahrungspillen am Leben halten?

Dass man ohne mehr Materialverbrauch wachsen könne, ist eine Illusion. Denn Wachstum wird in Geldeinheiten ausgedückt. Ob Dienstleistungen oder Autos oder Fahrräder - Wachstum bedeutet mehr Verbrauch an Material.
Wenn man durch Materialeffizienz bei einem Produkt Material einspart so ergibt sich daraus eine Wirtschaftskontraktion weil dieses eingesparte Material nicht mehr ins Brutonationalprodukt einfliesst. Normalerweise wird solches eingespartes Geld dann anderweitig verwendet, für andere Produkte, andere Bauten oder Ferienreisen, die ihrerseits alle wieder Rohstoffe und Energie brauchen. Am Ende dieses Weges liegt ein Wachstumsparadies voller Güter und Bequemlichkeiten aber ohne Natur und mit aufgebrauchten Rohstoffvorräten, die man mit Technologie nicht wiederherstellen kann.

Die Wachstumsideologen treiben die Menschheit in eine Zukunft, die keine mehr sein kann, ohne Raum, ohne Ressourcen, in ein schwarzes Loch des Umweltkollapses und Kriege um die letzten Tropfen Öl, Wasser, um die letzten Krüme Brot und den letzten Raum wo man ohne Überschwemmungen und Erdrutschen noch sicher leben könnte.

Helmut Lubbers ... 14 September 2008
  • Prognosen weltweite Erdölförderung in 2030: 116 oder 39 Mio. Barrel pro Tag? (Heute etwa 87 Mio. Barrel pro Tag)
  • Nachaltigkeit und "völlig erneuerbare Energien"
  • Nachhaltigkeit
  • Zeit-Wachstum-Szenarios
  • Briefe stop Wachstum
  • Startseite | Stichwörter a-z | Klimawandel | ecostory | Ihre Rückmeldung
    ecoglobe seit 1997
    8915-9318  
    SONNTAGSINTERVIEW DIE SÜDOSTSCHWEIZ AM SONNTAG | 15. JUNI 2008 24

    "Die Energiekrise wird schmerzen"

    Für den Schweizer Historiker und Friedensforscher Daniele Ganser sind die Tage des Erdöls gezählt. Er plädiert für eine möglichst rasche Umstellung auf Alternativen, damit sich die Situation nicht weiter zuspitzt. Mit Daniele Ganser sprach Urs Zurlinden

    Herr Ganser, wann geht die Welt zugrunde?

    Daniele Ganser: Noch lange nicht.

    Sie bezeichnen sich als «Friedensforscher ». Gibt es Krieg?

    Ganser: Es gibt viele Kriege. Die Friedensforschung versucht, einen Ausstieg aus der Gewaltspirale zu zeigen.

    Welches ist die grösste Bedrohung?

    Ganser: Dass man die Gewaltspirale fatalistisch hinnimmt als eine Zuspitzung, die notwendigerweise erfolgen muss. Das führt zu immer mehr Ressourcen-Kriegen, immer mehr Gewalt, am Schluss zu Atomkriegen und Biomassen-Kriegen. Und das ist sicher keine taugliche Vision fürs 21. Jahrhundert!

    Hat der Krieg ums Öl schon begonnen?

    Ganser: Ja. Im Irak, im Sudan, in Nigeria und in Afghanistan.

    Sie reden vom «Peak Oil», vom Höhepunkt der Ölförderung. Wie ist die aktuelle Situation?

    Ganser: Angespannt. Zwischen Angebot und Nachfrage herrscht ein Ungleichgewicht. Wann der «Peak Oil» erreicht ist, wissen wir nicht. Denn die Zahlen beispielsweise aus Saudi- Arabien sind völlig intransparent. Es kann sein, dass wir schon heute ganz nahe am «Peak» sind. Für mich ist nicht der Streit um den genauen Zeitpunkt wichtig. Sondern, dass man darüber nachdenkt, wie der unvermeidliche Abstieg vom Erdölgipfel zustande kommt und wie wir damit umgehen. «Der ‘Peak Oil’ ist ein historischer Umbruch.»

    Ist das nicht Schwarzmalerei?

    Ganser: Nein.Wir hatten nun 150 Jahre lang einen Erdölzufluss ins System: 1945 waren es sechs Millionen Fass pro Tag, heute sind es 87 Millionen. Jetzt geht es darum, dass wir mit weniger Energie umgehen müssen, aber mit einer sehr, sehr grossen Weltbevölkerung. Das ist nicht Schwarzmalerei, das sind die Fakten.

    Welche Beweise haben Sie für den nahenden «Peak»?

    Ganser:Wir haben immer wieder Erdölfelder wie jene in der Nordsee, wo die Fördermengen rauf-, dann aber wieder runtergehen. Dieses Phänomen kennen auch Länder wie Mexiko, Norwegen, England, Rumänien, Ägypten, die USA und Indonesien, wo der «Peak» 1976 erreicht wurde. Nun ist Indonesien sogar aus der Opec ausgetreten. Der internationale «Peak» ist komplizierter. Denn die Länder mit nach wie vor steigenden Fördermengen kompensieren die Einbrüche in all den anderen Ländern – plus die zwei Prozent Mehrbedarf durch die Industrialisierung von China und Indien. Also: Den «Peak» gibt es. Aber dass er jetzt schon erreicht ist, können wir nicht beweisen. Wir bewegen uns im Dunstfeld des «Peak».

    Nun hat schon 1972 der Club of Rome das Ende der Ölzeit vorausgesagt. Eine klassische Fehlprognose.

    Ganser: Die ersten beiden vom Club of Rome genannten Fristen sind tatsächlich verstrichen, die dritte wird 2032 sein. Dann werden wir sehr wahrscheinlich noch Öl haben, der «Peak» liegt dann aber ganz bestimmt hinter uns, und die Energiekrise wird schmerzen. Der Club of Rome hat das Wachstum der Weltbevölkerung im Vergleich mit den endlichen Ressourcen thematisiert. Mit diesem Ansatz hatte er absolut Recht.

    Letztes Jahr kam es in Brasilien zu einem spektakulären Erdölfund. Wo bleibt die Zuversicht?

    Ganser: Das ist eben ein Problem: Die Erdölentdeckungen werden oft als sehr erfolgreich dargestellt. Auf den beiden neuen Feldern in Brasilien rechnet man mit 30 Milliarden Fass. Da denken die Leute: «Toll, das wird für mich und meine Kinder reichen.» Aber: Die 30 Milliarden Fass sind der weltweite Verbrauch in nur einem Jahr! Es ist ein Irrtum zu glauben, dass die Entdeckungen eine Erfolgsgeschichte seien. Seit 1964 gehen die Entdeckungen zurück.

    Gemäss Colin Campbell, dem Vordenker in Sachen «Peak Oil», sind 90 Prozent des Erdöls gefunden. Woher will er das wissen?

    Ganser: Aus Erfahrung: Er hat auf der ganzen Erde selber nach Erdöl gesucht und viele Industriedaten verglichen. Aber letztlich wird man das tatsächlich erst im Rückblick sagen können.

    Ist der «Peak» nicht simple Panikmache?

    Ganser: Die Botschaft ist ja nicht: Es hat kein Öl mehr, und man kann auch keines mehr finden. Sondern die Botschaft ist: Der «Peak Oil» ist ein historischer Umbruch für die Menschheit. Man hat 150 Jahre lang Erdöl ins System hineinfliessen lassen, dann kommt ein Punkt, wo das Maximum erreicht ist, und danach geht es wieder zurück. Also haben wir im 21. Jahrhundert die Situation, dass wir Jahr für Jahr weniger Erdöl zur Verfügung haben. Das ist für mich entscheidend.

    Wie reagiert die Ölindustrie auf solche Meldungen?

    Ganser: Rolf Hartl von der Schweizer Erdöl-Vereinigung und ich sind immer wieder zu Debatten eingeladen. Am Schluss ist es immer wieder dasselbe: Er sagt, man solle die Ölheizung drinlassen, ich sage, man solle sie rausnehmen. Einig sind wir uns, dass es den «Peak Oil» gibt. Aber Hartl sagt, der «Peak» sei noch weiter weg, und die Preise würden wieder herunterkommen. Ich sage, wir sollten die Erölabhängigkeit verringern.Wir sollten das Erdöl verlassen, bevor es uns verlässt.

    Laut einer Studie von des Ölmultis BP steigen die Reserven sogar noch.

    Ganser: Das ist eine Irreführung. So entsteht der Eindruck, man könne Erdöl rauspumpen und gleichzeitig würden die Reserven grösser. Wenn man eine Flasche Wein einmal angezapft hat und daraus trinkt, wird immer weniger Wein übrig sein. Das ist bei den Erdölfeldern genau gleich. Was es gibt, ist ein Trick: Man entdeckt zuerst ein Feld mit fünf Milliarden Fass, raportiert aber nur von drei Milliarden. So lassen sich die Steuern optimieren, und die Meldungen verbreiten, es habe ja noch genügend Öl. Das ist ein Spiel, das aber noch nie dazu geführt hat, dass es tatsächlich mehr Erdöl gab. «Wir müssen die Umstellung jetzt machen.»

    Der Ölpreis erreichte in diesen Tagen mit über 139 Dollar pro Barrel einen neuen Rekord. Wird es noch teurer?

    Ganser: Klar. Mit dem «Peak Oil» sind Angebot und Nachfrage nicht mehr im Gleichgewicht. Dann kann der Preis nur nach oben gehen.

    Wie weit noch?

    Ganser: Nach oben gibt es keine Grenze.Auch 200 Dollar pro Fass sind keine Grenze.

    In Samedan kostet der Liter Benzin 2.04 Franken, der Liter Diesel 2.36 Franken. Welche Folgen haben solche Preise?

    Ganser: Erstens greifen die Energiekosten tief ins Portemonnaie der Schweizer ein. Das hat in erster Linie einen Einfluss auf das Mobilitätsverhalten: Längerfristig werden wir leichtere, sparsamere Autos kaufen und häufiger das SBB-Generalabonnement nutzen. Global hat es die Folge, dass die Wirtschaft eine Rezession nicht abwehren kann. «Auch 200 Dollar pro Fass sind keine Grenze.»

    Seit die Ölpreise explodieren, boomt die Nachfrage nach Alternativenergien. Warum sollte der Markt nicht spielen?

    Ganser: Der Markt spielt, ganz klar. Nur ist der Markt relativ langsam, um die ganze historische Konstellation auf die Schnelle zu ändern. Im Energie- Mix verbrauchen wir hier in der Schweiz 57 Prozent Erdöl, 14 Prozent Wasserkraft, zwölf Prozent Gas und zehn Prozent Atomenergie. Eine Umstellung auf Alternativen wie Sonnenenergie braucht Zeit. Und: Das Erdöl hat eben eine unglaublich hohe Energiedichte, ist also eine unglaublich tolle Energiequelle. Es ist eigentlich das beste Energieprodukt. Deshalb sind wir so süchtig danach.

    Hat die Politik die Situation erkannt?

    Ganser: Ich habe denVerein Aspo, die Association of the Study of Peak Oil and Gas, gegründet und führe Einzelgespräche mit den National- und Ständeräten. Im Moment sind über alle Parteien hinweg zehn Prozent der Bundesparlamentarier Mitglied in diesem Verein. Das ist zu wenig. Die hohen Ölpreise wurden letzte Woche zum Thema in der Bundeshaussession.

    Waren Sie dort?

    Ganser: Diesmal nicht. Die SVP will die Mineralölsteuer senken, um die hohen Ölpreise zu kappen. Ganser: Das ist eine schlechte Idee. Wir stehen vor einer historischen Umstellung. Und diese Umstellung müssen wir machen. Wenn wir jetzt die Ölpreise künstlich senken, kommt einfach die Umstellung weniger schnell. Und wir berauben uns eines wunderbaren Momentes: der Hochkonjunktur. Wir müssen die Umstellung jetzt machen. In zehn Jahren, mit Inflation undArbeitslosigkeit, werden wir deutlich grössere Schwierigkeiten haben.

    Energieminister Moritz Leuenberger hat einen Energieausweis und weitere Energiesparmassnahmen angekündigt. Was wollen Sie noch?

    Ganser: Das finde ich gut. Nur: Der Energieausweis ändert noch nichts daran, dass grosse Teile unserer Gebäude absolute Energieschleudern sind. Meine Idee wäre, dass all diese Energieschleudern in hochoptimierte Gebäude umgebaut werden. Wir verbrauchen jeden Tag 38 Millionen Liter Erdöl. Das ist eine Unsumme.

    Schweden will bis zum Jahr 2020 völlig unabhängig vom Erdöl sein. Ist das realistisch?

    Ganser: Es wird schwierig.Wenn Erdöl tatsächlich ein Suchtstoff ist, wäre Schweden das erste Land, das den Entzug versucht.

    Daniele Ganser … … wurde 1972 in Lugano geboren und ist in Basel aufgewachsen. Ab 1992 studierte er Antike und Moderne Geschichte, Philosophie, Anglistik und Internationale Beziehungen in Basel, Amsterdam und London. Nach seiner Promotion 2001 arbeitete er zuerst beim ThinkTankAvenir Suisse in Zürich, von 2003 bis 2006 am Zentrum für Sicherheitspolitik an der ETH Zürich. Nun unterrichtet er am Historischen Seminar der Universität Basel. Er ist Autor verschiedener Bücher zu globalen Themen der Zeitgeschichte. Ganser lebt mit Frau und Tochter in Arlesheim (Basel-Landschaft). (uz)

    Urheberrecht: Wir reproduzieren diesen Artikel ausschliesslich für wissenschaftliche Zwecke, ohne Gewinnabsicht.