vorherige ecostory 102/2008 nächste
Leben auf zu grossem Fuss
zurück | Startseite | Klima | Energie | Nachhaltigkeit | Wachstum ecostory list
"Leben auf zu grossem Fuss"

Dieses Bild entspricht unserer Einschätzung der Lage.
Es ist vom Film "The 11th hour"- "Die elfte Stunde".

Genauer betrachtet
ist es jedoch schon eine Minute vor zwölf (Rechnung).

Bei den heutigen Trends bleiben uns vielleicht noch zwei bis drei Generationen bis wir die allgemeine Ressourcen-knappheit hautnah erleben und dann vielleicht in den letzten Rohstoffkriegen aussterben.

Mehr oder weniger umweltverträglich gelebt haben wir ungefähr 4000 Generationen.

Die Weltbevölkerung steigt um etwa 75 Millionen pro Jahr und soll in 2050 etwa 9 Milliarden sein gegenüber heute (Ende 2008) 6,7 Milliarden. Gleichzeitig nehmen die Ressourcen wegen des Wirtschaftswachstums immer schneller ab.

Bei Beginn der Landwirtschaft, vor etwa 6000 Jahren oder 240 Generationen, begannen wir mit der Überbeansprüchung der Erde. Einige Völker haben dadurch ihre Landstriche quasi verwüstet.

Um 1765 - Erfindung der Dampfmaschine - begann die Moderne, das industrielle Zeitalter. Damit setzte das ungeheure Wachstum der Bevölkerung ein, durch Technologie ermöglicht und angetriebene. Das Führte zu der immer schnellere Ausbeutung nichtereuerbarer Rohstoffe und Zerstörungen der Natur.

Heute, nach nur 11 Generationen, sind wir soweit, dass sich in vielen Bereichen die Knappheiten abzeichnen. Zu viele Menschen verbrauchen zu viel Rohstoffe und Natur.

Rohstofferschöpfungen (Mineralien, fossile Energie, fossiles Wasser), Artensterben, Bodenerosion, Umweltverschmutung inklusive Treibhausgase und Klimawandel, können durch Technologie nicht wiedergutgemacht werden. Ausgestorbene Eisbären, Singvögel oder Fischarten können nicht durch Intelligenz wieder ins Leben gerufen werden.

Im Gegenteil. Die Technologie ist Teil des Problems, gemäss der Gleichung:

      Umweltbelastung = Bevölkerungsgrösse x Wohlstand x Technologie

      [I=PxAxT - Impact = Population x Affluence x Technology
      (vgl. www.ecoglobe.ch/sustain/e/glos8830.htm)

Wir müssen uns also wirklich beeilen, wenn wir den Umkehr zu Umweltverträglichkeit schaffen wollen. Es braucht einen sofortigen Wachstumsstopp und Verringerung unseres Materialverbrauchs.

Wir können nämlich nicht von anderen Ländern irgendwo Rohstoffe oder Natur leihen, wie dies andere meinen. Wir sind keine "Schuldner der Natur" - .

Wir verbrauchen die in langer Vergangenheit angesammelten Rohstoffe unwiederbringbar. Und wenn die Vorratskammer der Erde leer ist, bleibt sie leer und wir haben dann kein Essen mehr.

Die Rechnungen des ökologischen Fussabdrucks umfassen nur die nachwachsenden Rohstoffe, ergänzt durch eine theoretische Fläche für die Aufnahme von CO2-Gasen. Die Klimagasausstösse bleiben sehr lange Zeit in der Luft und was von den Ozeanen aufgenommen wird führt zur sogenannten Übersäuerung und Schwächung der Knochen von Meereslebewesen. Das wiederum ist eine Bedrohung für die Kontinuität der Nahrungskette.

Unsere Überbelastung der Erde begann also nicht um 1980, sondern viel früher. Auch beginnt sie nicht im Oktober eines jeden Jahres, um danach auf Pump zu leben. Wir verbrauchen dauernd zu viel, bis es nichts mehr gibt.

Das ist unsere Realität und es bleibt nur eines zu tun: reduzieren und dies schnellstens. Das braucht ein klare Absage an jene Theoretiker, die meinen, man könne immateriell oder sonstirgendwie umweltverträglich wachsen.
    Rechnung:
  1. Ein Tag hat 24 Stunden oder 1440 Minuten.
  2. Menschen in der heutigen Gestalt (Homo Sapiens Sapiens)
    bestehen seit mindestens 4000 Generationen von je 25 Jahren.
  3. 2,5 Generationen von 4000 sind 1/1600.
  4. 1/1600 von einem Tag (von 1440 Minuten) sind 0,9 Minuten oder 0,54 Sekunden.
  5. Somit sind wir nicht in der elften Stunde vor Mitternacht sondern in der letzten Minute angelangt, unter der Annahme, dass uns noch zwei bis drei Generationen Zeit bleibt - bis zum letzten Feierabend und Schluss für die Menschheit. Bis 2050 sind weniger als 2 Generationen.
  6. Da müssen wir doch radikal umdenken und Massnahmen ergreifen, die unsere Ressourcenverbrauch wirklich verringern - oder?
Helmut Lubbers ... 3 November 2008
  • Gebremstes Wachstum? Prof. Hans-Christoph Binswanger im Gespräch mit Susanne Brunner von DRS1
  • Footprint, Sustainability and Time - a Glossary
  • Ecological Footprints and Bio-Capacity: Essential Elements in Sustainability Assessment William E. Rees, PhD 2006
  • footprint basics
  • Nachaltigkeit und "völlig erneuerbare Energien"
  • Nachhaltigkeit
  • Zeit-Wachstum-Szenarios
  • Briefe stop Wachstum
  • Startseite | Stichwörter a-z | Klimawandel | ecostory | Ihre Rückmeldung
    ecoglobe seit 1997
    8915-9205-9215
    "Betonwälder in Hongkong: Der Mensch ist zum Schuldner seines Planeten geworden, weil er Raubbau an der Natur betreibt. (Mauritius/Baumann)" [Bildlegende NZZ]

    Leben auf zu grossem Fuss

    Die Menschheit verbraucht viel mehr Ressourcen, als die Erde hergeben kann. Wie viel, berechnet Mathis Wackernagel im «globalen Fussabdruck».
    Von Andreas Hirstein (NZZ am Sonntag, 3. Februar 2008)

    Es gibt den Tag des Baumes, den Tag des deutschen Bieres – und seit 2006 den «World Overshoot Day». Das aber ist kein Grund zum Feiern. Denn sein Datum markiert Jahr für Jahr denjenigen Tag, an dem die Menschheit so viele natürliche Ressourcen verbraucht hat, wie die Ökosysteme der Erde in zwölf Monaten regenerieren können.

    Würden wir im Gleichgewicht mit der Natur leben, so fiele der Overshoot- Tag immer auf den 31. Dezember. «Doch davon sind wir weit entfernt», sagt Mathis Wackernagel, der Gründer und Geschäftsführer des Global Footprint Network in Oakland bei San Francisco. Die Nonprofitorganisation hat einen Wirtschaftsindex entwickelt, den «globalen Fussabdruck», der den Umgang der Menschheit mit den natürlichen Ressourcen messen soll.

    In Oakland arbeiten zwanzig Mitarbeiter für das Netzwerk. Sie schreiben Länderanalysen und andere Berichte für Regierungen und Umweltschutzorganisationen. Das wichtigste Ziel aber ist es, den von Wackernagel und seinem Doktorvater William Rees an der University of British Columbia in Vancouver entwickelten Indikator als neue wirtschaftspolitische Messlatte international durchzusetzen. In Zürich und demnächst in Brüssel unterhält die Organisation weitere Büros.

    «Seit Mitte der achtziger Jahre verbrauchen wir mehr Ressourcen, als die Erde regenerieren kann», sagt der Basler, der an der ETH Zürich Maschinenbau studiert hat. «Derzeit überzieht die Menschheit ihr Konto jedes Jahr um rund 30 Prozent.» Letztes Jahr war es der 6. Oktober, an dem wir einmal mehr unsere ökologische Unschuld verloren haben, hat Wackernagel ausgerechnet - früher als jemals zuvor. An diesem Tag haben wir unser Jahresbudget überschritten und sind zum Ressourcen-Schuldner des Planeten geworden. Weil die Erde weniger Treibhausgase binden konnte, als unsere Motoren ausstossen, weil wir zu viel Fisch und Fleisch essen und zu grosse Flächen mit Strassen zubetonieren, haben wir fast drei Monate lang Raubbau an der Natur betrieben.

    Zu solchen Zahlen kommt Wackernagel, indem er den gesamten Verbrauch regenerativer Ressourcen zusammenzählt. Aus der Summe leitet er ab, wie gross die ökologisch produktive Fläche der Erde sein müsste, um alle von ihr geforderten Dienstleistungen zu erbringen. Das heisst:Wie viele Hektaren wären notwendig, um alles vom Menschen produzierte CO2 zu binden; wie gross müssten die Felder sein, um eine umweltgerechte Nahrungsmittelproduktion zu gewährleisten, und wie ausgedehnt die Flächen, um Kraftwerke ohne Umweltschäden zu betreiben oder den Abfall der Industriegesellschaften aufzunehmen?

    «Bei 6,5 Milliarden Menschen stehen jedem Erdbewohner im Durchschnitt 1,8 Hektaren ökologisch produktives Land und Wasserfläche zur Verfügung», sagt Wackernagel. «Tatsächlich nutzen wir momentan aber rund 2,2 Hektaren.»

    Industrieländer wie die Schweiz nutzen weit mehr als der Weltdurchschnitt. «Jeder Schweizer braucht für seinen Lebensstil rund 5,1 Hektaren, obwohl das Land nur über umgerechnet 1,5 Hektaren pro Kopf verfügt.» Sehr viel schlechter schneiden die USA ab, woWackernagel seit neun Jahren mit seiner Frau und seinem inzwischen sechsjährigen Sohn lebt. Jeder Amerikaner reklamiert fast 10 Hektaren für sich, seinen Offroader und die Klimaanlage. Nur die Vereinigten Arabischen Emirate häufen pro Kopf ihrer Bevölkerung einen noch grösseren ökologischen Schuldenberg an.

    Besser sieht die Bilanz von Ländern mit niedrigerer Bevölkerungsdichte aus. So nutzen zum Beispiel Kanada, Schweden und Russland ihre Ressourcen nicht zur Gänze aus. Das gilt auch für das gesamte Lateinamerika und grosse Teile Afrikas. Die Armut dieser Länder führt dazu, dass sie die Potenziale der Ökosysteme nicht vollständig ausnutzen. «Davon profitieren diese Länder jedoch kaum, weil ihr Ökokapitalvorteil auf den internationalen Märkten nicht abgegolten wird – sie finanzieren das Defizit der reichen Länder, ohne eine adäquate ökonomische Gegenleistung zu erhalten», sagt Wackernagel. «Ihre Ökosysteme ‹subventionieren› unseren hohen Ressourcenverbrauch und ermöglichen es, dass sich die Qualität von Luft und Wasser bei uns verbessert, obwohl wir über den Verhältnissen unserer eigenen Ökosysteme leben.»

    Fortsetzung von Seite 67

    Die Buchführung des globalen Fussabdrucks soll dieses Ungleichgewicht offenlegen. «Sie soll helfen, ökologische Dienstleistungen zu quantifizieren. Damit können fairere und nachhaltigere Märkte entstehen», sagt Wackernagel. «Unser Index soll in Zukunft Politiker genauso ins Schwitzen bringen, wie das heute ein sinkendes Bruttoinlandprodukt tut.» Das tönt in der gegenwärtigen politischen Situation utopisch: «Ich weiss nicht, ob unser Ziel realistisch ist. Jedenfalls realistischer, als drei Planeten zu besiedeln. Wir haben nun mal nur eine Erde.»

    Immerhin bewegt sich der Maschinenbauer schon lange nicht mehr allzu weit abseits des wirtschaftswissenschaftlichen Mainstreams. Verschiedene Ökonomen arbeiten an neuen Messgrössen, die den Erfolg einer Volkswirtschaft nicht mehr nur am Bruttoinlandprodukt festmachen, sondern ebenso an ihren ökologischen und sozialen Seiten. Auch die EU geht diesen Weg. Bis 2010 will die Gemeinschaft eine vorläufige Fassung einer neuen Generation von Wirtschaftsindikatoren ausarbeiten. Das BIP spiegelt nach Ansicht der EU-Kommission den Wohlstand der EU-Länder nur noch bedingt wider, weil die materiellen Bedürfnisse der Menschen in Industrieländern inzwischen grösstenteils befriedigt würden.

    «Unser Index soll in ZukunftPolitiker so ins Schwitzen bringen wie heute ein sinkendes Bruttoinlandprodukt.»

    Von Robert Kennedy stammt der Satz: «Das BIP misst alles ausser das, was das Leben lebenswert macht.» Zum Beispiel ignoriert das BIP unbezahlte soziale Arbeit, die aber fraglos zur Wohlfahrt einer Gesellschaft beiträgt. Auch der Erhalt eines Waldes kann das Wohlbefinden von erholungsuchenden Menschen steigern - das BIP hingegen würde zunehmen, wenn man die Bäume fällte und das Holz verkaufte. Und auch wenn Arbeitnehmer mehr Stunden am Fliessband verbringen müssen und weniger Ferien haben, steigt das BIP – einer der Gründe für das hohe BIP der USA und der Schweiz im Vergleich zu den Ländern der EU.

    Der Hintergrund der Diskussion um «ganzheitlichere» Wirtschaftsindikatoren ist also auch politisch. Die neuen Messgrössen sollen Entscheide ermöglichen, die heute nicht durchsetzbar sind, weil sie dasWirtschaftswachstum bremsen. Mit anderen Worten: Sie sollen sozialen und ökologischen Anliegen zu mehr Macht verhelfen.

    Ganz neu ist dieses Ziel nicht. Schon heute haben alternative Indizes fiskalische Relevanz. Die Weltbank der Uno etwa stützt ihre Länderanalysen auf den Human-Development-Index (HDI), der neben dem BIP auch die Lebenserwartung, die Alphabetisierungsrate und den Bildungsstand der Bevölkerung berücksichtigt. Einen anderen Ansatz verfolgt der indische Ökonom und Nobelpreisträger Amartya Sen, der auch die Verteilung des Reichtums in einer Gesellschaft und die Freiheit ihrer Individuen in die Rechnung einbezieht. Sein ebenfalls mit einem Nobelpreis ausgezeichneter US-Fachkollege Daniel Kahneman schliesslich versucht das Glück der Menschen zu messen - durch Befragungen.

    Im Vergleich dazu steht Wackernagels Konzept des globalen Fussabdrucks auf soliden Füssen. Aber auch er muss Annahmen machen, die sich streng wissenschaftlich nicht beweisen lassen – etwa, dass die Menschheit tatsächlich durch die ökologisch produktive Fläche begrenzt ist und nicht etwa durch Wasser, Energie oder andere, nicht nachwachsende Rohstoffe.

    Das hat dem Erfolg seiner Unternehmung bisher nicht geschadet. Das Global Footprint Network kooperiert mit dem WWF und vielen anderen NGO, die den Ökoindikator auf ihre Fahnen geschrieben haben. Mit der Schweiz und fünf weiteren Ländern hat der Basler Forschungsprojekte lanciert, Wales und Irland nutzen den Fussabdruck schon heute als Nachhaltigkeits-Indikator ihrer Volkswirtschaften. Das Ziel ist, dass zehn Länder bis 2015 den Fussabdruck offiziell in ihre nationalen Statistiken aufnehmen. «Unser grösster Erfolg wäre es, wenn die Uno den globalen Fussabdruck als statistischen Indikator übernehmen würde.» Mathis Wackernagel sagt: «Wir sind zwar nur Buchhalter. Aber mit der Uno im Rücken können auch Buchhalter die Welt verändern.»

    Urheberrecht: NZZ, Zürich. Wiedergabe für wissenschaftliche Zwecke, ohne Gewinnabsicht.