Eveline Widmer-Schlumpf, Bundespräsidentin der Schweiz
Neujahrsansprache vom 1. Januar 2012
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Die Woche des Schweizer Heimatschutzes 1982 und 2012
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Unsere Bundespräsidentin
begann Ihre Neujahrsansprache in der vierten Landessprache, Räto-Romanisch.
Sie verwendete kein einziges englisches Wort, was ein Hinweis darauf sein könnte, dass wir noch kein Teilstaat der Vereinigten Staaten von Amerika sind. Obwohl die Amis dauernd versuchen, uns und der ganzen Welt ihre Gesetze vorzuschreiben.
In ihrer Ansprache meint unsere Bundespräsidentin, der ganze Globus wird kein leichtes 2012 haben und sie wies auch auf die Energiepolitik hin.
Recht hat sie!
Denn wird sehr schwierig sein, den Atomstrom durch sogenannt "grün" Elektrizität zu ersezten. Die technischen Probleme sind riesig. Elektrizität kann man nur sehr beschränkt speichern. Und wenn die Einfuhren an Öl und Erdgas kleiner werden, wird man merken, dass man den Strom nicht essen kann. Ausserdem ist Elektrizität keineswegs "nachhaltig" oder gemäss dem neuen Modewort "grün". Herstellung, Betrieb, Unterhalt und Ersatz der Anlagen sind nämlich voll und ganz von fossilen Brennstoffen und Rohstoffen abhängig.
Als Juristin wird Frau Widmer-Schlumpf die Nachhaltigkeitsbestimmungen in der Schweizer Verfassung verstehen können - voraussgesetzt, sie lässt sich nicht von den üblichen falschen Interpretationen von "Nachhaltigkeit" irreführen.
Auf ihrer bundespräsidialen Webseite schreibt Frau Widmer-Schlumpf , dass wir uns mit der Frage auseinandersetzen müssen, welches Land wir unseren Enkelkindern übergeben wollen. "Jetzt für die Zukunft."
Konkret bedeutet das auch: die Heimat schützen, wie in der als Hintergrund benutzen Sonderzeitung "Heimatschutz" aus 1982.
Solche Gedanken sind nicht neu. Seit 1999 steht die Nachhaltigkeit offiziel in der Bundesverfassung. Doch die Praxis sieht leider anders aus. In den vergangenen dreissig Jahren wurde munter weiter gebaut und getunnelt und betonniert und gewachsen - alsob es keine Grenzen gäbe.

Diese Kuh durfte ihre Hörner behalten und ihre Ohren wurden nicht von gelben Plastikschildern verunstaltet. Wahrscheinlich wurde sie auch nicht zur maximalen Milchproduktion hochgezüchtet. Sie ist im Freien. |
Sogar unsere Kühe stehen in obligater Wachstumspose am Hang. Das gipfelsteigende Rindvieh rechts im Bild (keine versteckte Andeutung auf irgendwelche Personen, weder lebend noch verstorben!) - das wir als Sinnbild für die schönen Schweizer Alpenlandschaft auswählten - wird einsehen, dass es Grenzen gibt. Der Kuh wird oben die Luft dünn und das Grass mager werden.
Doch was soll unsere Kuh essen, wenn wir alles Grüne der Wirtschaft opfern? Was sollen wir essen, wenn wir Treibstoff statt Kartoffeln pflanzen?
Wo sollen wir noch Getreide ernten wenn wir alles Bauland dem Verkehr und dem Bau opfern?
Die Bundespräsidentin ist ein Mensch mit Hirn und Verstand. Sie weiss, dass wir auf einem Globus leben und nicht auf einem flachen, endlosen Planeten.
Wir wünschen unserer Bundespräsidentin Eveline Widmer-Schlumpf viel Mut, Ausdauer und Zivilcourage beim Anpacken der riesengrossen Energie- und Rohstoffprobleme der kommenden Jahre, in dieser Legislaturperiode.
Hoffentlich wird sie versuchen, den Vollzugsnotstand in Sachen Nachhaltigkeit zu beenden und die Bundesverfassung endlich wirksam werden zu lassen.
Helmut Lubbers ... 1 Januar 2012
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Ansprache
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, sehr geehrte Damen und Herren,
[Romantsch]
Wir stehen am Anfang eines neuen Jahres. Was wird es uns bringen? Wird uns das Schicksal fordern? Wird das Schwere überwiegen? Oder sind es die schönen, bereichernden Erlebnisse, die mehr Gewicht erhalten?
Mit dem Jahr 2012 beginnt auch eine neue Legislatur, die 49ste seit der Gründung unseres Bundesstaates im Jahre 1848. Das Parlament und der Bundesrat sind neu gewählt. Gemeinsam werden wir uns im Bundesrat darum bemühen, Lösungen f&uu;r die anstehenden Probleme und Fragen im Landesinnern aber auch in der Zusammenarbeit mit andern Ländern aufzuzeigen.
Wir Schweizerinnen und Schweizer werden kein leichtes 2012 haben, Europa nicht, der ganze Globus nicht. Aber wir stehen vor einem spanneden 2012, vor grossen Herausforderungen. Offene Fragen gibt es fast beliebig viele. Einfache Antworten gibt es praktisch keine.
Das Geschehen auf den internationalen Finanzmärkten lässt unseren Werkplatz und unseren Finanzplatz nicht unberührt. Wir werden alles tun, was in unseren Kräften steht, um schweizerische Unternehmen und Arbeitskräfte in ihrer Selbstbehaltung zu unterstüzen.
Die Entwicklung unserer Gesellschaft - ein weiteres Themenfeld - stellt uns vor immer neue Fragen, in der Schule, am Arbeitsplatz, im Sozialbereich, in der Gesundheitsvorsorge. Einfache Rezepte gibt es nicht aber es werden in Zusammenarbeit zwischen den Staatsebenen - Bund, Kantone, Gemeinden, der Privatwirtschaft, den Sozialpartnern - und den Betroffenen Strategien zur Problemlösung erarbeitet. Der Bund kann Impulsgeber, Koordinator sein.
Und schliesslich ist der Entscheid, in der Energiepolitik neue Wege zu gehen, mit grossen Anstrengungen auf breiter Basis verbunden. Umso wichtiger ist es, diesen Weg nun gründlich auszuloten und die Diskussion darüber im kommenden Jahr breit zu führen.
Zeiten grosser Unsicherheit, schwierige Jahre hat unser Land immer wieder erlebt. Immer aber ist es gelungen, mit Zivilcourage Wege zu finden, gute Lösungen umzusetzen. Dies ist auch heute möglich, wenn wir unsere Kräfte bündeln, unsere Stä:rken nutzen, in allen Sprachregionen, in allen Landesteilen.
Der gemeinsame Wille, für die zentralen Werte unserer Schweiz einzustehen, unser Land als Land mitten in Europa, aber auch weiter zu entwickeln, ist Grundlage dafür, dass das kommende Jahr nicht nur ein wirtschaftlich schwieriges, sondern auch ein alles in allem durchaus gutes, erfolgreiches wird.
Unser Land ist voller zentrifugaler Kräfte. Es gibt in der Schweiz kein grosses, einigendes Band, wie es in andern Ländern die Sprache oder in historischer Sicht die Monarchie darstellt. Die Bänder der Schweiz müssen wir immer wieder neu fest zusammmenknüpfen.
Unsere weitreichende demokratische Mitbestimmung ermöglicht es jeden Stimmbürger, jeder Stimmbürgerin, dazu beizutragen. Machen Sie von Ihrem Mitspracherecht Gebrauch. Wirken Sie bei der Gestaltung des Zusammenlebens in unserem Land mit, auch im neuen Jahr.
Was auch kommt - gehen wir das neue Jahr mit Zuversicht an, mit Vertrauen, persönlich, mit Bezug auf unseren privaten Bereich, und auch als Mitbürgerin und Mitbürger, als Bewohnerin und Bewohner unseres schönen Landes.
[Romantsch]
Ich wünsche Ihnen von Herzen alles Gute, viel Freude und den Halt, den wir alle brauchen.
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Die Bundespräsidentin, Eveline Widmer-Schlumpf, auf den EFD-Webseiten, im Januar 2012:
Liebe Besucherin, lieber Besucher
Immer schneller, immer leistungsfähiger, immer effizienter: Der Takt, den
unsere Kommunikationstechnologien vorgeben, prägt auch unsere
"Instant-Gesellschaft" und beginnt sogar unsere Gedanken zu "formatieren".
Kurzfristiges Denken herrscht vor. Hier möchte ich einen Gegenpol schaffen:
"Jetzt für die Zukunft" lautet das Motto in meinem Präsidialjahr. Ich meine
damit: Jeder bedeutende Entscheid von heute muss sorgfältig daraufhin
überprüft werden, welche Auswirkungen er für die Zukunft hat. Und damit auf
die kommenden Generationen.
Das bedeutet aber nicht, dass mittel- und langfristiges Denken alleine eine
Staatsaufgabe ist. Die Sorge um die Zukunft kann nicht nur an den Staat
delegiert werden. Vielmehr sollen die Bürgerinnen und Bürger sich selbst
genau diese Frage stellen: Welche Auswirkungen hat mein Verhalten?
Ein Land ist wie ein grosses Schiff: träge. Wer ein Schiff lenkt, muss
Weitblick beweisen. Wer immer wieder einmal durch das Fernrohr blickt, kann
frühzeitig erkennen, wann der Kurs angepasst werden muss.
Unsere Enkelkinder werden zwar mit ganz anderen Herausforderungen
konfrontiert sein als wir. Wir müssen aber nach Möglichkeit verhindern,
ihnen Lasten aufzubürden. Die zukünftigen Generationen brauchen genügend
Handlungsspielraum, um ihre Herausforderungen meistern zu können. Die
heutigen Beschlüsse dürfen übermorgen keine Hypotheken aus der Vergangenheit
sein. Seien dies Schulden wegen hohen Staatsausgaben, schwierige Beziehungen
mit dem Ausland oder umweltschädliche Technologien.
Ob die Welt künftig noch schneller, leistungsfähiger und effizienter wird,
wird sich zeigen. Wir müssen uns aber mit der Frage auseinandersetzen,
welches Land wir unseren Enkelkindern übergeben wollen. Jetzt für die
Zukunft.
Eveline Widmer-Schlumpf,
Bundespräsidentin und Vorsteherin des EFD
[www.efd.admin.ch/org/vorsteher/01632/index.html?lang=de ]
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