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Schreckmümpfeli

Nadelstiche

von Jürg Binder

Seit neunzehn Jahren waren sie verheiratet. Aber seit sechs Jahren sprachen sie nicht mehr mit einander. Sie verkehrten nur noch schriftlich. Kleine Zettel gingen hin und her. Stichworte, Stichworte der Bosheit.

Angefangen hatte es völlig belanglos. Er hatte gesagt, er schreibe jetzt dann auf, was er sage, damit sie es nicht überhöre. Und drei Tage später, als er, die Pfeife im Mund, seine Zündhölzer suchte, schrieb er auf einen Zettel: "Ich brauche Feuer," zum Scherz. Ihre Antwort kam prompt. Sie legte ihm einen Zettel in den Aschenbecher. "Ich bin keine Maschine."

Noch lächelten sie. Aber aus dem Scherzchen wurde eine Marotte, aus der Marotte ein Spiel, und aus dem Spiel wurde Ernst. Schliesslich ging es nur noch darum, wer zuerst aufgeben würde. Die kleinen Zettel lagen überall. Nadelstiche, anfänglich plump, dann immer differenzierter, schliesslich teuflisch. Und immer war sie ihm eine Nasenlänge voraus. Es störte ihn. Einmal musste er siegen.

Vor zwei Jahren wäre es beinahe gelungen. Sie war eben nach einer Magenoperation nach Hause zurückgekehrt und lag im Bett. Er stand daneben und überlegte, ob er den Stumpfsinn abbrechen sollte. Ein Wort, vielleicht zwei. Doch alsob sie es gemerkt hätte blickte sie ihn an, mitleidig, vorwurfsvoll, überheblich. Die Wut stieg in ihm auf und er schrieb: "Ich gehe gut essen," 'gut' unterstrichen.

Sanft schloss er die Tür und ging. Gerade als er seine Vorspeise anschneiden wollte, betrat sie die Gaststube, setzte sich ihm gegenüber, bestellte das gleiche Menü, ass es schweigend und ging vor ihm wieder weg. Übrig blieb ein Zettel neben seiner Kaffeetasse. "Mein Magen ist in Ordnung."

Seine Geste wurde zur theatralischen Gewohnheit. Wenn er etwas ersonnen hatte, marschierte er zu seinem Schreibtisch, nahm einen Zettel von der stets bereiten Beige und schrieb seine Teufelei nieder. Sie dagegen, kehrte meistens seine Zettel um und schrieb ganz einfach auf die Rückseite. Auch das war ein Sieg. Bei seinem Begriffe war er stets in der Defensive, was ihn überall und jederzeit auf eine günstige Gelegenheit hoffen liess, um endlich zuschlagen zu können.

So war es auch an seinem dreiundsechszigsten Geburtstag. Als er, wie gewohnt, um zweiundzwanzig Uhr nach Hause kam, stand das oberste Stockwerk in Flammen. Kurz dachte er an Rettung, doch dann übermannte ihn die verlockende Situation, die ihm der Zufall beschieden hatte. Blitzschnell entschloss er sich zum Angriff, er marschierte zu seinem Schreibtisch, hob einen Zettel von der Beige und schrieb: "Achtung, das Haus brennt!"

Eben wollte er den Zettel seiner Frau ins Zimmer hinauf bringen, da fiel sein Blick auf das nun oberste Blatt auf der Beige. Darauf stand: "Ich weiss es. Ich habe es angezündet." Betäubt von der grauenvollen Niederlage hastete er nach oben, doch ihr Zimmer war leer. An diesem Moment brach das Feuer überall durch. Er schleppte sich nach Atem ringend nach unten. Doch als er fast im Freien war, brach die Eingangsmauer auf ihn herab und begrub ihn. Vor dem Haus auf der Strasse stand eine Frau und weinte. In der Hand hielt sie einen vergilbten und zerknitterten Zettel. Darauf war zu lesen: "Ich brauche Feuer."

(Transkription nach einer Ausstrahlung von Radio DRS1 (www.drs1.ch)


Der Vampier

von Markus Köbeli und Bruno Dorner

"Aaaah. Ach. Immer diese Scheisskälte hier oben. Jetzt sitze ich schon ganze zwei Wochen auf dieser armseligen Burg und noch immer kein Bluttropfen zu sehen. Wir armen Vampiere. Uns wird das Leben auch nicht gerade leicht gemacht.

"lala lala lala la.."

"He. Was ist denn das? Weibergesang!"

"Trala tralidelidelom lala lala lala la.."

"Oho! Ein Mädchen! Ganz allein auf dem Nachhauseweg. Ja da muss ich mich doch darum kümmern! "tum tum tirumtumtum"

"Wohin des Weges, holde Jungfrau?"

"aeeiiaaaaa!!! he... ah.. haben Sie mich erschreckt! Ich dachte schon es sei ein Vampier."

"huhuhuhu..."

"Sind Sie auch auf dem Heimweg von der Discoparty?"

"Von der was bitte?"

"Von der Discoparty! Sie sind doch der alte Knacker, der sich vorhin an Walpurga herangemacht hat, hee? Sie Schlimmer, Sie!"

"Oh, Gnädigste! Welche Reize!"

"Wohnen Sie hier, auf dieser Burg?"

"Ja, mein Fräulein. Hier wohne ich. Darf ich Sie zu einem .... emmmmm ... Tässchen Tee einladen?

"Mensch! Toll!"

"Dann, bitte mir zu folgen."

"Herrlich haben Sie's hier. Machen wir Musik?"

"Aber sicher, mein schönes Fräulein! Darf ich bitten? Aeeeeeeh!"

"Heee! Sind Sie immer so stürmisch?"

"Err... Welch entzückender Schwanenhals! Herrlich! Welch einzigartiges Geschenk! Welch ein Leckerbissen!"

"Was machen Sie den da?"

"So zart! So geschmeidig! So um zum Hineinbeissen!"

"Heee! Warum kneifen Sie mich denn?"

"Mich gelüstet nach dir, mein Kind, nach deinem Blut, nach deinem jungen, frischen Blut."

"Aber warum denn?"

"Wir Vampiere leben davon, mein Kind. Blut ist unsere Nahrung."

"Aber Sie sind doch gar kein Vampier!"

"He. Ich soll kein, hehehe! Was soll ich nicht sein?"

"Haha hi! Sie haben doch gar keine Zähne!"

"Ich? Ich hätte keine Zäh... uuuuueh! Was? Au Scheisse. Jetzt habe ich meine Prothese vergessen."



Transkription (nach einer Ausstrahlung von Radio DRS1 (www.drs1.ch) Helmut Lubbers 28APR2002
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