ecostory 61/2005
Verkehr, Wachstum, Nachhaltigkeit?
Brief an den Bundespräsidenten Samuel Schmidt vom 6.12.05.

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Genève/Genf, 6 Dezember 2005

Lu/rs/schm5d06

Herrn Bundespräsident Samuel Schmid
VBS: Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport
Bundeshaus
3003 Bern

ecoglobe Einerleier - Bundesrat und Radio DRS beim Santichlaus am 6.12.05.


Sehr geehrter Herr Schmid,

Die bundesrätlichen Medienmitteilungen vom Freitag, den 2.12.05, haben mich dazu veranlasst, die beigefügten Webseiten zu verfassen und Ihnen hiermit auch persönlich zu schreiben.

Von den Klimatologen kommen die schlimmsten Warnungen über Klimawandel und Klimaerwärmung. Regelmässige Wetterextreme mit Überschwemmungen, Auftauen des Permafrostes mit Bergrutschen, sowie das Verschwinden der Gletscher sind angesagt.

Währenddessen verfolgt Bern jedoch eine Politik, die der ökologischen Vernunft diametral zuwiderläuft. Die letzten Beschlüsse in Sachen Verkehr sind davon ein Ausdruck.

Als gelernter Anwalt sind Sie, Herr Schmid, sicher offener für logisch schlüssige Argumente als manch andere Personen. Sie verstehen sicherlich die Statistiken, die ausweisen, dass bisher noch jede neue Strasse oder Bahnlinie einen Mehrverkehr erzeugt hat, bis die zu eliminierenden Staus erneut oder anderswo auftraten. So, Herr Schmid, kann es doch nicht weitergehen, immer weiter Strassen und Bahnen bauen!

Ihnen wird es auch leicht fallen zu verstehen, dass man ganz generell in einem Land mit physisch begrenzten Abmessungen und Ressourcen nicht immer weiter wachsen kann und dass dies für die ganze Erde gilt.

Der Klimawandel ist unaufhaltbar. Die Ziele des Kyotoprotokolls sind völlig ungenügend und die vorgesehenen Mechanismen unwirksam. Eine Verschlimmerung des Klimawandels kann nur vermieden werden, indem wir den Ausstoss von Treibhausgasen drastisch vermindern durch eine entsprechende Reduktion der Verbrennung fossiler Brennstoffe. Dazu können und müssen wir die energieverschleudernden Transporte von Gütern und Personen stark reduzieren und entschleunigen.

Dies bedeutet, dass die Schweiz ihre Wirtschaftsstrukturen schleunigst ändern muss und neu auf eine lokalisierte Produktion von Gütern und Dienstleistungen ausrichtet, weil die Transportwege unterbrochen sein werden. Bei der bevorstehenden steigenden Häufigkeit von Überschwemmungen ganzer Talschaften, wie in diesem Sommer, ist die Relokalisierung von lebenswichtigen Betrieben nach überschwemmungssicheren Orten nötig.

Ganz allgemein wird man wieder dort arbeiten müssen, wo man wohnt. Die heutigen Pendlerströme werden spätestens dann auftröcknen, wenn das Wetter nässer wird, aber besser vorher, bevor die Not uns dazu zwingt in aller Eile zu restrukturieren, wenn es dann überhaupt noch möglich ist.

Ein zu gründender Industrierat soll abklären, in wieweit die Versorgung mit lebenswichtigen Gütern, Halbprodukten und Rohstoffen von Lieferungen aus dem Ausland abhängt.

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Bundespräsident Samuel Schmid, Bern                       Seite 2/2 - 6 Dezember 2005

Die Leitidee ist, dass bei Energieknappheit und/oder Überschwemmungen die lebenswichtige Ware entweder in ausreichendem Masse gelagert wird oder lokal hergestellt. Entsprechende Betriebe müsse repatriiert oder gegründet werden. Bei der enormen Komplexität moderner Waren und Herstellungsverfahren sowie der internationalen Verflechtung ist dies eine Riesenaufgabe. Aber sie ist überlebenswichtig für die vor der Tür stehende Zeit des Klimawandels und vom Ende der fossilen Energien. Dies bedeutet selbstverständlich, dass insbesondere die schweizerische Landwirtschaft gut geschützt werden muss.

Natürlich widerspricht dies der Ideologie der Handelsglobalisierung. Diese Art des Wirtschaftens und der Ressourcenverschleuderung kann sowieso nur so lange währen, als Rohstoffe und fossile Energien noch relativ reichlich vorhanden sind.

Das Ende ist abzusehen und erschreckend nahe: innert einer oder zwei Generationen. Historisch betrachtet ist das morgen. Menschen unserer Gattung leben schon seit mindestens 100'000 Jahren, das sind 4000 Generationen. Wir Nachsteinzeitmenschen haben vor etwa 6000 Jahren die Schrift erfunden. Das sind 240 Generationen. 230 davon haben wir nachhaltig gelebt, von den erneuerbaren Ressourcen. Und nun droht bald Feierabend. Zur Steinzeit zurückkehren ist nicht nötig. Aber grundsätzliche Änderungen unseres Wirtschaftens sind sehr dringend.

Bitte, Herr Bundesrat Schmid, lassen Sie sich nicht durch Ideologie und Scheinwissenschaft und von Hoffnungen täuschen. Gross ist die Schar derer, die sagen man darf doch nicht pessimistisch sein, wir werden schon noch den Stein der Weisen finden, die Technologie wird Lösungen bringen, wir sind kreativ und auf gutem Wege. In Tat und Wahrheit kann man Probleme immer nur lösen mit den Methoden und Techniken die man wirklich heute besitzt, und keineswegs mit solchen die man vielleicht oder vielleicht auch nicht morgen erfindet. Wenn man morgen ernten will, kann man nur heute das Saatgut säen, das man wirklich in der Hand hat.

Wenn wir im Sinne des verfassungsmässigen Nachhaltigkeitsauftrags handeln wollen, bleibt uns keine andere Wahl als die vorherrschenden Ideologien des Wirtschaftswachstums und der Globalisierung in Frage zu stellen und durch tatsächliche Nachhaltigkeitsstrategien zu ersetzen.

Sie haben Ihren Antrittseid als Bundesrat sicher nicht als leere Floskel abgelegt. Das Wohl des Landes und des Schweizervolks wird in der heutigen Zeit jedoch nicht durch mehr Verkehr und Wachstum gedient sondern durch eine handfeste Politik, welche uns bestmöglich auf die zu erwartenden Folgen des Klimawandels und des kommenden Mangels an fossiler Energie vorbereitet.

Als denkwürdigen Abschluss Ihrer diesjährigen Präsidentschaft der Eidgenossenschaft können Sie, Herr Schmid, hier noch einen Anstoss zu einem Wandlungsprozess in Gang setzen und eine Wende einleiten. In diesem Sinne hoffe ich auf eine positive Rückäusserung.

Mit den besten Wünschen für die Festtage und das neue Jahr grüsse ich Sie freundlich,

            Helmut Lubbers

 

Beilagen: ecoglobe - Staus? Der Schweizer Bundesrat wird sie lösen!
ecoglobe - Einerleier - Bundesrat und Radio DRS beim Santichlaus.

cc: Ihre Kollegin und Kollegen im Bundesrat,
      die Bundeskanzlei,
      Radio DRS Bundeshausredaktion
      www.ecoglobe.ch/politics/ch/schm5d06.htm


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