Sehr geehrte Redaktion von emagazine , ich stiess auf Ihr Magazin durch eine Suche nach Niklaus Gelpke, der im Radio DRS wegen des Überfischens befragt wurde. Dann sah ich auch die Zeile "Wie hat sich die Verlangsamung des weltweiten Wirtschaftswachstums auf die Rohstoffindices ausgewirkt?" unterm Titel "Rohstoffe & Energie" und fing an, diese Mail zu schreiben. Herr Gelpke sprach von "langfristig" und schlussendlich auch katastrophal für uns Menschen, am Ende der Nahrungskette. Dann sagte er noch, sinngemäss, er habe keine Hoffnung weil die Menschen zu spät reagieren. In einer Hinsicht hat Herr Gelpke Unrecht. Es ist nicht "langfristig" und auch nicht schlussendlich katastrophal. Wenn wir in Zeitspannen von Generationen rechnen, besteht der heutige Mensch schon mindestens 4000 Generationen von je 25 Jahren. Seit der Erfindung der Schrift sind es etwa 200 Generationen. Die Moderne zählt 10 Generationen. Das Ende der Moderne ist innert der kommenden 1 bis 3 Generationen zu erwarten, und dies aus folgenden Gründen. 1. Die herrschenden Eliten meinen, die Erde sei flach und Wachstum können ewig weitergehen (vergleichen Sie den Brief von Herrn Joseph Deiss an mich auf www.ecoglobe.ch/politics/d/deis4217.htm ). In Tat und Wahrheit ist diese Welt eine Kugel und keine Technologie oder Geisteskraft können je ausgestorbene Arten oder erschöpfte Rohstoffvorräte wieder zurückbringen. 2. Realität gilt als Schwarzmalerei und das ist schlecht fürs Geschäft. Also ereifert man sich in einer Unzahl von Konferenzen und Berichten und vermeidet sorgfältig, das heisse Thema beim Namen zu nennen: Wir sind der Menschen zu viele und wir verbrauchen zu viel Umwelt pro Person. Dabei ist es völlig unwichtig, ob es 5,5 Milliarden Arme und 1 Milliarde Reiche gibt oder ob es 6,5 Milliarden Menschen mit gleichem Wohlstand geben würde. Für die Erde zählt nur die gesamte Belastung und diese ist viel zu hoch. 3. Eine gewisse Klasse von Ideologen meint sogar, man könne sowohl weiter wachsen als auch dem Klimawandel entgegentreten und dabei sogar den Wohlstand noch vermehren. Das sind teils die gleichen Leute, die meinen, man können virtuell wachsen, das heisst entmaterialisieren, Brötchen essen, die aus reiner Luft oder Geist bestehen. Diese Mitglieder der Disziplin haben nicht verstanden, dass jeder Franken BSP einen Gegenwert an Materialien darstellt und das man bei konsequenter Material- und Energieeffizienz das BSP senken würde. Das wäre dringend notwendig aber der Widerspruch ist diesen Theoretikern nicht bewusst. 4. Klimawandel ist sexy. Grün einkaufen auch. Also springen die Leute auf den Fahrenden Zug und machen viel Geld damit. Lesen Sie diesbezüglich die Beilage der "Financial Times" vom 30.10.06 und die letzte ausgabe der "New Internationalist". Es braucht nur eine grüne Etikette und schon bezahlen die Konsumenten einen Aufpreis, egal ob dieser dem ökologischen Mehrwert entspricht oder nicht. Der Handel mit Emissionszertifikaten ist äusserst lukrativ. Und Reiseunternehmen bleiben im Geschäft wenn sie Klima-Ablassbriefe verkaufen. Das Kyotoprotokoll wird gefeiert als ein erster Schritt in die gute Richtung. Dabei sind die Reduktionsziele des Protokolls nur etwa 3 Prozent von dem was Klimatologen fordern. Die Mechanismen - Joint Implemetation, Clean Development Mechanisms und Carbon Trade - sind nicht nur unwirksam sondern sogar kontraproduktiv, weil sie den Ressourcenverbrauch ganz allgemein steigern und gleichzeitig die Kohlendioxzidausstösse bei uns nicht verringern. Inzwischen wachsen wir munter weiter und steigern sogar unsere Klimagasausstösse und Ressourcenverbrauch. Und was wir nicht selber aufbrauchen und ausstossen, machen die neuen Werkstätten der Welt in unserem Namen, in China. Die Luft kennt keine Grenzen. Aber auch das verstehen die Theoretiker nicht, welche die CO2-Ausstösse fein säuberlich nach Ländern aufteilen. Derweilen fliegen unsere Vertreter nach Nairobi und diskutieren, ohne dass sie eine blasse Ahnung von harten wissenschaftlichen Fakten haben. Man trifft sie an den Konferenzen, so wie neulich hier in Genf an einem Roundtable in International Environment House (vergl. http://www.ecoglobe.ch/climate/e/roun6o30.htm ). Man liest ihre Berichte, wie jenen vom Sir Nicholas Stern an die Britische Regierung. Die haben laut Nachricht der BBC sogar den Klimaschützer vom Dienst, Mr. Al Gore als Berater angeheurtert. Derselbige Herr Gore erkennt zwar die Problematik, liegt mit seinen Lösungsvorschlagen genau so daneben, wie die grosse Mehrheit der Wachstumsapologeten. Vergleichen Sie http://www.ecoglobe.ch/climate/e/goresol1.htm und http://www.ecoglobe.ch/climate/e/gore6918.htm . Man versucht, mit Erbsen und Blasrohr auf Elephanten zu schiessen. 5. Nicht verstanden haben die meisten Meinungsführer und -Innen, dass alles zusammenhängt und es nicht ausreicht, eine Lösung in einem Bereich zu fordern, in der unausgesprochenen Annahme, alle andere Faktoren blieben gleich. Wenn innert 10 bis 20 Jahren der grosse und billige Fluss an Erdöl und Gas zu einem Rinnsal zusammenschrumpfen wird, ist es aus mit der Mobilität. Aber letzteres nicht nur wegen des Mangels an fossiler Energie. Die Folgen des Klimawandels, verschwundener Gletscher und Permafrost, Wetterextrenme, werden unsere Gegenden in Geröllhalden verwandeln, wogegen die Brig-Katastrophe 1993 noch heilig sein wird. Die Landwirtschaft sowie die Beschaffung und Herstellung lebensnotwendiger Waren wird zusammenbrechen. Die Menschen werden froh sei, wenn sie noch eine holzbetriebe Bäckerei im Ort haben. 6. Ein Grundübel ist unsere sozial ererbte Hoffnung und Glaube, man solle ewig weiter wachsen und sich vermehren. Aber die Welt ist voll uns unsere Rohstoffverauche übersteigen den Vorräten um das Zig-fache. Wenn wir nicht sofort umkehren und unseren Verbrauch drastisch reduziern, rennen wir in die endgültige Katastrophe: Kriege und Massensterben bis vielleicht noch einige wenige Millionen von Menschen irgendwo mit den Resten der Zivilisiation vegeteiren. Das Ende kann durch verschieden Faktoren ausgelöst werden. Nahrungsmangel, Zusammenbruch der Nahrungskette durch Aussterben eines wichtigen Gliedes, Bienen zum Beispiel, opder durch Wassermangel. Klimawechsel und dessen Folgen. Oder eine Kombinationen verschiedener Umstände. Untergangsprophet werden Sie sagen oder denken. Aber wenn die kalte Wahrheit einem visuell vors Auge geführt wird, wie ein Klimatologe es am vergangenen Donnerstag hier in einem Seminar tat, dann reagieren sonst optimistische Wissenschaftler total ratlos mit einer ganzen Reihen gestammelter Fragen. So und jetzt werden Sie sagen, dass ich doch bitte auch eine Lösung vorschlagen soll, wenn ich schon so viel Kritik habe. Vorweg will ich sagen, dass ein Hervorbringen von Kritik keineswegs bedeutet, dass man gleichzeitig auch eine Lösung vorschlagen muss. Jene Forderung ist nur ein Verteidigungsmanöver jener, die nicht sagen können, warum man weiterwachsen soll, obwohl die Erde rund ist. Es ist Aufgabe aller, die Probleme zu erkennen und die richtigen Lösungen zu finden und demokratisch zu beschliessen und durchzuführen. Dabei muss man den Mut haben, herkömmliches "Wissen" zu hinterfragen, wie jene Ideologie der Wirtschaftsdisziplin. Ich halte es mit Frau Margaret Thather, die sagte: "I want you to abolish economists.". Dennoch. Eine gangbare Lösung ist die Relokalisierung und Verlangsamung unserer Gesellschaften und Strukturen. Alles wieder weitmöglichst an Ort und Stelle herstellen, wo man es auch verbraucht. Dauerhafte Güter herstellen, die Jahrzehnte sogar Jahrhunderte währen. Alles wiedergebrauchen, dann wiederverwerten. Keine neue Verkehrsinfrastruktur bauen, wie dies der Umwelminister, Herr Leuenberger will, mit zwanzig Milliarden, um "Engpässe zu beseitigen". Nur noch lebenswichtige Infrastrukturen reparieren. Wir werden dieses überbordende Technikzeitalter zurückbuchstabieren und nur das bewahren, was wirklich nutzt, wie die Medizin, zum Beispiel. Der Umschwung wird die Arbeitslosigkeit vollends zum verschwinden bringen, weil vieles wieder in Handarbeit produziert wird. Wir werden auf einer sehr tiefen Materialdurchsatzebene überleben - oder gar nicht. ![]() Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und würde mich über Ihre Reaktion freuen. Ich kann immer dazulernen. Mit freundlichen Grüssen, Helmut Lubbers, Umweltpsychologe cc: http://ecoglobe.ch/ecostory |