Interview auf Radio DRS1 mit Herrn Roger de WeckIm Fragegespräch ist die Rede von Finanzkrise. (audio)Herr Roger de Weck spricht auch von einer "latenten Energiekrise" und einer "immer schärfer werdenden Umweltkrise". Das ist eine unscharfe Aussage. Eine "Krise" ist eine schwierige Zeit, in der die Problematik oder die Kankheit ein Maximum erreicht. Nach der Krise geht's dem Patienten besser. Oder er/sie erliegt der Krankheit und ist gestorben. Haben wir eine Umweltkrise? Ist das Maximum der Probleme erreicht? Über vieviel Zeit reden wir? Wieviel Zeit bleibt uns noch? Was sind die probleme? Gibt es überhaupt ein Probem? Nach Ansicht vieler gibt es keine grossen Probleme. Und wenn schon, dann ist alles mit Geld und Erfindungen und Technologie zu lösen. Dringlichkeit besteht ebenfalls nicht, so scheint es. Wir können nämlich weiterfahren wie bisher und voller Zuversicht darauf hoffen, dass wir es bis 2030, oder 2050 oder bis 2100 schaffen, was denn auch. Zwar drohen die Eisbären auszusterben, zusammen mit dem drohenden Verschwinden des Nordpoleises. Es drohen ebenfalls eine Wasserknappheit, eine Energieknappheit, eine Nahrungsmittelknappheit, zunehmenden Wetterextreme und Überflutungen, das Verschinden der Gletscher und die Destabilisierung der Berghänge durchs Auftauen des Permafrostes, zunehmende Raumnot für Mensch und Tier, weitere Abholzung der Urwälder und Aussterben von vielen Tierarten Aber eben, es "droht" nur, obwohl es im Gange ist und wegen unveränderter Politik immer schneller voranschreitet. Was nicht droht, sind die Tatsachen. Da stimmen wir mit Herrn Roger de Weck überein, dass Realismus gefragt ist, anstelle von Optimismus und Hoffnung und Schönreden. Wegen der Tatsachen müssen wir etwas handfestes machen, hier, bei uns, und jetzt, nicht in einer unverbindlichen Zukunft. Realismus bedeutet verstehen, dass finanzielle Anlagen einen realen Gegenwert haben müssen und das man nur kaufen soll, was man versteht. Umweltrealismus bedeutet verstehen, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen, dass Wachstum seine Grenzen hat. Umweltrealisten wissen, dass wir das Wachstum bereits zu weit getrieben haben und dass wir zurückstecken müssen, wenn wir unseren eigenen Kindern eine Welt zum Leben zurücklassen wollen. Radio DRS - ECHO vom 17.10.2008 [Transkription]: Wir haben jetzt darüber gesprochen, wie die unglaublichen Mengen von Geld bereitgestellt werden können, welche Art von strengeren Regeln wie und mit welchem Effekt eingeführt werden können. Wir lesen und hören von Forderungen, dass die für das Fiasko verantwortlichen ihre Boni zurückzahlen sollen, und so weiter und so fort. Sind das die richtigen sind das die wichtigen Fragen in Hinblick auf die weitere Entwicklung? Ich sprac mit dem Publizisten Roger de Weck. Sind das für Sie die zentralen Fragen, die sich jetzt stellen?
Die wichtigeren Fragen sind für mich dreierlei. Erstens, ist der Staat wirklich unabhängig? Wir brauchen jetzt mehr denn je das Primat der Politik über die Wirtschaft. Der Staat soll sich nicht mehr in erster Linie als Dienstleister der Marktwirtschaft verstehen, sondern als deren Ordnungskraft. Er muss für Ordnung sorgen und da wird sich in den kommenden Monaten weisen, ob er dazu in der Lage ist oder ob die Wirtschaft den Staat nach wie vor beherrscht. Zweitens brauchen wir eine Debatte über gute Regulierung. Und da müssen wir wissen, jede Regulierung hat unerwünschte Effekte aber eine zu weiche Regulierung, die wir hatten, die hatte eben katastrophale Effekte. Und wir sind ja haarscharf an einer nationalen Katastrophe vorbei mit der UBS. Und zu dritten ist für mich die ganz grosse Lehre aus der Krise, nach der Globalisierung durch die Konzerne, der Globalisierung über die Märkte, brauchen wir jetzt internationale Institutionen, die der Weltwirtschaft eine Rahmen setzen können.
Nach Jahren der Marktideologie ist man nun auf die Tatsachen zurückgeworfen worden und dieser Realismus, der könnte sehr wohltuend sein. Und das zweite, die Chance zur Kooperation. Wir haben ja nicht nur die Finanzkrise. Es gibt, auch wenn sie jetzt für ein paar Monate in den Hintergrund tritt, eine latente Energiekrise. Es gibt die immer schärfer werdende Umweltkrise. Und um das zu lösen, hilft die Vorstellung des jeder für sich oder des jeder gegen jeden nicht weiter. Der Wettbewerb ist ein wichtiges Prinzip. Aber ein manchmal ebenso vorteilhaftes Prinzip ist eben die Zusammenarbeit der massgeblichen Kräfte. Und die sehen wir jetzt in Europa. Die werden wir stärker - es wird noch längere Zeit brauchen - auch auf globaler Ebene sehen.
(Transkript und Kommentar: Helmut Lubbers 17.10.08) |