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EU-Klimaverhandlungen - Fragegespräch mit Artur Runge-Metzger
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Eine Sendung von Radio DRS ECHO vom 13.11.2009,
mit Transkript und wissenschaftlichen Anmerkungen von ecoglobe
und Brief an die Fragegesprächspartner
[ECHO Radio DRS1 vom 13.11.2009 - Ankündigung der Sendung:]
"Forscher warnen, die Eisdecke in Grönland schmelze noch wesentlich scheneller als bisher angenommen. Und sie erinnern daran, dass sich der Meeresspiegel bis zu sieben Metern heben könnte, wenn aus dem ganzen grönländischen Eis Wasser würde. Meldungen wie diese zeigen, wieviel bei der Klimakonferenz in Dezember in Kopenhagen auf dem Spiel steht: Die Bewohnbarkeit weiter Teile unseres Planeten.
Dennoch denken Barak Obama und Angela Merkel laut darüber nach, nicht auf den Klimagipfel nach Kopenhagen zu reisen. Und die Financial Times erklärt heute bereits, wie man das absehbare Scheitern doch noch als Erfolg verkaufen könnte.
Artur Runge-Metzger wird Chefverhandler der EU in Kopenhagen sein. Er will den Klimagipfel noch nicht abschreiben.
Urs Bruderer hat ihn getroffen."

Das Fragegespräch:

[Urs Bruderer]
Sein Büro ist schmucklos, im zweiten Stoch eines EU-Verwaltungsgebäudes am Rande von Brüssel. Auffällig ist einzig ein afrikanischer Wandteppich. Artur Runge-Metzger kommt zu spät, entschuldigt sich, sollte schon an der nächsten Sitzung sein, setzt sich und erklärt:

[Artur Runge-Metzger]
"Ich bin einer von 190 anderen Ländern, die am Tisch sitzen. Wir Sie wissen, geht es hier um die verhandlungen im Rahmen der Vereinten Nationen. Wenn ein Land ein Veto einlegt, dann kommt es nicht zu einem Abkommen."

[UB] Das ist wahr und doch zu bescheiden. Als Vertreter de EU verhandelt er in Kopenhagen für 27 Länder, für geballten Reichtum, für geballte Macht.(1) Doch seine Bescheidenheit ist nicht kokett. Sie passt zu diesem erschöpften Gesicht, in der einer wacher, genauer Blick lebt.

[AR-M] "Sie sprechen die Verhandlungen im kleinen Raum an. Da sitzen etwa 30 bis 40 Verhandler. Das sind diejenigen, die von den regionalen Gruppen bestimmt worden sind, in diese Verhandlungen mit reinzugehen."

[UB] Und diese 30 bis 40 Leute ringen seit Jahren schon um Tausende Formulierungen, die zuletzt ein unterschriftsreifes Abkommen ergeben sollen. Das all diese Vorkonferenzen ohne Kompromiss enden, also ohne kommunizierbaren Erfolg, das erstaunt Artur Runge-Metzger nicht.

[AR-M] Es ist ganz klar, dass bei so'ner wichtigen Verhandlung, wo es um die Zukunft der Ökonomien geht(2), von der ganzen Welt, man bis zum letzten Moment wartet, bis man die Kompromisse macht.

[UB] Doch für alle Kompromisse wird es zu Kopenhagen nicht mehr reichen. Das Ziel, ein fertiger Nachfolger für das Kyoto-Protokoll, ist längst ausser Reichweite.

[AR-M] "Worauf man sich in Kopenhagen konzentrieren muss, ist welche Entscheidungen müssen tatsächlich in Kopenhagen gefällt werden und welche technischen Details kann man noch für später aufbewahren."

[UB] Das klingt wie die Ankündigung eines Scheiterns.

[AR-M] "Nein. Das würde ich nicht so sehen. Ich denke wenn man zurückblickt, den ersten grössten Schritt, den wir gemacht haben in den Klimaverhandlungen, war damals damals das Kyoto-Protokoll. Und das Protokoll, das hat 30, 40 Seiten. Und daraufhin hat es dann noch einige technische Arbeit gegeben, die man machen musste. Und in ähnlicher Weise muss man Kopenhagen sehen."

[UB] Wie in Kyoto sollen also in Kopenhagen die grossen Entscheidungen fallen. Artur Runge-Metzger nennt gleich vier:

Erstens: [AR-M] "b>Es muss Emissionsreduktionsziele geben für die industrieâlisierten Länder."

[UB] Da hat die EU und haben verschiedene Länder schon Angebote gemacht. Aber ein grosser Player hällt sich bedeckt: die USA. Doch jetzt werde im Senat und im Kongress in den USA gearbeitet.

[AR-M] "Und ich glaube, da wird man sehen, dass Präsident Obama da ein Angebot in Kopenhagen auf den Tisch legen wird."

[UB] Die zweite grosse Entscheidung betrifft die Schwellenländer, also beispielsweise China, Indien, Brasien, Mexiko, Süafrika. Das Kyoto-Protokoll verlangt von ihnen noch keine CO2-Emissionsreduktion. Das müsse sich in Kopenhagen ändern, sagt Runge-Metzger, weil gerade in diesen Ländern die Emissionen am stärksten stiegen. Doch die Schwellenländer zeigen sich bis jetzt wenig begeustertund verweisen darauf, dass der Klimawandel fast ausschliesslich vom Westen verursacht wurde, der im Zuge der Industrialisierung reich wurde, während der CO2-Ausstoss pro Kopf bei ihnen immer noch um ein mehrfaches tiefer sei. Richtig, sagt EU-Verhandler Runge-Metzger. Darum müsse man diesen Ländern in Kopenhagen die richtige Botschaft vermitteln, die da laute:

[AR-M] "Also, es geht nicht darum, eure Entwicklung aufzuhalten, sondern es geht darum, einen neuen Entwicklungspfad zu finden und den müssen wir gemeinsam finden.(3) Also von daher ist das, was wir verlangen, keine Bedrohung an diese Länder, sondern es ist ein Angebot."

[UB] Bedrohung oder Angebot. Damit diese Botsachaft richtig ankommt, da braucht es vor allem eines: Glaubwürdigkeit. Und die hat Artur Runge-Metzger in den Augen seiner Verhandlungspartner wohl nicht zu knapp. Der Sohn eines deutschen Bauern hat Landwirtschaftskunde studiert und später Jahre seines Lebens in Etntwicklungsländern verbracht. Ef hat etwa in Zimbabwe landwirtschaftliche und ländliche Entwicklungsprojekte geleitet. An seiner derzeitigen Aufgabe interessiert ihn gerade, dass er im Grunde immer noch dasselbe tut, nur auf einer anderen Ebene. Denn Klimapolitik sei Entwicklungspolitik, sagt Artur Runge-Metzger. Das zeigt sich etwa im Ansatz gegenüber den Schwellenländern. Und es zeigt sich erst recht bei der Behandlung der ärmsten Länder.

[AR-M] "Die wirklich armen Länder, da denke ich an Burkina Faso oder den Tschad, Mali, viele Länder Afrikas, da sehen wir eine wichtige Aufgabe auf unserer Seite, diesen Ländern zu helfen und auch die wesentliche Geldmittel zu Verfügung zu stellen um die Anpassung an den Klimawandel hinzubekommen, aber dann auch bei der Modernisierung der Wirtschaft zu helfen.(4)"

[UB] Die dritte Entscheidung, die in Kopenhagen fallen muss: Sollen ab 2010 regelmässig Milliardenbeträge von den Industrieländern in die Entwicklungsländer fliessen? Deren Klimamassnahmen werden jährlich etwa 100 Milliarden Euro kosten, schätzt die EU-Kommission. Die Industrieländer werden also gealtige Summen auf den Tisch legen müssen, Geld, dass auch für Entscheidunhg Nummer vier gebraucht wird.

[AR-M] "Wir müssen wissen, wie wir die Anpassung an den Klimawandel, insbesondere für die ärmsten Lander, regeln wollen. Das ist eine ganz wichtige Frage, die gelöst werden muss."

[UB] Denn ganze Landstriche werden in absehbarer Zukunft so oder so unbewohnbar, sagen die Wissenschafter voraus, sei es weil sie im Meer versinken, sei es weil sie zu trocken werden. Vermeiden lässt sich der Klimawandel nicht mehr, nur noch vermindern. Verrückt iegentlich, dass angesichts dieser Bedrohung die verhandlungen so zäh verlaufen. Ob es daran liegt, dass die Verhandler nur noch über Zahlen, Summenziele reden, und nicht mehr über die realen Gefahren?

[AR-M] "Nein. Insbesondere die ärmeren Entwicklungsländer bringen das immer wieder in den Vordergrund, dass es hier nicht nur um reine Zahlen geht, sondern es geht um Schicksale(5). Und es geht um Länder und ob sie in Zukunft versinken werden im Meer oder nicht."

[UB] Und darüber verhandelt er mit 40 Leuten. Ob ihn da nicht bisweilen das Gefühl packt, die Welt retten zu müssen, will ich wissen.

[AR-M] "Ich glaub nicht, dass wir alle kleine Messiasse sind. Aber ich denke, dass es eine enorme Aufgabe ist und eine enorme Last, die auf den Schultern der Verhandlern liegt und auch der Minister und der Staatoberhäupter, die ja ein grosses Interesse an die Klimaverhandlungen haben und auch einen Durchbruch erlangen wollen in Kopenhagen."

[UB] Eine typische Rung-Metzger-Antwort: bescheiden, wach, genau, bedacht, alle Mann an Bord zu holen. Und optimistisch bis zuletzt.

[DRS1-Echo Nachspann:] Eu-Korrespondent Urs Bruderer sprach in Brüssel mit dem Verantwortlichen der Union für die Klimakonferenz in Kopenhagen, mit Artur Runge-Metzger. Das war das Echo-der-Zeit. Verantwortlich war Roman Villinger, für die Nachrichten Georg Aufdermauer, am Mikrofon war Caspar Selg.
    Wissenschaftliche Anmerkungen von ecoglobe:
  1. Die Macht währt nur, so lange es noch ausreichend Energie zu vernünftigen Preisen gibt. Die Welt ist jedoch bereits auf dem Maximum der Förderung von konventionellem Öl und Gas angelangt. Bei weiterer Expansion der Wirtschaft wird Europa bald der Lebenssaft knapp werden. Alternative Energien können Öl und Gas nicht ersetzen. [zurück]
  2. Es geht nicht um die Zukunft von "Ökonomien". Es geht um das Überleben von Menschen, von der Menschheit. Eine Wirtschaft besteht aus der Gesamtheit der Menschen und ihrer Arbeit und Produkte. Die Menschheit jedoch kann nur weiterbestehen, wenn wir die Erde nicht weiter überbelasten. Herr Artur Metzger-Runge ist Opfer des üblichen Denkens, worin alles in Form von Geld dargestellt wird, und Ressourcen und Klimaschutz mit Geld zu haben wären. Er beachtet das Grundproblem der Erschöpfung der Erde nicht und kann deshalb gar nicht daran denken, dass Geld keine Lösung erbringen kann. Erschöpfte Vorräte und ein entregeltes Klima kann man mit Geld nicht zurückkaufen. Den anderen Verhandlern geht es ebenso. Sie denken nur ans Geld und deswegen ist dieser ganze Klimazirkus weggeworfenes Geld. [zurück]
  3. Auch Herr Artur Runge-Metzger glaubt offensichtlich, dass man Entwicklung ohne Steigerung von Klimagasausstössen haben könnte. "Entwicklung" jedoch ist Wachstum, das heisst mehr Produktion, mehr Konsum, mehr Schadstoffe und Klimagase.
    Solcherart sind die Illusionen der Klimaschutzverhandler: Sie glauben, der Kampf gegen den Klimawandel schade dem Wirtschaftswachstum nur wenig, sogar gemäss IPCC! Das ergäbe das perfekt Perpetuum Mobile: Klimawandel braucht Technologie, das ergibt Wachstum, das erzeugt Klimawandel, usw.).
    Die Leitsätze die Verhandler sind dieselben wie die des Machtkonglomerats von Wirtschaft, Politik und der Disziplin der Ökonomie: Es sind diese Optimismus und Geld, Hoffen auf die Zaubertechnologien von morgen! Der wissenschaftliche Realismus fehlt. Die weitere, die grundlegende Frage des allgemeinen Überbelastung der Erde kann Herr Runge-Metzger also gar nicht mit einbeziehen, weil er sich dessen nicht bewusst ist. [zurück]
  4. Herr Artur Runge-Metzger glaubt, wie die anderen, mit Geld (Technik) könne man sich an die Folgen des Klimawandels anpassen. Und, wie gesagt, die Wirtschaft müsse modernisiert werden, verwestlicht, entwickelt und dies wäre nach wie vor das beste für Afrika. Herr Runge-Metzger kommt aus dem überholten Entwicklungsmodell nicht heraus. Man macht und denkt das, was man immer gemacht und gedacht hat. [zurück]
  5. Was interessiert uns, im reichen Norden, wirklich das Schicksal anderer? Wenn's drauf ankommt nichts. Man täuscht sich aber ganz gewaltig, wenn man meint er wäre hauptsächlich der arme Süden betroffen. Hier, bei uns, in der Schweiz und Europa und Nordamerika, werden wir genau so betroffen sein. Und wenn's die Folgen des Klimawandels (noch) nicht sind, dann werden's bald die Folgen der allgemeinen Rohstoff- und Nahrungsmittelknappheiten sein.
    Von wegen "Schicksale"!
    Wenn wir nur verstehen würden, dass es bald auch uns an den Kragen gehen wird!
    [zurück]
Helmut Lubbers, 15 November 2009
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    ecoglobe seit 1997
    9n15 9d10
    Brief an Herrn Artur Runge-Metzger, mit Kopie an die beim Gespräch und bei der Sendung direkt Betroffenen, Urs Bruderer, Caspar Selg, Roman Villinger, Georg Aufdermauer: []
    ecology discovery foundation - ecoglobe
    Helmut E. Lubbers
    BE MsocSc DipEcol
    14 Boulevard Carl-Vogt
    CH-1205 Genève / Genf
    Schweiz/Suisse/Svizzera
    Tel./tél. +41-22-3212320
    helmutecoglobe.ch
    www.ecoglobe.org
    www.ecoglobe.ch

     
    Genève/Genf, 15 November 2009

    Lu/rs/rung9n15
    ecoglobe, 14 bd. Carl-Vogt, CH-1205 Genève
    Herr Artur Runge-Metzger
    EU Kommission
    ....
    Brüssel
    Belgien



    Gespräch zwichen Herrn Artur Runge-Metzger und Herrn Urs Bruderer,
    gesendet in Radio DRS1 Echo am 13.11.2009
    Sehr geehrter Herr Runge-Metzger!

    Anbei finden Sie den Ausdruck meines Transkripts mit wissenschaftlichen Anmerkungen zu dem Fragegespräch über die EU in den Klimaverhandlungen.

    Herr Artur Runge-Metzger, Sie und mit Ihnen die übergrosse Mehrheit der Klimabewegten, machen drei grundsätzliche Fehler:
    1. Sie meinen, der Klimawandel sei die grösste Bedrohung für die Menschheit.
      Dem ist nicht so. Der Klimawandel ist nur eine Folge der Überbeastung der Erde durch zu vielen Menschen mit einem viel zu hohen Verbrauch an nichterneuerbaren Rohstoffen und Natur. Das kontinuierliche Bevölkerungswachstum sowie die Politik der Wirtschaftsexpansion bilden werden jedweden Gewinn beim Kampf gegen die Klimagasausstösse wettmachen.
    2. Sie setzen auf die Kyotomechanismen, wie Joint Implemetation, Emissions Trading und die sogenannten "Clean Development Mechanisms", welche allesamt entweder nichts bewirken oder gar den gegenteiligen Effekt haben: eine Erhöhung der Treibhausgasausstösse. Die technischen Lösungen, die gehandelt werden, wie Carbon Capture and Storage, sind unausgereifte Hoffnungen, welche höchstwahrscheinlich nie wesentlich etwas bewirken können.
    3. Die Reduktionsziele sind weit zu niedrig und viel zu weit in der Zukunft. Bei den Zielen werten Sie reine Versprechungen bereits als Erfolge. Seit dem Kyotoprotokoll haben die weltweiten Treibhausgasausstösse jedoch unaufhaltsam zugenommen, wegen des Wirtschafts- und Bevölkerungswachstums.
    Sie vergessen, dass der unmittelbar bevorstehende Rückgang der Öl- und Erdgasverfügbarkeit ("Peak Oil") die Durchführung technischer "Lösungen" und Abmilderung der Klimawandelfolgen sehr erschweren, wenn icht verunmöglichen wird.

    Der Kampf gegen den eine weiteren Klimawandel kann nur gelingen, wenn wir verstehen und danach handeln, dass der Klimawandel einen Teil unserer Überbelastung der Erde darstellt.
    Dann müssen wir handeln mit den Mitteln die wir kennen und nicht hoffen auf künftige Technologien.
    Es gilt zu allererst, das Wachstum zu stoppen und dann die Belastung der Erde durch Restrukturierung unserer Wirtschaften so schnell wie nur möglich zu verringern. Wir können die Wirtschaften relokalisieren, d.h. wieder arbeiten wo wir wohnen, langsamer werden, die Lebensdauer vieler Produkte steigern, schädliche und unnutze Aktivitäten verbieten, alles demokrarisch beschlossen und durchgeführt.
    Solche Massnahmen werden den Ressourcenabbau stark verringern und die Treibhausgasausstösse dramatisch senken.
    V

    Hopefully you appreciate our comments. We are at your disposal if you have questions of comments regarding our arguments. Your reaction is most welcome.

    With kind regards,
     
    Beilage Kopie an: Herren
    Urs Bruderer, Caspar Selg, Roman Villinger und Georg Aufdermauer

        Helmut E Lubbers
    ecological psychologist