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Energie sparen, CO 2 senken und trotzdem wachsen
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"Auf Wachstum will auch in Zukunft niemand verzichten," schreibt die NZZ am Sonntag.
Nur, wer ist "niemand"? Sind das alle Menschen, überall? Oder ist das hier im Lande vielleicht nur eine verhältnismässig kleine Schicht von Leuten,. die nie genug haben und keine Grenzen anerkennen wollen oder können?

Nach unserer Erfahrung gibt es viele normale Menschen, die nicht immer mehr wollen, einerseits. Die aber auch verstehen, andererseits, dass man bei beschränkten Vorräten und beschränkter Landesoberfläche nicht immer weiterwachsen kann und darf.

Denn wo hört das Wachstum auf? Spätestens an den Landesgrenzen, wenn alles überbaubare Land bebaut wurde, mit Strassen, Bahnen, Häusern, Fabriken, Freizeitzentren und Golfplätzen. Wo bliebe dann die Natur? Im Videofilm etwa, wie im Film "Soylent Green", wo die Menschen sich nur noch mit Nahrungspillen am Leben halten?

Dass man ohne mehr Materialverbrauch wachsen könne, ist eine Illusion. Denn Wachstum wird in Geldeinheiten ausgedückt. Ob Dienstleistungen oder Autos oder Fahrräder - Wachstum bedeutet mehr Verbrauch an Material.
Wenn man durch Materialeffizienz bei einem Produkt Material einspart so ergibt sich daraus eine Wirtschaftskontraktion weil dieses eingesparte Material nicht mehr ins Brutonationalprodukt einfliesst. Normalerweise wird solches eingespartes Geld dann anderweitig verwendet, für andere Produkte, andere Bauten oder Ferienreisen, die ihrerseits alle wieder Rohstoffe und Energie brauchen. Am Ende dieses Weges liegt ein Wachstumsparadies voller Güter und Bequemlichkeiten aber ohne Natur und mit aufgebrauchten Rohstoffvorräten, die man mit Technologie nicht wiederherstellen kann.

Die Wachstumsideologen treiben die Menschheit in eine Zukunft, die keine mehr sein kann, ohne Raum, ohne Ressourcen, in ein schwarzes Loch des Umweltkollapses und Kriege um die letzten Tropfen Öl, Wasser, um die letzten Krüme Brot und den letzten Raum wo man ohne Überschwemmungen und Erdrutschen noch sicher leben könnte.

Helmut Lubbers ... 14 September 2008
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    NZZ am Sonntag 14. September 2008 Seite 111:

    Energie sparen, CO 2 senken und trotzdem wachsen

    Offroader, Ölheizungen, Glühbirnen sind out. Hybridautos, LED-Leuchten, autarke Gebäude sind die Zukunft

    Wohin führt die Schweizer Energiezukunft.

    Knappe Rohstoffe, steigende Energiepreise und Treibhausgase sind keine Bedrohung, sondern eine wirtschaftliche Chance – für die Cleveren. Charlotte Jacquemart, Gabriela Weiss

    «Energieeffizienz ist die billigste Form von Energie, die wir zur Verfügung haben.» Das sagte nicht irgendwer, sondern der CEO von Chevron, David O'Reilly, jüngst gegenüber dem Magazin «Fortune». Die «NZZ am Sonntag» teilt die Meinung O'Reillys und widmet dem Thema Energiezukunft eine Sonderbeilage (siehe auch Box).

    Die Weltwirtschaft – und mit ihr die Schweiz – ist seit dem Zweiten Weltkrieg enorm gewachsen. Möglich gemacht hat die beispiellose Wachstumsphase die abundante [=reichliche] Versorgung mit Rohstoffen und Energie (siehe Grafiken). Auf Wachstum will auch in Zukunft niemand verzichten. Die massive Verteuerung von Öl, Strom und Gas zeigt jedoch, dass die energetische Zukunft schwieriger wird, als es die Vergangenheit war.

    Sparen macht reich

    Die Richtung, in der es weitergehen soll, gibt die EU vor: Wachstum und Energieverbrauch müssen entkoppelt werden. Das neue Zauberwort heisst Energieeffizienz oder auch Negawatt. Übertragen auf uns Konsumenten bedeutet das: Offroader, Ölheizungen und Glühbirnen sind out – die Zukunft besteht aus an der Steckdose aufladbaren Hybridfahrzeugen, Gebäuden, die mehr Strom produzieren, als sie fressen, und LED-Leuchten, welche halb so viel Strom brauchen wie Energiesparlampen. Das McKinsey Global Institute hat errechnet, dass der Energieverbrauch in Europa bis ins Jahr 2020 auf heutigem Niveau eingefroren werden kann (anstatt 1,2% Wachstum pro Jahr), wenn nur schon die heute verfügbaren Energiespartechnologien konsequent eingesetzt werden. Das entspricht einer Ersparnis in der Höhe des gesamten EU-Energiekonsums im Jahr 2003 – in Öl übersetzt 8 Mio. Barrel Öl pro Tag. In der Schweiz beziffern Experten das Sparpotenzial auf 30%. Sind alle älteren Liegenschaften einmal saniert, kommen die Gebäude Helvetiens mit halb so viel Energie aus wie heute.

    Energieeffizienz ist für die Industrie eine grosse Chance. McKinsey schätzt, dass europaweit bis 30 Mrd. € jährlich in neue energiesparende Produkte und Technologien profitabel investiert werden könnten. Die Internationale Energieagentur hat berechnet, dass Investitionen in eine höhere Energieproduktivität helfen zu sparen: Jeder zusätzliche Euro, welcher in effizientere Geräte, Maschinen und Gebäude gesteckt wird, verhindert Ausgaben von 2 € für den Ausbau der Stromkapazitäten.

    Gut entwickelte Volkswirtschaften wie die Schweiz sind meist energieeffizienter als Schwellenländer. Die Energieintensität, definiert als Energieverbrauch pro Bruttoinlandprodukt, ist in Europa viermal geringer als in China. Die USA haben einen doppelt so hohen Energieverbrauch wie Europa. Für die westlichen Länder mit ihren hohen Importquoten von Energie ist eine Steigerung der Energieeffizienz von grosser strategischer Bedeutung.

    CO2 muss sinken

    Ein tieferer und anderer Energiemix ist letztlich nötig, um den CO 2 -Ausstoss zu senken. Wirtschaftswachstum führte in der Vergangenheit zu höheren CO 2 -Emissionen. Das muss in Zukunft nicht mehr so sein, wie das Forschungsinstitut Infras in einer neuen Studie unter dem Titel «Wirtschaft, Wachstum und Klimaverträglichkeit» im Auftrag des WWF belegt. Im Jahr 2001 stiess die Schweiz knapp 11 t CO 2 pro Person aus. Laut dem Uno-Klimarat IPCC müsste der Ausstoss bis ins Jahr 2050 auf maximal 2 t CO 2 gesenkt werden. Infras zeigt, wie dieses Reduktionsziel über Teilstrategien zu erreichen wäre, «ohne das Wirtschaftswachstum merklich zu beeinflussen». Möglich sei dies dank dem technologischen Fortschritt, steigender Effizienz und dem Abschied von umweltbelastenden Technologien (siehe Grafik).

    Infras rechnet damit, dass die Wirtschaft dadurch wertschöpfungs- und beschäftigungsintensiver wird. Dass die konsequente Förderung von erneuerbaren Energiequellen und energiesparenden Technologien wirtschaftlichen Schub verleiht, zeigen die Beispiele Deutschland und Österreich. Sie fördern seit Jahren – im Gegensatz zur Schweiz. Das Resultat: In Deutschland arbeiten bereits 250 000 Personen in der Ökoenergie-Branche. Österreich exportiert heute Pellet-Öfen in aller Herren Länder.

    Urheberrecht: NZZ. Wir reproduzieren diesen Artikel ausschliesslich für wissenschaftliche Zwecke, ohne Gewinnabsicht.