ecostory - 104/2007
Radio DRS im Gespräch mit
Herrn Dr. rer. pol. Volker Hauff des deutschen Nachhaltigkeitsrats

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cc: Frau Susanne Brunner, Frau Priscilla Imboden, beide Radio DRS1 Schweiz
cc: Mitglieder der Geschäftsstelle des Rats für Nachhaltige Entwicklung Berlin
cc: Webseite http://ecoglobe.ch/ecostory 104/2007

Sehr geehrter Herr Dr. rer. pol. Volker Hauff,

ich habe Ihr Gespräch mit Frau Brunner im Tagesgespräch vom 8.11.2007 auf DRS1 zwei Mal aufmerksam zugehört.

Ihre Meinung in Sachen Wachstum muss leider energisch widersprochen werden.

1. Die Wachstumsdiskussion ist aktueller denn je. Leider wird das Thema in den Medien bis jetzt nur andiskutiert (so neulich auf der BBC, und auf DRS1). Die Gesprächspartner gehören durchwegs zu den angestammten Disziplinen aus Wirtschaft und Ökonomie. Sogar die Briten, welche einen härteren Fragestil haben, müssen noch tiefer bohren, wegen der nachfolgenden Fakten.

2. Wirtschaftswachstum wird in Brutto Inland Produkt dargestellt. Die BIP-Zahlen entsprechen der physischen Zunahme des Rohstoffverbrauchs. Dienstleistungen, Windräder und dergleichen machen da keine Ausnahme. Zunahme bleibt Zunahme. Nachhaltiges oder sogar immaterielles Wachstum gibt es nicht. Einsparungen durch bessere Technologien ergeben kein Wachstum sondern eine willkommene Verringerung des Rohstoffverbrauchs.

3. Wie in "vergangenen Zeiten" ist die Erde immer noch rund und begrenzt. Ausserdem ist die Erde verhältnismässig kleiner geworden, eben wegen des Wirtschafts- und Bevölkerungswachstums. Der Geo-4 Bericht der UNEP stellt das auf Seite 367 mit Bezug auf die Fläche dar. Mehr Menschen - weniger Fläche. Ein höherer Rohstoffverbrauch (= Wirtschaftswachstum) pro Person bedeuten aber auch, das die nichterneuerbaren Vorräte immer schneller unwiderbringlich abgebaut werden.

4. Die heutige Wohlstandsebene der Reichen aller Länder übersteigt die Tragfähigkeit der Erde bereits bei weitem. Die Folgen sind überall zu sehen und zu spüren: unwiderbringliche Zerstörungen der Lebensräume von Menschen und Tieren. Absehbare Erschöpfung lebenswichtiger Grundstoffe und Süsswasservorräten, Bodenerosion, schleichende Vergiftung durch Chemikalien, Treibhausgase, Artensterben usw.

5. Bereits auf unserer heutigen Verbrauchsebene ist die Erde überbeansprucht. Die logische Folgerung kann nur sein, dass man den Verbrauch der Natur und der Rohstoffe durch den Menschen so weit verringert, dass die Vorräte länger währen. Noch weiter wachsen zu wollen ist unvernünftig, man kann sagen ideologische Torheit. Mir ist keine stichhaltige Begründung für Wirtschaftswachstum aus der Disziplin der Wirtschaftswissenschaften bekannt. Was natürlich andererseits nicht bedeutet, das die ärmsten und hungernden in gewissen Gegenden der Erde nicht bessergestellt werden solten. Das jedoch wird durch unser Wachstum nur minimal erreicht. Die Globalisierung und Privatisierung hat eher das Gegenteil bewirkt.

6. Nachhaltig ist eine Gesellschaft, wenn sie sehr lange unverändert weiterfahren kann. Unsere Gesellschaft kann jedoch nicht so weiterfahren. Wir müssen dringendst reduzieren anstatt weiter expandieren (= wachsen). Das sind physische Tatsachen, die durch Wortspielereien nicht entkräftet werden. Die Erde ist nicht an menschlicher Gleichberechtigung interessiert. Ohne intakte Umwelt gibt es keine Gesellschaft und die Wirtschaft ist Teil der Gesellschaft. Die Gleichung "Nachhaltige Entwicklung heißt, Umweltgesichtspunkte gleichberechtigt mit sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu berücksichtigen" ist eine irreführendes Konstrukt. Die Erde interessiert nur die gesamte Belastung durch Mensch und Tier. Und hier nimmt die menschliche Gesellschaft einen viel zu grossen und immer noch steigenden Teil in Anspruch.

7. "Zukunftsfähig wirtschaften bedeutet also: Wir müssen unseren Kindern und Enkelkindern ein intaktes ökologisches, soziales und ökonomisches Gefüge hinterlassen," liest man auf der Webseite des Nachhaltigkeitsrats. Ebendies machen wir nicht, weil wir zu viel verbrauchen und dennoch immer weiterwachsen wollen. Beim grössten Teil der Debatten geht es um den nichtrealisierbaren Wunsch, unsere heutige Ebene des Überkonsums beizubehalten. Ihr Nachhaltigkeitrat scheint auf der gleichen Linie und deswegen in ihrer Arbeit kontraproduktiv.

8. Sie, sehr geehrter Herr Dr. rer. pol. Hauff, machen weiter, weil Sie Ihre Enkel lieben. Ich bin in der gleichen Lage. Seit meinem Psychologiestudium weiss ich jedoch, dass es grosse Unterschiede geben kann zwischen den Absichten und den faktischen Ergebnissen von ins Auge gefassten Methoden um den Enkeln eine Welt zu hinterlassen. Zukunftstechnologien, Hoffnungen und Optimismus sind keine wirksamen Methoden. Wir brauchen Realismus und Arbeit mit dem Wissen das wir heute besitzen. "CSS-Technik - Technologie der CO2-Abscheidung und -speicherung. "die richtige saubere Technologie"" - das ist, mit Verlaub, technisch uninformiertes Wunschdenken, zum Beispiel.

9. Als Umweltwissenschaftler muss ich leider sagen, dass es wahrscheinlich wenig Zukunft für meine vier Enkel gibt. Es wird viel geredet. Eine Konferenz reiht sich an die andere. Aber der Trend ist ungebrochen: mehr von allem, vom Wirtschaftswachstum und damiteinhergehend vom Umweltverbrauch und von der Umweltzerstörung in immer höherer Geschwindigkeit. Einen Grund dafür sehe ich in der Vormachtstellung der Disziplin der Wirtschaftswissenschaften und der Politiker. Einige davon kenne ich persönlich. Extrem kurzsichtig und uniformiert sind viele davon. Sie reisen an Klimakonferenzen in Bali und reden ohne wirkliches Verständnis von Nachhaltigkeit und ohne Kenntnis vom wirklichen Ernst der Umweltlage. Sie mögen dazu den technischen Teil des bereits erwähnten GEO-4 Bericht lesen. Dort, wo's um die Massnahmen geht, wird's dann wieder schwammig und unausgegoren ( http://www.unep.org/geo/geo4/media/index.asp ). Wenig hilfreich ist auch, dass die zur öffentlichen Umweltdebatte eingeladenen Personen durchwegs zu der Disziplin der Wirtschaftswissenschaft gehören. Umweltwissenschaftler kommen kaum zu Worte und wenn schon, dann hat die Politik das letzte Wort, wie bei den Klimaberichten des IPCC.

Vielleicht können Sie, sehr geehrter Herr Dr. rer. pol. Hauff, den obigen Punkten etwas abgewinnen. In den Einzelheiten stehe ich Ihnen gerne Rede und Antwort.

Mit freundlichen Grüssen ... Helmut Lubbers, Umweltpsychologe und -wissenschaftler

Gesprächsauszüge (Transkription Helmut Lubbers):

Betr.: DRS1 Tagesgespräch (Webseitentext) Kampf um ein besseres Klima
Die Deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel macht Dampf in der Klimapolitik. So wirkte sie jedenfalls, als sie neulich die Kollegen der G8-Nationen ermahnte, den Klimaschutz ernst zu nehmen.

Aber auch Merkel wird vom Rat für Nachhaltige Entwicklung eingeheizt. Der Rat wurde vor sechs Jahren von der deutschen Bundesregierung einberufen. Vorsitzender ist der ehemalige deutsche Politiker Volker Hauff.

Susanne Brunner

Frau Susanne Brunner: "Bode hat mal den Rat als unnütz bezeichnet und das damit begründet, dass eigentluich was nicht in Frage gestellt wird, ist das Wirtschaftswachstum, also man hält am Paradigma des Wirtschaftswachstums fest und sagt innerhalb von dem gibt es eine Nachhaltigkeit."

Dr. Volker Hauff: "Also ich finde wer so argumentiert, der ist stehengeblieben auf der Diskussion vor 20 Jahren. Heute wird nicht mehr ernsthaft darüber diskutiert ob Wirtschaftswachstum gut oder schlecht ist sondern welche Art von Wirtschaftswachstum. Wenn wir erneuerbare Energien vorantreiben und Windräder bauen, das ist erine Industrie, das ist Wirtschaftswachstum. Wenn wir bessere Technologien nutzen um die Energie besser auszunutzenin den Haushaltsgeräten, dann ist das Wachstum. Also die Frage ist nicht ob Wachstum oder nicht, sondern welche Art von Wachstum. Das ist eine Diskussion aus vergangenen Zeiten und was dem Herrn Bode angeht, ehrlich gesagt, er ja einmal sehr unterhaltsamm aber eines steht schon fest, er betrachtet im Grunde alles woran er selbst nicht mitgewirkt hat als überflüssig. In sofern ist es eine Null-Information, wenn er so etwas sagt. Das interessiert mich nicht.
[...]
Unsere Beispiele sind sehr sehr konkret. Und das ist was ich hoffe, dass die zukünftige Entwicklung auch mit sich bringt, dass wir sehr viel härter und klarer an der Realität arbeiten, wenn es um die nachhaltige Entwicklung geht und da nicht nur Wunschvorstellungen entwickeln."

Frau Susanne Brunner: "Wenn Sie die Realität ansprechen, wenn man so schaut, werden immer mehr Ressourcen verbraucht. Wir verbrauchen zum Beispiel mehr Benzin. Kann man denn wirklich etwas machen, was greift? Oder scheitert es immer daran, dass man eben nichts macht wenn's allenfalls Weh tut oder wenn man auf etwas verzichten müsste."

Dr. Volker Hauff: "Da muss man denke ich einige Dinge etwas unterscheiden. Eine Frage die sich stellt ist natürlich auch unsere Diskussion die gerade in den Medien sehr sehr schnbelllebig ist. Die Sagt, also, ihr habt da ein Konzept, warum ist das eigentlich noch nicht verwirklicht. Ich sag Ihnen ganz offen, Ich bin mit dem was in den letzten 20 Jahren sich verändert hat nicht zufrieden aber positiv überrascht. Wenn man mich vor 20 Jahren gefragt hätte, ob so viel in 20 Jahren erreicht würde, hätte ich gesagt, nein, das halte ich für ausgeschlossen. Das Thema nachhaltige Entwicklung da stehen wir ganz am Anfang, freilich ganz am Anfang. Das wird das Thema sein dieses Jahrhunderts. Das wird uns die nächsten Jahrzehnte in Atenm halten. Wir sind ja grade mal langsam dabei, zu begreifen, um was es da eigentlich geht weil uns eben die Auswirkungen plötzlihch in der Hàrte treffen dass wir sagen das wollen wir eigentlich gar nicht. Wir wollen kein Klimawandel, derart. Das darf nicht sein da müssen wir was ämndern. Und es beginnen es beginnen dioe Entwickluingen das was geaändert wird Und viele sist nioch nicht soweit. Der Verkehrsbereich ist einer der schwierigsten. Also die Schwierigkeit ist dass die Leute auch sehr zögerlich sind Und ich sag da noch mal gar nicht anklagend eher selbstkritisch.. [...] Verhaltensänderung ist sehr schwierig. [...]

Frau Susanne Brunner: "Volker Hauff, mit 67 könnten Sie sich eigentlich zurücklehnen und einfach vielleicht Ihren persönlichen Wohlstand genissen. Warum so engagiert für Nachhaltigkeit?"

Dr. Volker Hauff: "Weil ich leb', weil ich das für wichtig halte und weil ich Enkelkinder habe und weil ich die liebe und weil ich darüber nachdenke, in was für einer Welt leben die eigentlich wenn die mal 67 sind."

  • Geschäftsstelle des Rates für Nachhaltige Entwicklung beim Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung GmbH Reichpietschufer 50, 10785 Berlin www.nachhaltigkeitsrat.de
  • Thilo Bode

    Helmut Lubbers, Umweltwissenschaftler
    ecoglobe - ecology discovery foundation
    +41 22 3212320 helmut @ ecoglobe . ch
    http://ecoglobe.ch/motivation/e/answ7710.htm
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