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Kultur Waldkraiburg, 19.11.2001
Was für ein Anlagetyp sind sie?
"Wer den ganzen Tag arbeitet, hat keine Zeit Geld zu verdienen." Getreu diesem Motto will Thomas Freitag alias Frank Weber, ein durchschnittlicher Bankangestellter im dunklen Anzug und mit Markenkrawatte am 11.10. im Haus der Kultur seinem "Seminar"-Publikum erklären, wie man ein "Millionär in 98 Minuten" wird.
Doch wie sich bald herausstellt, geht es nicht nur ums Geld, auch über drei Guppys, seine einzigen Freunde, und über die große, aber unglückliche Liebe zur Arbeitskollegin Fräulein Lenz beginnt er zu erzählen. Dabei merkt der Zuschauer schnell, wie sehr Weber unter seiner Farblosigkeit und dem Gefühl ausgegrenzt und nicht ernst genommen zu werden leidet. Nicht allein der Kollege Töpfer, der in einer "Mischung aus Völkerkundemuseum und Fitnessstudio" wohnt und Fräulein Lenz damit mühelos beeindruckt, auch Herr Feuermann mit seiner angeblich perfekten, tatsächlich aber gnadenlos spießigen Familie geben ihm das Gefühl, er habe sein Leben verpasst. Ja schließlich begegnet ihm sogar der Tod und er erkennt, dass er noch nicht sterben kann. Denn es gibt so vieles, das er sich einfach noch nie getraut hat.
Aber wie schon das Motto des Programms ankündigt, geht es auch um die Tägliche Jagd nach Wohlstand und damit um Globalisierung, Anlagestrategien und -typen, Aktien und den ins Bodenlose sinkenden Wert, den Menschlichkeit und Zwischenmenschlichkeit in einer solchen Welt haben. Thomas Freitag stellt dabei die unterschiedlichen Charaktere gekonnt durch verschiedene Tonlagen, spezifische Gestik und Mimik dar, sodass jede Figur des Stücks einen bestimmten Typus der Gesellschaft verkörpert und diesem zugleich den Spiegel vors Gesicht hält. Da wäre der Chef der Bank, ein Technikfreak, der mit seinem Toaster besser über Politik diskutieren kann als mit seiner Frau, der extremsportliche und vielgereiste Traummann Harald Töpfer und natürlich Herr Feuermann, der neudeutsche Familienmensch, dessen höchste Erfüllung im Vorführen des Gästeklos liegt. Dabei werden die Schwächen der jeweiligen Typen sehr deutlich: So zeigt der Versuch Webers, bei einem Goetheschen Liebesgedicht den Wortlaut durch das Thesaurus-Programm im Computer zu ändern, die Absurdität insbesondere der digitalen Technikgläubigkeit.
Dennoch gerät die Behandlung der Themenfelder bisweilen zu oberflächlich und unstrukturiert, als dass sie beim Publikum die mutmaßlich gewünschte Wirkung des Nachdenkens erreichen könnte. Vor allem, wenn nach ernsteren Passagen, etwa der Begegnung mit dem Tod, die Wirkung zum Schluss durch einen flachen Witz entkräftet wird. Außerdem werden so ernste Themen, wie Menschenrechtsverletzungen, wirtschaftliche Schwierigkeiten ärmerer Länder oder das Problem der Selbstversorgung von Patienten und damit das Leid von Menschen nicht selten unangemessen behandelt. Dem Programm mangelt es dabei am nötigen Feingefühl, wodurch die eigentliche Absicht, nämlich kritisch zum Nachdenken anzuregen leider manchmal in den Hintergrund tritt, was die sonst gute Vorstellung überschattet.
Source: Inn-sider - Das Internet-Portal der Region Inn-Salzach (neues Fenster) 02MAY2002 | zurück