ecostory 65/2005
Eine Regierungsbilanz über 2005
Startseite - Page principale (home) | Wachstumsdiskussion | Nachhaltigkeit | (zurück - retour - back)

Der Jahreswechsel ist die Zeit der Bilanzen und der guten Vorsätze.

Nicht nur privat kann man sich muss man sich fragen, was in der Vergangenheit alles versprochen wurde und welche dieser Versprechen tatsächlich eingelöst wurden. Eine kritische politische Bilanz von Bundeshausredaktor Rolf Camenzind.

Es wurde einiges Wichtige erreicht aber noch mehr endete auf einer immer länger werdenden Bank. Auf den ersten Blick sieht es gar nicht so schlecht aus. Das meiste von dem was die Regierung in diesem Jahr zu erledigen versprach, ist getan oder steht wenigstens kurz vor dem Abschluss. Und in einem ganz zentralen Politikbereich wurde sogar ein veritabler Meilenstein gesetzt. Mit den beiden europapolitischen Abstimmungen in diesem Jahr konnte die schweizerische Aussenpolitik geklärt und gefestigt werden.

In anderen wichtigen Bereichen sind Pendenzen geblieben. Die versprochene Wohlstandspolitik hat bis jetzt nur einen zarten Hauch von Aufschwung bewirkt. Es geht zwar aufwärts aber in den meisten Industrienationen wächst die Wirtschaft nach wie vor stärker als in der Schweiz. Darum sinkt auch die Arbeitslosenquote nur in so zu sagen hmöopatischen Dosen. Immerhin konnte auch bei den Arbeitslosen der schlechte Trend gebrochen werden, bevor die kritischen Werte von mitten der neunziger Jahren wieder erreicht sind.

Die Freude am Leistungsausweis wird aber noch mehr getrübt wenn man den Horizont etwas weiter spannt. Von der vorhergesagten nachhaltigen Entwicklung ist die Schweiz noch ein gutes Stück weit entfernt.

Nehmen wir den Alpenschutz. Seit bald zwölf Jahren steht in der Verfassung, der alpenquerende Gütertransit gehöre auf der Schiene. Dieses Ziel wurde zunächst auf 650'000 Lastwagenfahrten zurechtgebogen, doch heute werden immer noch 1,3 Millionen LKW gezählt, also doppelt so viele wie erlaubt.

Nehmen wir die Luftreinhaltung. Seit zehn Jahren steht im Gesetz, dass die Ozonbelastung der Luft nicht mehr geduldet wird. Doch der Sommersmog gehört nach wie vor zum warmen Alltag in der Schweiz. Und wie die anderen Industrienationen steckt auch die Schweiz noch bis zum Hals in der Abhängigkeit vom Erdöl, womit die Klimapolitik zu Sysiphusarbeit verkommt.

Ein weiteres Beispiel, die Sozialpoltik. Seit Jahren werden tiefere Prämien in der Krankenversicherung versprochen, doch jedes Jahr kam es anders, auch in diesem. Die Leistungen für Komplementärmedizin wurden gestrichen, die Reserven der Versicherer gekürzt, Nachahmerpillen bevorzugt. Die Politik gibt sich mit Pflästerchen zufrieden.

Auch in der Altersvorsorge. Schon in den frühen achtziger Jaren wurden für die AHV beträchtliche Finanzierungsprobleme vorausberechnet. Doch die Politik hat eine Generation lang nicht viel mehr erreicht als das Rentenalter der Frauen heraufzusetzen. Die langfristige Sicherung des wichtigsten Sozialwerks wurde gerade eben auf eine nächste Gesetzesrevision vertagt.

All diese Versäumnisse und uneingelösten Versprechen sind gravierend weil sie das Vertrauen in die Politik untergraben. Es sind nämlich Defizite ausgerechnet in jenen Bereichen, die für die Bevölkerung am wichtigsten sind. in den regelmässigen Sorgenbarometern zuoberst stehen nämlich die Angst um die Sozialwerke, die Arbeitslosigkeit und die Umwelt. Dass sich ab und zu ein paar Mitglieder der Regierung nicht einig sind, das ist vor diesem Hintergrund von zweitrangiger Bedeutung.

Die Bilanz des Schweizer Politjahres von Bundeshausredaktor Rolf Camenzind.

Aufgezeichnet von DRS-ECHO vom 23.12.2005. Transkription Helmut Lubbers.


Wir meinen, dass Regierung, Volksvertretung und Verwaltung sich ihrer Pflicht ungenügend bewusst sind, die Gesetze zur Durchführung zu bringen. Man vergisst aus lauter Sparwut, dass die Durchführung auch Geld braucht.
Ob Wachstum wirklich Arbeitsplätze schafft soll hier nicht hinterfragt werden.
Aber wegen der realen Grenzen des Landes und der Welt dürfen wir keine Wachstumspolitik betreiben. Unser Lebensraum wird ständig kleiner, die Ressourcen schrumpfen, die Verschmutzung nimmt zu. Wir müssen unbedingt einenen anderen Weg einschlagen, einen ressourcenschonenden.
Auch die vorhersehbaren Folgen des Klimawandels für die Schweiz müssen eingeplant werden. Bei einer erwarteten Zunahme von Wetterextremen, beim Schmelzen bis zu Verschwinden der Alpengletscher, und beim Schmelzen der Dauerfrostböden werden ganze Talschaften regelmässig von Überschwemmungen und Gerölllawinen heimgesucht werden, wie diesen Sommer in der Innerschweiz und in 1992 in Brig.
Begegnen kann man solchen Ereignissen nicht mit Verbauungen und dergleichen.
Es braucht eine grundlegende Umstrukturierung unserer Wirtschaft, damit an Ort und Stelle produziert wird was man am Ort konsumiert, wie vor der Motorisierung.
Nur so können wir den Energieverbrauch und den Ausstoss der Treibhausgase senken.
Das Leben wird langsamer werden müssen, unsere Güter wieder langlebiger.
Die Vorteile einer solchen neuen Politik sind vielfach:
- weniger Abfall, Verschmutzung und Ressourcenverschleiss
- mehr Hoffnung auf eine nachhaltige Zeit, auf Überleben
- weniger Unfälle, Krankheiten
- mehr Arbeitsplätze, weniger Stress
- weniger Transporte, weniger Transportkosten
- und so weiter
Lokalisierung und Entschleunigung heissen diese Prinzipien, die uns eine Chance geben, in den direkt bevostehenden Jahren der Ressourcenknappheit und des Klimawandels zu überleben.
Klar ist dies ein Abkehr von der Ideologie des sogenannten Freihandels, der Liberalisierung und Globalisierung. Spätestens bei Ende des Erdöls, in etwa einer bis zwei Generationen, ist die Globalisierung wegen Treibstoffmangels sowieso vorbei. Der Wasserstoff als Energieträger wird keinen Ersatz bieten können, aus technischen und mengenässigen Gründen.
Mit den Mitteln die wir wirklich heute haben und nicht mit jenen die wir vielleicht morgen erfinden - oder eben nicht erfinden - sehen wir Lokalisierung und Entschleunigung als den einzig gehbaren Weg um zu einer nachhaltigen Gesellschaftsordnung zurückzugelangen.

Verknüpfungen:
  • ...
    ecoglobe - Nachhaltigkeit
    Wachstumsdiskussion
    Ihre Reaktion - votre réaction

  • Startseite | Stichwortseite a-zecostory | zurück - retour - back
    ecoglobe seit 1997
    5d23