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«Die Produktion der Industrie wird massiv sinken»
Von Martin Läubli.
Für Dennis Meadows, Mitautor von «Grenzen des Wachstums», ist die Finanzkrise ein gutes Beispiel dafür, dass ein System kollabiert, wenn die Grenzen missachtet werden.
«Sechs Milliarden Menschen können nicht den Lebensstandard der Schweiz leben»: Dennis Meadows.
Bild: Beat Marti/Fotograf
Für die Presse war es 1972 die grosse Schlagzeile: «Wissenschaftler warnen vor einer Welt-Katastrophe». Ein Forscherteam am renommierten Massachusetts Institute of Technology in Cambridge, Dennis Meadows, seine Frau Donella und Jorgen Randers hatte in ihrem Bericht «Grenzen des Wachstums» davor gewarnt. Eine Zunahme der Weltbevölkerung, der industriellen Produktion, der Umweltverschmutzung und der Nahrungsmittelproduktion würde in hundert Jahren unweigerlich zu einem Kollaps führen. Die Studie machten die Forscher für den Club of Rome, eine internationale Vereinigung von Geschäftsleuten, Politikern und Wissenschaftlern. Etwa vier Milliarden Menschen lebten damals, vor rund 35 Jahren auf der Erde. Heute sind es bereits über 6,5 Milliarden. Wer eine Gesellschaft anstreben möchte, so die Botschaft, die sozial ausgeglichen und ökologisch nachhaltig sein soll, der muss vom ständigen Wachstumsgedanken abkommen.
Diese Sichtweise hat sich bis heute beim amerikanischen Systemanalytiker Dennis Meadows nicht geändert. Was schlägt er vor? Für den 66-jährigen Wissenschaftler gibt es kein «magisches Konzept». Er wolle aufzeigen, wie unterschiedlich sich das System Erde verhalten könne, je nachdem wie sich der Mensch künftig verhalte, sagte er am Donnerstag an einem Vortrag des Forums für Nachhaltigkeit an der Universität Zürich. Meadows will dabei nicht als Alarmist gelten. Aber eines ist für ihn sicher: Angewohnheiten, die schaden, müssen verändert werden. «Und das ist keine besonders angenehme Lösung», sagt er. Ein Szenario des Computermodels World3 in einer aktualisierten Auflage von «Grenzen des Wachstums» beschreibt den Kollaps bereits in wenigen Jahrzehnten, wenn Politik und Wirtschaft nicht achtsamer mit den natürlichen Ressourcen umgehen: Die weltweite Produktion wird massiv sinken, die Bevölkerung wird etwa bei 8 Milliarden das Maximum erreicht haben. Denn die Sterberate steigt, weil es zu wenig Lebensmittel gibt und Krankheiten sich ausbreiten.
Herr Meadows, Sie haben den richtigen Zeitpunkt für Ihren Auftritt an der Universität Zürich gewählt. Die Welt stemmt sich gegen die Finanzkrise und Sie diskutieren über die Grenzen des Wachstums...
...in der Tat ist die Finanzkrise ein gutes Beispiel. Es gibt Grenzen in der Wirtschaft, sie wurden ignoriert, überschritten, und das System ist kollabiert. Hätte man in den 90er-Jahren die Anzeichen der Krise ernst genommen, die Korrekturen wären billiger gewesen und hätten weniger soziale Probleme verursacht. Nun verlieren möglicherweise Millionen Menschen ihren Job und ihr Zuhause.
Der ökologische Fussabdruck des Schweizer Umweltökonomen Mathis Wackernagel zeigt, dass wir jetzt schon deutlich mehr Ressourcen verbrauchen, als der Planet langfristig liefern kann. Stehen wir bereits vor dem Kollaps der Erde?
Wo die exakten Grenzen des Wachstums sind, wissen wir nicht. Sicher ist, dass es nicht möglich sein wird, dass die heute mehr als sechs Milliarden Menschen den Lebensstandard eines Schweizers leben können. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es zu spät. Die Welt erträgt vielleicht im besten Falle zwei Milliarden Menschen, die Energie und Lebensmittel auf diesem Niveau konsumieren.
Es gibt Stimmen, die eine nachhaltige Welt mit dem westlichen Lebensstandard durchaus für möglich halten.
Das ist lächerlich. Ein weiteres Wirtschaftswachstum verbraucht noch mehr materielle Ressourcen und Energie. Das wäre fatal in den nächsten Jahrzehnten.
Das Thema Nullwachstum scheint vom Tisch. Niemand spricht darüber, Sie sind ein einsamer Rufer in der Wüste.
Das stimmt so nicht. Im Gegensatz zu 1972, als wir das Buch «Grenzen des Wachstums» veröffentlichten, hat die Öffentlichkeit heute ein anderes Bewusstsein. Die Medien berichten über Überfischung, über die knapper werdenden Wasserressourcen, über den Klimawandel. Das Bewusstsein hat sich stark verändert. Das löst allerdings nicht unsere Probleme. Nur eine Verhaltensänderung tut es, und da hapert es. In jedem reichen Land steigen nach wie vor die Treibhausgas-Emissionen an.
Warnungen von den Wissenschaftlern gibt es genügend, trotzdem setzen Politiker und Ökonomen Massnahmen nur zögerlich um. Ignorieren sie die Wissenschaft?
Das glaube ich nicht. Die meisten Ökonomen nehmen die Wissenschaft ernst. Verschiedenene ökonomische Studien zeigen auch, dass wir Opfer bringen müssen. Der amerikanische Präsidentschaftskandidat Barack Obama weiss genau, dass es mit der Energieverschwendung in den Staaten so nicht weitergehen kann, aber er kommuniziert es nicht. Er weiss, die Chancen auf einen Wahlerfolg würden sonst drastisch sinken.
Für manche Experten kann der Kampf gegen Hunger nur mit einem Wirtschaftswachstum gewonnen werden.
Das ist doch Unsinn. Zwischen 1980 und 2005 war das Wirtschaftswachstum so hoch wie noch nie. Haben wir damit die Armut in der Welt gelindert? Es gibt einfachere Lösungen, damit sich das Hungerproblem nicht verschärft. Zum Beispiel die Produktion des Treibstoffes Ethanol aus Nahrungsmitteln stoppen.
Viele Mitglieder des Club of Rome glauben nicht an die Chancen eines Nullwachstums. War das der Grund, dass Sie aus der Institution austraten?
Nein, ich bin nun pensioniert und möchte mich auf anderes konzentrieren. Ich war 37 Jahre Mitglied, der Club ist in Europa und ich lebe in den Staaten.
Ärgern Sie sich tatsächlich nicht, wenn Mitglieder des Clubs behaupten, auch ein Wirtschaftswachstum von mehreren Prozent sei umwelt- und sozialverträglich?
Der Club ist eine grosse Organisation, es gab schon 1972 Mitglieder, die unsere Arbeit nicht akzeptierten. Es gibt viele Politiker, die nicht meiner Meinung sind. Im Übrigen sage ich nicht, wir müssen den Gürtel enger schnallen. Ich sage, wir werden weniger konsumieren. Unsere Forschung zeigt, dass die Weltproduktion von Industriegütern etwa ab 2040 über eine längere Zeit massiv sinken wird.
Wird für eine nachhaltige Welt eine staatliche Kontrolle durch Regeln, Gesetze, Grenzwerte und Verträge notwendig, und müssen wir uns von der freien Marktwirtschaft verabschieden?
Wir haben heute überhaupt keine freie Marktwirtschaft. Die meisten Unternehmen, die vordergründig den freien Markt stützen, suchen in Wahrheit Abkommen und Verträge, um den freien Markt einzugrenzen und den Preis zu stabilisieren. Wir werden wieder mehr in Richtung Protektionismus gehen, der globale freie Markt ist zu Ende.
Die ETH Zürich verfolgt die Strategie der «1-Tonnen-CO2-Gesellschaft» und setzt den Akzent weniger auf den Konsum, sondern vielmehr auf technologische Entwicklung. Reicht das aus?
Wir brauchen neue und effizientere Technologie, bessere Umweltschutzprogramme und erneuerbare Energie. Doch das reicht nicht aus. Es braucht auch eine Verhaltensänderung und eine Werthaltung, die zu weniger Konsum führen muss.
(Tages-Anzeiger)
Erstellt: 01.11.2008, 11:27 Uhr
Quelle: http://www.tagesanzeiger.ch/wirtschaft/unternehmenkonjunktur/story/15257127
«Für heute habe ich noch
keinen Kollaps vorausgesagt»
Bilduntertitel: Düstere Aussichten: Dennis Meadows ist weiterhin felsenfest von den Grenzen des Wachstums überzeugt.
Je länger die Menschheit die
Erde übernutzt, desto schwerer wird es, einen Zusammenbruch abzuwenden. Diese Meinung begründet Dennis Meadows nachfolgenden Interview.
Mit Dennis Meadows sprach Hanspeter Guggenbühl
Herr Meadows, kürzlich sagten Sie:
«Wir hätten uns spätestens in den Achtzigerjahren
vom ständigen Wachstum
verabschieden müssen.» Doch seit
1980 wuchsen Bevölkerung, Wirtschaft
und Ressourcenverbrauch weltweit weiter
an. Ist es heute zu spät, um einen
ökologischen Zusammenbruch zu vermeiden?
Dennis Meadows: Unsere Berechnungen
von 1972 zeigen: Die Grenzen
des Wachstums werden wir erst nach
2050 erreichen. Für die heutige Zeit
habe ich einen Kollaps nie vorausgesagt.
Bleibt uns also noch genug Zeit?
Meadows: 1972 verbrauchte die
Menschheit noch weniger Ressourcen,
als die Natur nachwachsen liess.
Inzwischen hat unser Verbrauch die
Nachhaltigkeitsschwelle um 31 Prozent
überschritten. Das zeigen die
neusten Daten von Mathis Wackernagel,
der den ökologischen Fussabdruck
misst und mit der ökologischen
Kapazität vergleicht. Die Frage ist
nun, wie lange wir über der Schwelle
der ökologischen Kapazität leben
können.
Wie lange?
Meadows: Das kann niemand genau
sagen. Sicher ist: Je länger wir die Erde
übernutzen, umso näher rückt ein
Zusammenbruch und umso schwerer
ist es, diesen abzuwenden. Es verhält
sich gleich wie bei der aktuellen Finanzkrise:
1990 wäre es noch möglich
gewesen, ein nachhaltiges Finanzsystem
zu schaffen. Jetzt können wir
nur noch mit Notmassnahmen reagieren.
Das Gleiche droht auch bei der
ökologischen Entwicklung. 1972 hätten
wir das Problem nachhaltig lösen
können. Heute bleibt nur noch die
Möglichkeit, die Bevölkerung und
den Konsum pro Kopf zu reduzieren.
Das strebt kaum jemand an. Alle Regierungen
trachten danach, das Wachstum
anzukurbeln.
Meadows; Das ist so. Leider kann es
sich heute kein Politiker leisten, dem
Volk zu sagen, es müsse seinen Konsum
reduzieren. Und solange das so
ist, laufen wir auf einen Kollaps zu.
Ich beginne jetzt, mich mit der Geschichte
zu befassen, zu studieren,
was früher geschah.
«Es lohnt sich,
aufs Velo
umzusteigen.»
Könnte uns das Gleiche blühen wie den
alten Römern?
Meadows: Bei den Römern dauerte
der Niedergang drei Jahrhunderte.
Bei uns kann er sich schon innerhalb
einer Generation vollziehen. Dieser
Gefahr tragen wir nicht Rechnung,
weil wir nur kurzfristig handeln.
Wie lässt sich das ändern?
Meadows: Ich versuche, im Kleinen
kurzfristiges Handeln zu fördern, das
auch langfristig richtig ist. Beispiel:
Heute haben wir hohe Ölpreise. Deshalb
lohnt es sich jetzt, das Auto aufzugeben
und aufs Velo umzusteigen.
Das ist auch langfristig richtig.
Wenn alle aufs Velo umstiegen, bricht
die Wirtschaft zusammen.
Meadows: Möglich, aber ein Crash
droht ohnehin. Und wenn er kommt,
sind wir mit demVelo besser gerüstet.
Denn es wird auf Dauer kein billiges
Erdöl mehr geben.
Sie gelten als Apokalyptiker, der den
technischen Fortschritt unterschätzt.
Erlaubt technischer Fortschritt nicht,
die ökologischen Probleme trotz Wirtschaftswachstum
zu lösen?
Meadows: Ich war Professor am Massachusetts
Institute of Technology
(MIT), ich schätze die Technik. Aber
Mensch und Technik sind ein Duo.
Wenn der Mensch stupide Ziele setzt,
führt das auch zu einer stupidenTechnologie.
Die Menschheit entwickelt aber auch
Technologien, die der ökologischen
Nachhaltigkeit dienen, zum Beispiel
Solartechnik. Lassen sich damit die
Wachstumsgrenzen nicht überwinden?
Meadows: Ich bin ein grosser Anhänger
der Sonnenenergie. Aber in den
USA geben wir über hundert Mal
mehr Geld aus für militärische Rüstung
als für die Nutzung der Sonnenenergie.
Angenommen, die Menschheit würde
alle Technik gezielt einsetzen, um eine
nachhaltige Entwicklung zu erreichen …
Meadows: Die Technik hat die heutigen
Probleme nicht gelöst.Wie soll sie
dann dieWachstumsprobleme der Zukunft
lösen? Die Schweiz zum Beispiel
hat die beste Technik und viel
Geld, um diese zu finanzieren. Trotzdem
hat der Verbrauch von Energie
auch in der Schweiz weiter zugenommen.
Das kann nicht ständig so weitergehen.
Unsere Jugend wird es noch
erleben, dass derVerbrauch von Energie
und Material schrumpfen wird,
weil das Angebot abnimmt. Oder ein
anderes Beispiel: Weltweit nimmt die
absolute Nahrungsproduktion zwar
noch zu, aber die Bevölkerung wächst
stärker. Deshalb nimmt dieVerfügbarkeit
von Nahrung pro Kopf ab, vor allem
in der Dritten Welt. Und ab 2020
wird wohl auch der absolute Höhepunkt
der Nahrungsmittelproduktion
überschritten werden.
«Mensch und
Technik
sind ein Duo.»
Könnte es nicht sein, dass sektorielle
Einbrüche wie etwa 1974 die Energiekrise
oder jetzt die Finanzkrise das
Wachstum periodisch soweit bremsen,
dass wir die absoluten Grenzen gar nie
erreichen?
Meadows: Nein, denn die verschiedenen
Sektoren – die Wirtschaftsentwicklung,
der Energie- oder der Wasserverbrauch
– hängen eng zusammen.
Der reichen Schweiz zum Beispiel
scheint es nichts auszumachen,
wenn Erdöl knapp und immer teurer
wird, denn sie kann sich das Öl immer
noch leisten. Doch wenn das Finanzsystem
crasht, ist es auch mit dem
Reichtum vorbei, und dann kann das
Land die teuren Rohstoffe nicht mehr
bezahlen.
Mit ihrem Report «Grenzen des Wachstums
» haben Sie 1972 den Club of Rome
berühmt gemacht. Jetzt sind Sie
dort ausgetreten. Weshalb?
Meadows: Das hat keine grosse Bedeutung.
Ich bin Mitglied in vielen Institutionen.
Ich war 37 Jahre Mitglied
des Club of Rome. Jetzt bin ich pensioniert.
Nun will ich in kleinerem
Rahmen für meine Ziele arbeiten, dafür
besser.
Prediger des
Weltuntergangs?
Dennis Meadows schrieb 1972 mit
andern den Club-of-Rome-Report
«Die Grenzen des Wachstums».
Die zentrale Aussage seiner Szenarien:
Wenn Bevölkerung, Wirtschaft,
Energie- und Rohstoffverbrauch
unverändert weiterwachsen,
stösst die Tragbarkeit der Welt
in 100 Jahren ans Limit; danach
folgt ein schneller Abstieg. Um das
zu vermeiden, muss dasWachstum
gestoppt werden. In der jüngsten
Aktualisierung im Jahr 2004 («30-
Year-Update») kam Meadows zum
Schluss, seit 1972 habe das weitere
Wachstum die Probleme verschärft.
Um den Kollaps zu vermeiden,
sei eine Schrumpfung von Bevölkerung
und Konsum pro Kopf
jetzt unvermeidlich.
Für die einen gilt Meadows als
fundiertester Wachstumskritiker,
für andere als Weltuntergangsprediger.
Auf Einladung des Sustainability
Forum Zürich (TSF), des
Centre for Corporate Responsibility
and Sustainability (CCRS) sowie
ETHsustainability und Novatlantis
hielt Dennis Meadows gestern
an der Universität Zürich ein
Referat unter dem Titel «Was bedeuten
die Grenzen des Wachstums
für die Schweiz?». (hpg)
DIE SÜDOSTSCHWEIZ | FREITAG, 31. OKTOBER 2008 21
Quelle: http://www.sustainability-zurich.org/cm_data/Suedostschweiz_Interview_Meadows.pdf
[Gleiches Interview mit unterschiedlichem Title un Anfangskommentar:]
«Wir laufen auf einen Kollaps zu»
Laut Dennis Meadows ist es bereits zu spät, ein
nachhaltiges Finanzsystem zu schaffen
«Wir laufen auf einen Kollaps zu»
Der Wachstumskritiker und frühere Chemieprofessor Dennis Meadows (66) warnt im BaZInterview
eindringlich vor dem wirtschaftlichen und ökologischen Leichtsinn.
B a Z: Herr Meadows, kürzlich sagten Sie: «Wir hätten uns spätestens in den 1980er-Jahren
vom ständigen Wachstum verabschieden müssen.» Doch seither wuchsen Bevölkerung,
Wirtschaft und Ressourcenverbrauch weltweit weiter. Ist es bereits zu spät, den ökologischen
Zusammenbruch zu vermeiden?
dennis meadows: Unsere Berechnungen von 1972 zeigen, dass wir die Grenzen des
Wachstums erst nach 2050 erreichen werden. Für die heutige Zeit sagte ich nie einen Kollaps
voraus.
Bleibt uns wirklich noch genug Zeit?
1972 verbrauchte die Menschheit noch weniger Ressourcen, als die Natur nachwachsen liess.
Inzwischen hat unser Verbrauch die Nachhaltigkeitsschwelle um 31 Prozent überschritten. Die
Frage ist nun, wie lange wir über der Schwelle der ökologischen Kapazität leben können.
Wie lange wird dies gehen?
Das kann niemand genau sagen. Es verhält sich aber gleich wie bei der aktuellen Finanzkrise:
1990 wäre es noch möglich gewesen, ein nachhaltiges Finanzsystem zu schaffen. Jetzt
können wir nur noch mit Notmassnahmen reagieren. Das gleiche droht auch bei der
ökologischen Entwicklung. 1972 hätten wir das Problem noch nachhaltig lösen können. Heute
bleibt nur noch die Möglichkeit, die Bevölkerung und den Konsum pro Kopf zu reduzieren.
Die Regierungen trachten aber weltweit danach, das Wachstum anzukurbeln.
Das ist richtig. Leider kann es sich kein Politiker heute leisten, dem Volk zu sagen, es müsse
seinen Konsum reduzieren. Und solange das so ist, laufen wir auf einen Kollaps zu. Ich
beginne jetzt, mich mit der Geschichte zu befassen, zu studieren, was früher geschah.
Könnte uns das Gleiche blühen wie den alten Römern?
Bei den Römern dauerte der Niedergang drei Jahrhunderte. Bei uns kann er sich schon
innerhalb einer Generation vollziehen. Dieser Gefahr tragen wir aber nicht Rechnung, weil wir
nur kurzfristig handeln.
Wie lässt sich das ändern?
Ich versuche, im Kleinen kurzfristiges Handeln zu fördern, das auch langfristig richtig ist. Ein
Beispiel: Heute haben wir hohe Ölpreise. Deshalb lohnt es sich jetzt, das Auto aufzugeben und
aufs Velo umzusteigen. Das ist auch langfristig richtig.
Aber wenn alle aufs Velo umsteigen, würde doch die Wirtschaft kollabieren?
Möglich - aber ein Crash droht ohnehin. Und wenn er kommt, sind wir mit dem Velo besser
gerüstet. Denn es wird auf Dauer kein billiges Erdöl mehr geben.
Sie gelten als Apokalyptiker, der den technischen Fortschritt unterschätzt. Erlaubt der
technische Fortschritt denn nicht, die ökologischen Probleme trotz Wirtschaftswachstum zu
lösen?
Ich war Professor am Massachusetts-Institute of Technology, ich schätze die Technik. Aber
Mensch und Technik sind ein Duo. Wenn der Mensch stupide Ziele setzt, führt das auch zu
einer stupiden Technologie.
Wir entwickeln aber auch Technologien, die der ökologischen Nachhaltigkeit dienen, zum
Beispiel Solartechnik. Lassen sich auch damit die Wachstumsgrenzen nicht überwinden?
Ich bin ein grosser Anhänger der Sonnenenergie. Aber in den USA geben wir über hundert
Mal mehr Geld aus für militärische Rüstung als für die Nutzung der Sonnenenergie.
Angenommen, die Menschheit würde die Technik gezielt einsetzen, um eine nachhaltige
Entwicklung zu erreichen. Was würde geschehen?
Die Technik hat die heutigen Probleme nicht gelöst. Wie soll sie dann die Wachstumsprobleme
der Zukunft lösen? Die Schweiz zum Beispiel hat die beste Technik und viel Geld, um diese zu
finanzieren. Trotzdem hat der Verbrauch von Energie auch in der Schweiz weiter
zugenommen. Das kann nicht ständig so weitergehen. Ein anderes Beispiel: Weltweit nimmt
die absolute Nahrungsproduktion zwar noch zu, aber die Bevölkerung wächst stärker. Deshalb
nimmt die Verfügbarkeit von Nahrung pro Kopf ab, vor allem in der Dritten Welt. Und ab 2020
wird wohl auch der absolute Höhepunkt der Nahrungsmittelproduktion überschritten werden.
Könnte es nicht sein, dass sektorielle Einbrüche wie etwa 1974 die Energiekrise oder jetzt die
Finanzkrise das Wachstum so weit bremsen, dass wir die absoluten Grenzen gar nie
erreichen?
Nein, denn die verschiedenen Sektoren - die Wirtschaftsentwicklung, der Energie- oder der
Wasserverbrauch - hängen eng zusammen. Der reichen Schweiz zum Beispiel scheint es
nichts auszumachen, wenn Erdöl knapp und immer teurer wird, denn sie kann sich das Öl
immer noch leisten. Doch wenn das Finanzsystem zusammenbricht, ist es auch mit dem
Reichtum vorbei, und dann kann selbst die reiche Schweiz die teuren Rohstoffe nicht mehr
bezahlen.
Mit ihrem Buch «Grenzen des Wachstums» haben Sie 1972 den Club of Rome berühmt
gemacht. Weshalb haben Sie die Organisation jetzt verlassen?
Das hat keine grosse Bedeutung. Jetzt bin ich pensioniert. Jetzt will ich zwar in kleinerem
Rahmen für meine Ziele arbeiten. Dafür aber besser.
interview: HANSPETER GUGGENBÜHL
478116, BAZ, 31.10.08, Words: 776, NO: 2008103117497920575
© GBI-Genios Deutsche Wirtschaftsdatenbank GmbH - www.genios.de 8
Zum Inhaltsverzeichnis
Datum: 31.10.2008-->
BaZ Ausgabe vom 31.10.2008, Seite 1
front
Mit Velo gegen den Kollaps
Wachstumskritiker Dennis Meadows im BaZ-Interview
Mit Velo gegen den Kollaps
ZÜRICH
Dennis Meadows erlangte 1972 als Verfasser des Buches «Die Grenzen des Wachstums
» weltweite Berühmtheit. Seine Kritik am ungebremsten Wachstum lässt sich auch auf die
Finanzkrise ausdehnen. «1990 wäre es noch möglich gewesen, ein nachhaltiges
Finanzsystem zu schaffen. Jetzt können wir nur noch mit Notmassnahmen reagieren», sagt
Meadows. Vor dem drohenden Kollaps empfiehlt er den Umstieg aufs Velo.
hpg > seite 17
hpg
478234, BAZ, 31.10.08, Words: 101, NO: 20081031145920525
© GBI-Genios Deutsche Wirtschaftsdatenbank GmbH - www.genios.de 4
Zum Inhaltsverzeichnis
Datum: 31.10.2008
-->
BaZ Ausgabe vom 31.10.2008, Seite 17
wirtschaft
Meadows und die «Grenzen des Wachstums»
MAHNER. Der US-Amerikaner Dennis Meadows (66) schrieb 1972 mit Mitautoren das Buch «
Die Grenzen des Wachstums». Dieses wurde von der Denkfabrik Club Of Rome
herausgegeben, welche seit diesem Sommer in Winterthur ansässig ist. Die zentralen
Aussagen von Meadows Szenarien sind: Wenn Bevölkerung, Wirtschaft, Energie- und
Rohstoffverbrauch unverändert weiter wachsen, stösst die Kapazität der Erde in hundert
Jahren ans Limit; danach folgt ein schneller Abstieg. Um das zu vermeiden, muss das
Wachstum gestoppt werden. Damit der Kollaps vermieden werden kann, sei eine
Schrumpfung von Bevölkerung und Konsum pro Kopf unvermeidlich. Für die einen gilt Dennis
Meadows als fundiertester Wachstumskritiker, für andere als Weltuntergangsprediger. Der
studierte Chemiker ist begeisterter Wanderer und Bastler. Er hielt gestern an der Universität
Zürich einen Vortrag zum Thema «Was bedeuten die Grenzen des Wachstums für die
Schweiz?»
hpg
478118, BAZ, 31.10.08, Words: 172, NO: 200810311797220044
Quelle: http://www.sustainability-zurich.org/cm_data/TSF_Pressespiegel_Anlass_Meadows.pdf
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