ecostory 46/2007
Voraussagen aus 1981 - Was trifft zu?
home | Climate | Sustainability | back

"Welt-Bild Global 2000:
Das 20. Jahrhundert endet böse"

So berichtete die Basler Zeitung am 18. April 1981. Heute könnten wir eine Bilanz machen. In wiefern haben sich die Warnungen bewahrheitet? Wo stehen wir und was erwartet uns noch? Ein jeder, eine jede darf und soll für sich urteilen. Wir alle bekommen Informationen durch die Medien. Mann/Frau urteile selber.

Eine gewaltig angewachsene Weltbevolkerung, eine vertiefte Kluft zwischen den reichen Industriestaaten und den armen Entwick-lungsländern, ein starker Rückgang der Welt-Ressourcen und eine fortgeschrittene Zerstorung der Umwelt: So wird die Erde im Jahre 2000 - in 19 Jahren also - aussehen, wenn die bisherige politi-sche, wirtschaftliche und soziale Entwicklung gleichbleibend wei-terläuft. Diese Prognose stellt der US-Bericht Global 2000, der 1977 vom damaligen US-Präsidenten Carter angefordert und zu Ende von Carters Amtszeit vorgelegt worden ist. Der Bericht - über dessen Erstveroffentlichung in Washington D.C. im BaZ-Auslandteil berichtet wurde - liegt nun auch in deutscher Uebersetzung vor.

Von Johann Aeschlimann

[Bildtitel] Das wird so bleiben: In der Dritten Welt sind viele Kinder bereits bei ihrer Geburt zum Hungertod verurteilt. Global 2000 rechnet fur die Jahrhundertwende mit 1,3 Mrd. Unterernährten ... Photo Sven Simon

«Wenn, sich die gegenwartigen Entwicklungstrends fortsetzen, wird die Welt im Jahre 2000 noch überbevölkerter, verschmutzter, ökologisch noch weniger stabil und für Störungen anfälliger sein als die Welt, in der wir heute leben. Ein starker Bevölkerungsdruck, ein starker Druck auf Ressourcen und Umwelt lassen sich deutlich voraussehen. Trotz eines grosseren materiellen Outputs werden die Menschen auf der Welt in vieler Hinsicht ärmer sein, als sie es heute sind. Für Millionen und Abermillionen der Allerarmsten wird sich die Aussicht auf Nahrungsmittel und andere Lebensnotwendigkeiten nicht verbessern. Für viele von Ihnen wird sie sich verschlechtern. Sofern es im Bereich der Technologie nicht zu revolutionaren Fortschritten kommt, wird das Leben für die meisten Menschen auf der Welt im Jahre 2000 ungewisser sein als heute - es sei denn, die Nationen der Welt arbeiten entschlossen darauf hin,die gegenwärtigen Entwicklungstrends zu verandern.»

Diese Sätze stehen im Bericht Global 2000, den US-Prasident Jimmy Carter im Jahre 1977 von den zuständigen amerikanischen Regierungsstellen angefordert hatte, und der als Grundlage für die «langerfristigen Planungen» der (Carter-)Regierung dienen sollte. Carters Auf trag: Es solIe eine Untersuchung Uber «die voraussichtlichen Veranderungen der Bevolkerung, der natürlichen Ressourcen und der Umwelt auf der Erde bis zum Ende dieses Jahrhunderts» durchgeführt werden - eine ähnliche Fragestellung also, wie sie beispielsweise dem legendaren Bericht des «Club of Rome» zugrunde liegt: Was geschieht, wenn sich unsere Welt so weiterentwickelt wie bisher?

Das Fazit von Global 2000 ist ähnlich erschreckend wie dasjenige des «Club of Rome». Der Bericht stellt ein «Potential globaler Probleme von erschreckendem Ausmass» fest, die weltweit und in «globaler Zusammenarbeit» angegangen werden müssten. Global 2000 geht von drei zentralen Annahmen aus: 1. Es gibt bis zum Jahre 2000 keine nennenswerten Veränderungen in der Politik hinsiehtlich Bevölkerungsstabilisierung, Ressourcen-Erhaltung und Umweltschutz. 2. Die technologische Entwicklung läuft ebenso schnell wie bisher. 3. 1m Welthandel treten keine grösseren Störungen durch Kriege ein. Unter diesen Annahmen wurden - zeitlich nacheinander - Prognosen für die drei Hauptbereiche Bevölkerung/Einkommen, Ressourcen.und Umwelt erstellt.

6,35 Mrd. Menschen

Was die Bevölkerungsentwicklung betrifft, so stellt Global 2000 unter allen Annahmen eine gewaltige Zunahme fest und rechnet damit, dass im Jahre 2000 6,35 Milliarden Menschen die Erde bewohnen werden - 55 Prozent mehr als bisher. 5 Milliarden dieser Menschen werden in den Entwicklungslandern leben, die mit 92 Prozent am Bevölkerungswachstum beteiligt sind, und in denen die Wachstumsraten nur geringfügig sinken werden. Am starksten zunehmen wird die Bevölkerung von Afrika (um 104 Prozent von 399 auf 814 Millionen Menschen) und Lateinamerika (um 96 Prozent von 325 auf 637 Mio.), während sieh die Bevölkerung Asiens um 60 Prozent von 2274 auf 3630 Millionen erhöht. Dramatischer Effekt dieser Bevölkerungsexplosion: Die Land-Stadtflucht wird sich verstärken, die Grosstädte in der Dritten Welt werden noch grosser. Mexiko-City wird im Jahre 2000 30 Millionen Einwohner haben, Kalkutta 20 Millionen, Bombay, Djakarta, Seoul, Kairo 15 bis 20 Millionen. Parallel dazu verschärft sieh das Elend in diesen Städten - um nur das heutige, niedrige Niveau zu halten, müssten die Dienstleistungen um zwei Drittel erhöht werden.

Dass sich die Entwicklungsländer dies leisten können, ist äusserst unwahrscheinlich. Zwar rechnet Global 2000 mit einem Anhalten des Wirtschaftswachstums (um weltweit 145 Prozent), wobei die Entwicklungsländer höhere Wachstumsraten aufweisen werden als die Industriestaaten. Die gewaltige Bevölkerungszunahme und das niedrige «Startniveau» bewirken aber, dass in den allermeisten Entwicklungsländern das Pro-Kopf-Bruttosozialprodukt, niedrig bleibt. Die Reichtums-Schere zwischen Inclustriestaaten und Dritter Welt offnet sich weiter: «Für jeden Dollar, um den das Pro-Kopf-Bruttosozialprodukt in den Entwicklungsländern wächst, wird es in den Industrielandern um ... 20 Dollar wachsen.»

1,3 Mrd. hungern

Können diese Menschen ernahrt werden? Antworten auf diese Frage geben die Ressourcen-Prognosen von Global 2000. Die Studie reehnet zwar damit, dass die Welt-Nahrungsmittelproduktion um 90 Prozent zunehmen wird - unter der Voraussetzung, dass keine Wetter- und Klimaverschlechterungen auftreten. Bedingung dafür ist aber eine weitere Intensivierung der Landwirtschaft durch vermehrte Verwendung «ertragssteigernder, energie-intensiver Inputs und Technologien» und damit eine verstarkte Abhangigkeit der Landwirtschaft vom Erdöl. Dies wiederum bedeutet eine starke Verteuerung der Nahrungsmittel - Global 2000 rechnet mit einer Realpreis-Erhöhung von 95 Prozent. Auch deshalb wird sich die prognostizierte Zunahme des Pro-Kopf-Nahrungsmittelverbrauchs weitgehend auf die Satten beschränken: In den Industrlländern beträgt diese Zunahme im Schnitt 21 Prozent (Japan, UdSSR, Osteuropa: 40 bis 50 Prozent), in den Entwicklungsländern nur 9 Prozent. Davon entfallt der Löwenanteil auf Lateinamerika, wahrend sieh die Verhältnisse in Südasien, Nordafrika und Mittleren Osten «so gut wie gar nicht» verbessern werden, und der Pro-Kopf-Nahrungsmittelverbrauch in Schwarzafrika sogar noch weiter zurückgehen wird. Besonders erschreckend sind die Aussichten für die ärmsten Bevö1kerungsschichten in den Entwicklungsländern. Sie werden nach Global 2000 nur gerade in Lateinamerika vor Hunger bewahrt werden. Die brutale Folgerung: «In den übrigen unterentwickelten Regionen - in Süd-, Ost- und Südostasien, in den armen Gebieten Nordafrikas und des Mittleren Orients und vor allem in Zentralafrika, für das ein verhängnisvoller Nahrungsmittelrückgang pro Kopf prognostiziert ist - wird die den ärmsten Gruppen der Bevölkerung zur Verfügung stehende Menge an Nahrung einfach nicht ausreichen, um Kindern die Erreichung eines normalen Körpergewichts und einer normalen Intelligenz und Erwachsenen eine normale Tätigkeit und Gesundheit zu gestatten.» Global 2000 rechnet bis zur Jahrtausendwende mit 1,3 Milliarden Unterernahrten auf der Erde.

40 Prozent weniger Wald

Schwerwiegend wird sich auf die Landbevölkerung der Entwicklungslander auch die fortgesetzte Abholzung der Walder auswirken. Global 2000 rechnet damit, dass sowohl Waldfläche wie Nutzholzbestand in den Entwicklungsländern bis zum Jahre 2000 urn 40 Prozent verringert werden, und dass bis zum Jahre 2020 «praktisch der gesamte zugängliche Wald» in diesen Regionen verschwunden sein wird. Dies hat nicht nur zur Folge, dass Brennholz, das «Oel der armen Leute», noch knapper wird als bisher (das Brennholzangebot wird um ein Viertel unter dem prognostizierten Bedarf liegen) und die Dritt-Welt-Länder vermehrt auf teures Oel ausweichen müssten, sondern hat auch eine Destabilisierung des Wasserhaushaltes in weiten Teilen der Erde zur Folge. Dies ist um so fataler, als die Süsswasser-Nachfrage um 200 bis 300 Prozent steigen wird und sieh bereits bestehende regionale Wasserknappheiten verschärfen werden. Verschiedene Nutzungsarten des vorhanden en Süsswassers (Energiegewinnung, künstliche Bewässerung) werden sich konkurrenzieren, und es ist nicht auszuschliessen, dass neben dem Kampf ums Oel auch ein solcher urns Wasser entbrennen wird.

Verschärftes Energieproblem

Eine Losung der weltweiten Energieprobleme ist laut den Prognosen von Global 2000 nicht in Sicht. Als sicher gilt, dass die Energie-Nachfrage stark steigen wird (um 58 Prozent weltweit), und dass das Energieangebot bei allen Energiearten vergrössert werden wird, wobei die Real-Energiepreise um 150 Prozent Uber dem heutigen Niveau liegen dürften. Die starkste Zu-nahme erfährt die Nuklearenergie, Oel bleibt jedoch bis zur Jahrtausendwende die wichtigste Energiequelle.

Allgemein prognostiziert Global 2000 einen Rückgang wichtiger Ressourcen: Pro Kopf der Erdbevölkerung werden nur noch 1/2 ha bebaubares Land zur Verfügung stehen (1975: 4/4 ha), die Oelvorräte nehmen um 50 Prozent, die Wasservorräte dem urn 35 Prozent und die Holzvorrate um 47 Prozent pro Kopf.der Bevolkerung ab. Bevolkerungszunahme, Wirtschaftswachstum und Ressourcen-Raubbau werden «schwerwiegende Folgen» auf die gesamte Umwelt in allen Aspekten haben: «Die Umwelt wird viele wichtige Fähigkeiten zur Erhaltung van Leben verloren haben», stellt der Bericht nüchtern fest. Infolge starker Anwendung van Pestiziden (um die prognostizierten Nahrungsmittel-Steigerungen erreichen zu konnen, muss der Pestizidverbrauch urn mindestens das Vierfache gesteigert werden), und infolge der Verstädterung wird die Wasserqualität sich vor allem in den Entwicklungsländern weiter verschlechtern, und die Oekosysteme der Küstengebiete - in denen der Grossteil der Fischbestände lebt - wird zunehmend zerstört werden. Auch eine Zunahme der Luftverschmutzung gilt als «so gut wie sichen», da immer mehr fossile Brennstoffe verbrannt werden. Die wachsende Konzentration van Kohlendioxid in der Luft wird möglicherweise zu Erwärmungen und zu Klimaveränderungen führen, über deren Auswirkungen wenig bis nichts bekannt ist. Durch die zunehmende Nutzung der Nuklearenergie werden «mehrere hunderttausend Tonnen» hochradioaktiver verbrauchter Brennelemente anfallen, deren Lagerung bisher noch nirgends zufriedenstellend gelöst ist. Lebensraumverlust und Umweltverschmutzung bewirken zudem das Aussterben van 500 000 bis 2 000 000 Tier- und Pflanzenarten bis zum Ende des Jahrhunderts. Dieser Verlust an «genetischen Ressourcen» beschneidet drastisch die Möglichkeiten, die - wenigen - als Nahrungsmittel verwendeten Tier- und Pflanzenarten durch Einkreuzungen resistent zu erhalten. Verwüstung

Die schlimmsten Folgen der Umweltzerstörung treffen die Landwirtschaft: Bodenerosion, Nahrstoffverlust der Böden, Boden-Verdichtung, Versalzung, Verluste van Ackerland durch die Ausdehnung der Städte, Ernteschäden wegen Luft- und Wasserverschmutzung, Wassermangel und das Aussterben wildwachsender Getreidearten werden es immer schwieriger machen, die Nahrungsmittelproduktion im notwendigen Ausmass zu steigern. Ueberweidung, destruktive Anbaupraktiken und Abholzung führen schliesslich zu einer Ausdehnung der unfruchtbaren Wüstengebiete. Bereits heute fallen jedes Jahr 6 Millionen ha fruchtbares Land der Verwüstung zum Opfer, und Global 2000 rechnet damit, dass im Jahr 2000 die Wüsten-Fläche auf der Erde um 20 Prozent zunimmt. In den Entwicklungsländern ist es oft schiere Not, die die Menschen zur Zerstörung ihrer eigenen Lebensgrundlagen treibt: «Im allgemeinen geht man davon aus, dass sich die ökonomischen und sozialen Verhältnisse bessern mussen, bevor die Fruchtbarkeitsrate auf ein Niveau sinkt, das der Bevölkerungsstabilitat entspricht. Man hat es hier möglicherweise mit einem Teufelskreis zu tun: Eine Verschlechterung der Umweltverhältnisse, verursacht durch Ueberbevölkerung, schafft Lebensbedingungen, unter denen eine Verringerung der Fruchtbarkeit schwer zu erreichen ist. Und das anhaltende Bevölkerungswachstum verstärkt wiederum den Druck auf Umwelt und Boden.» «Zeit zum Handeln geht zu Ende»

Die Auswirkungen der von Global 2000 festgestellten Trends werden sich erst nach dem Jahre 2000 in vollem Umfang bemerkbar machen. Dann wird es jedoch höchstwahrscheinlich zu spät sein: «Wenn derartige globale Umweltveränderungen» - wie massive Artenverringerung, Bodenverschlechterung, zunehmende Abgabe van Giftchemikalien an die Umwelt «einmal in Bewegung geraten sind, lassen sie sich nur schwer umlenken». Um diese Trends umzukehren, müsste heute gehandelt werden. Wie dies geschehen soll, was getan werden müsste, darüber schweigt sich Global 2000 indessen weitgehend aus. Der Bericht begnügt sich mit dem Hinweis, «schnelle und einfache Lösungen» gebe es nicht, und mit einem dramatischen Aufruf: «Die Zeit zum Handeln geht zu Ende. Wenn die Nationen del' Erde nicht gemeinsam und jede für sich mutige und phantasievolle Massnahmen zur Herstellung besserer sozialer und wirtschaftlicher Lebensbedingungen, zur Verringerung der Fruchtbarkeit, zum verbesserten Umgang mit den Ressourcen und zum Schutz der Umwelt ergreifen, wird dieser Welt der Schritt ins 21. Jahrhundert voraussichtlich nicht leicht werden.»

«Es gibt Grund zur Hoffnung, Es muss betont werden, dass die Prognosen dieser Studie von der Annahme ausgehen, dass sich bis zum Ende dieses Jahrhunderts an der Politik der verschiedenen Nationen hinsichtlich der Bevölkerungsstabilisierung, der Ressourcenerhaltung und des Umweltschutzes nichts Wesentliches ändert. In Wirklichkeit aber beginnt sich hier ein Wandel abzuzeichnen. ... So ermutigend diese Entwicklungen auch sind _ angesichts der globalen Herausforderungen, die diese Studie umreisst, reichen sie bei weitem nicht aus. Mutige und entschlossene neue Initiativen sind erforderlich. ... Die erforderlichen Veränderungen gehen weit über die Möglichkeiten und Verantwortlichkeiten dieser oder jener einzelnen Nationen hinaus. Es muss eine neue Aera der Zusammenarbeit und der gegenseitigen Verpflichtungen beginnen. ... Zögert man die Entscheidungen so lange hinaus, bis sich die Probleme verschlimmert haben, so wird sich der Spielraum für wirkungsvolles Handeln drastisch verringern.» Zitat aus: Global 2000. Der Bericht an den Präsidenten. - Deutsche Ausgabe: Verlag Zweitausendeins, Frankfurt.

Wir meinen, das Bewusstsein ist vorhanden. Aber die Massnahmen sind ungenügend und teils kontraproduktiv. Globalisierung, Privatisierung, die Prioritäten der Börse und des Kapitals sind nicht hilfreich gewesen.
Der Abbau der natürlichen Ressourcen, der Wälder, des Wassers, der Mineralen Rohstoffen geht unvermindert fort.
Schlimmer noch: das Wirtschaftswachstum beschleunigt den Abbau der Ressourcen erst noch. Das jedoch wollen die Regierenden nicht hören.


Helmut Lubbers, 31 Mai 2007
  • The Living Planet Facts and Figures WWF's and Wackernagel's "Footprint" account
  • Ecologocal Footprint" compared to "Environmental Impact"
  • footprints and sustainability
  • Area-based Sustainability - William Rees 1995
  • sustainability
  • ecological footprint - wikipedia
  • Votre opinion - Ihre Meinung
  • home | site map a-z | ecostory | feedback
    ecoglobe since 1997
    7531