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Die neuen Verpackungsvorschriften in Australien (2014)

"Alle gleich eklig"

die neuen australischen Einheitspackungen - Alle gleich eklig

Sucht

In Australien dürfen Zigaretten nur in abstoßenden Einheitspackungen verkauft werden. Weil das wirkt, findet die Idee jetzt Nachahmer in Europa.

Alle drei Jahre erforscht Australiens Regierung des Volkes dunklere Seiten. Dann bekommen Zehntausende Bürger Fragebogen nach Hause geschickt, auf denen sie sich anonym, frank und frei zu ihren Sünden bekennen können: wie oft sie Kokain schniefen, ob sie Ecstasy schlucken, wie viel sie wirklich rauchen und trinken.

Jetzt hat Australien die Ergebnisse der Drogenbeichte von 2013 veröffentlicht und manche davon sind so sensationell, dass sie weltweit Folgen haben könnten. Der Anteil der regelmäßigen Raucher an der Bevölkerung ist zuletzt so stark gesunken wie seit 20 Jahren nicht, von 15,1 Prozent im Jahr 2010 auf nunmehr noch 12,8 Prozent - aus Sicht der Tabakkontrolleure ein sehr beachtlicher Erfolg.

Der Rückgang ist bemerkenswert, denn Australien ist seit Ende 2012 Schauplatz eines gewagten Experiments. Seither dürfen dort Zigaretten nur in Einheitsverpackungen verkauft werden. Ob Marlboro oder Camel, die Schachtel sieht immer gleich aus und immer unappetitlich: schlammschwarz, der Markenname in schlichter Standardschrift. Ins Auge springen nur wechselnde Schockbilder, hier ein Zungenkarzinom, da "Bryan, 34", eine Schreckensgestalt kurz vor dem Krebstod.

Die Einheitspackung scheint zu wirken. Von den jungen Australiern zwischen 18 und 24, der wichtigsten Zielgruppe der Tabakkonzerne, haben mehr ais drei Viertel noch nie geraucht, ein Rekord. Die Jugendlichen, die es doch tun, sind bei der ersten Kippe immerhin fast 16 Jahre alt und damit älter als zuvor - 1995 lag das Einstiegsalter der Teenager noch bei 14 Jahren. Die verbliebenen Raucher konsumieren jetzt weniger Zigaretten, was teils an den abstoßenden Packungen liegen mag, teils aber auch daran, dass eine Schachtel Marlboro umgerechnet 14 Euro kostet: Bisher hatten die Tabakkonzerne stets behauptet, dass Einheitsschachteln keine Auswirkung hätten auf ihre Kunden und die Maßnahme daher überzogen sei. Doch das Gegenteil ist der Fall. Forscher der australischen University of Newcastle haben Raucher vor und nach der Einführung der neutralen Schachteln intensiv befragt. Ihre Ergebnisse, jetzt erschienen im Journal Health Education Research, künden von einer nahenden Katastrophe für die Tabakkonzerne. Raucher empfinden ihre neu gewandeten Zigaretten demnach als nicht mehr so reizvoll wie zuvor. Viele schwören, dass die Tabakqualität ihrer Lieblingsmarke gelitten habe, und andere urteilen, dass Zigaretten jetzt irgendwie alle gleich schmeckten.

Der Gestaltungshoheit beraubt, können Australiens Tabakkonzerne den Zauber ihrer Marken nicht mehr entfalten. Zigarette ist gleich Zigarette - keine ist eleganter, keine cooler, keine interessanter. In das Image ihrer Marken haben die Tabakkonzerne aber Milliarden investiert. Daher wehren sie sich mit allen Mitteln gegen die Einheitsschachtel, die ihrer Meinung nach einer Enteignung gleichkommt.

Australien muss sich in mehreren internationalen Verfahren und vor Institutionen wie der Welthandelsorganisation WTO verteidigen. Der Ausgang dieser Prozesse ist offen, und womöglich muss das Land die Industrie mit Milliardensummen entschädigen. Unterdessen macht jedoch das australische Exempel Furore.

Neuseeland hat sich vorgenommen, bis 2025 rauchfrei zu werden. Bis dahin soll der Anteil der Raucher auf unter fünf Prozent sinken, und die Einheitspackung soll dabei helfen. Die Regierung in Wellington will sie einführen, sobald Australien die juristischen Auseinandersetzungen Überstanden hat.

Irland war der erste Staat der Welt, der 2004 das Rauchen am Arbeitsplatz verboten hat. Jetzt orientieren die Iren sich am australischen Vorbild: Das Gesetz zur Einheitspackung ist bereits vom Kabinett gebilligt, im Augenblick liegt es dem Parlament vor.

Der zuständige Minister James Reilly, ein Mediziner, hat Vater und Bruder an den Folgen der Nikotinsucht sterben sehen. Die neutrale Schachtel, so Reilly, werde Leben retten, denn sie nehme der Tabakindustrie die letzte Möglichkeit, ihr tödliches Produkt zu bewerben.

Großbritannien berät ebenfalls ein entsprechendes Gesetz. Eigentlich wollte die konservativ-liberale Regierung das nicht, doch dann führten Experten überzeugende

Belege dafür an, dass gerade Kinder besonders empfänglich sind für jene Werbebotschaften, die von Zigarettenpackungen ausgehen. Analysten der Citigroup nehmen die australischen Erfolge zum Anlass für die Prophezeiung, dass es auf den Inseln ab 2017 keine erkennbaren Zigarettenmarken mehr geben werde.

Sogar Frankreich erwägt nun ein Verbot - das Land, dessen Popkultur von Nikotinromantikern wie Serge Gainsbourg geprägt ist. Und Deutschland?

Hier, wo jeder Vierte regelmäßig raucht und jährlich mehr ais 110000 Menschen an den Folgen sterben, droht den Tabakkonzernen keine Gefahr. Die Bundesdrogenbeauftragte Marlene Mortler (CSU) will an die Einheitsschachtel nicht ran, denn diese werde von der Bundesregierung nicht nur rechtlich "als höchst problematisch" gesehen. Sie will sich aber dafür einsetzen, die allgegenwärtige Zigarettenwerbung auf Plakaten zu verbieten. Australien hat dies schon vor über 20 Jahren getan.

Alles in allem, so lobte Mortler kürzlich, sei Deutschland in der Drogen- und Suchtpolitik "richtig aufgestellt". Marco Evers

Quelle: Der Spiegel, 31/2014 Seite 101.

Wiedergabe für rein wissenschaftliche Zwecke, ohne Gewinnabsicht.

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