Der Sinn psychiatrischer Klassifikationssysteme wie des DSM ist es, Störungsbilder zu operationalisieren und damit besser behandelbar zu machen. Die Zahl der Diagnosen darf daher nicht zu unübersichtlich werden. Grundsätzlich wird in der psychiatrischen Krankheitslehre zwischen einem Symptom und einer Symptomkonstellation, einem Syndrom, unterschieden. Erst aufgrund einer Symptomkonstellation kann nach bestimmten Kriterien eine Diagnose gestellt werden. Eine einzelne Auffälligkeit rechtfertigt daher noch keine Diagnose. Viele der erwähnten „neuen″ Störungsbilder können als Einzelsymptome unter bereits etablierten Diagnosen subsumiert werden.
DR. MED. PETER EPPLE, MIRING (BAYERN)
Ihre Kritik am DSM ist berechtigt. Andererseits ist es missverständlich, wenn Herr Blech von einer ausufernden Etikettierung der Menschen durch die Diagnosen von „Geisteskrankheiten spricht. Dieser Begriff wird nicht mehr verwendet - oder höchstens, um eine kleine Gruppe schwerster psychiatrischer Störungen zu bezeichnen.
DIRK ARENZ, EUSKIRCHEN
Die Böcke - Psychiater und Pharmaindustrie - erklären sich selbstherrlich zu Gärtnern der Seele der Menschheit. Denn mit jeder neuen, noch so verschwommenen psychiatrischen Diagnose schaffen sie sich eine neue Gelddruckmaschine.
DR. AHMAD HUSSEIN, RONNENBERG (NIEDERS.)
Neben dem US-amerikanischen Krankheitsmanual „DSM gibt es noch das von der WHO herausgegebene „ICD-Kapitel F für psychische Störungen, das von praktizierenden Psychiatern und Psychologen meist als wichtiger angesehen wird. [ICD in Wikipedia] Es befindet sich zurzeit ebenfalls in Überarbeitung und hier laufen viele Prozesse anders ab. Unter anderem ist das Exper-tengremium für die ICD-Neuentwicklung mit Vertretern aus allen Kontinenten besetzt, nicht nur mit Forschern, sondern auch mit exzellenten Psychiatriedozenten aus Entwicklungsländern. Die Rate der mit der Pharmaindustrie verbundenen Psychiater ist so auf unter 15 Prozent gedruckt worden - im Vergleich zu den 70 Prozent beim DSM.
ANDREAS MAERCKER. ZÜRICH (SCHWEIZ)
Dies ist der erschütterndste SPIEGEL-Artikel seit Jahren. Man ist ständig zwischen Lachen und Heulen hin und hergerissen. Wie wäre es mit der Zulassung einer neuen psychischen Krankheit: DSMD - DSM-Disorder?
BERND BOECK. MÜNCHEN
Diskutieren Sie im Internet
|
In den 40 Jahren meiner therapeutischen Arbeit war stets entscheidend, inwieweit die Betreffenden litten, weitestgehend unwesentlich dagegen die Einordnung nach DSM. Gelegentlich war es für Klienten erleichternd, ihrer Befindlichkeit einen Namen geben zu können, von dem sich zu verabschieden allerdings oft schwerfiel. Ganz sicher hilft dieser psychische Angebotskatalog nur bei der monetären Verwertung innerhalb unseres Gesundheitssystems. Vielleicht sollte man den DSM-5 ergänzen durch die Diagnose „Profitgelenkter Kategorisierungswahn.
DR. KLAUS NEUMANN, MÜNCHEN
Unter der Inflation der seelischen Krankheiten leiden gerade die wirklich Betroffenen da Therapieplätze sowie Psychologen von Pseudokranken besetzt werden. Den Forschern im Psychologiefeld sollte es weniger darum gehen, immer neue Krankheiten zu (er)finden, stattdessen sollten sie sich auf die Entwicklung besserer, effektiverer und schonenderer Behandlungen konzentrieren.
NATHALIE REPENNING, TORONTO (KANADA)
Einst waren es Ungeduld, Unaufmerksamkeit und Bewegungsunruhe. Das wurde irgendwann ADHS genannt und im DSM aufgenommen. Damit wurde medizinalisiert, was ursprünglich Erziehungsprobleme waren. Die Seele wurde eliminiert, alles wurde zu einem Wackelkontakt im Gehirn erklärt, wurde zu Chemie im Gehirn und in der Medikation. Familiäre, gesellschaftliche, geschlechtsspezifische Ursachen gab es nicht mehr, denn über den Topf mit brodelnden Konflikten war ein eiserner Deckel mit einer medizinischen Diagnose gebracht worden.
HANS HOPF, MUNDELSHEIM (BAD.-WÜRTT.)
Die Steigerung des Konsums von Antidepressiva um 296 Prozent seit 2000 ist doch ein Indiz für den unmenschlichen Umgang mit Menschen, die der Brutalität des Arbeitsmarktes nicht gewachsen sind.
RUDI ZIMMERMANN, BERLIN
Es ist immer besser, die Menschen bekommen eine Perspektive als Ausweg für ihre psychischen Probleme als Pillen für eine kurzfristige Lösung. Es gilt der Spruch: Manche kommen ohne Psychiater wieder auf die Beine, manche mit und etliche trotz eines Psychiaters.
ALFRED LOSCHEN, MINDEN
|