ecostory 67/2005
Entkoppelung von Wirtschaftswachstum und Umweltbelastung? -  d - f - i - e 
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In "Umwelt" 4/2005 stellt das Schweizer Bundesamt für Umwelt (BUWAL) die Ergebnisse einer 180-seitigen Studie vor, die nur als 1,7 MB pdf-Dokument im Internet vorliegt. Hier folgen einige Ausschnitte.


BUWAL - UMWELT-MATERIALIEN NR. 198 - Ökonomie

Wachstum und Umweltbelastung: Findet eine Entkoppelung statt?

Auszug (Seite 7)

Stichwörter: Entkopplung, Wirtschaftswachstum, Umweltbelastung, technischer Fortschritt, Strukturwandel, Umweltpolitik

Das Ziel einer nachhaltigen Entwicklung setzt eine absolute Entkopplung voraus: Die Emissionen bzw. die Umweltinanspruchnahme sollen dauerhaft zurückgehen, während das Wirtschaftswachstum gleichzeitig möglichst ungebremst bleibt. Wie die vorliegenden Analysen zu den Entwicklungen der letzten 30 Jahre in der Schweiz und in weiteren Ländern zeigt, konnte Entkopplung nur in einigen Umweltbereichen erreicht werden. Die Ursachenanalyse für vier verschiedene Vertiefungsbereiche zeigt, dass die Bereiche Klima (CO2), Flächeninanspruchnahme und Materialverbrauch im besonders grossen Umfang vom Wachstum der wirtschaftlichen Aktivitäten beeinflusst werden, während im Bereich der traditionellen Luftschadstoffe (SO2, NOx, NMVOC, CO) das Wachstum von den Emissionen absolut entkoppelt werden konnte. Die Umweltpolitik sowie die betroffenen Politikbereiche aller föderalen Ebenen müssten also in den vom Wachstum stark beeinflussten Umweltbereichen umso effektiver sein, indem technischer Fortschritt und Strukturwandel (inkl. Modal-Shift im Verkehr) in einem solchen Ausmass gestaltet werden, dass sie den Wachstumseffekt überkompensieren und damit eine absolute Entkopplung einleiten.


Vorwort (Seiten 9-10)

Umwelt und Wirtschaft sitzen im gleichen Boot. Ohne intakte Umwelt gibt es keinen Wohlstand. Die natürlichen Ressourcen sind eine unverzichtbare Grundlage für die Wirtschaft. Umgekehrt ist eine gesunde Wirtschaft die unerlässliche Voraussetzung für die effektive Umsetzung von Umweltschutzmassnahmen. Dennoch sind wirtschafts- und umweltpolitische Anliegen nicht immer einfach unter einen Hut zu bringen. Vertiefte Kenntnisse der gegenseitigen Wechselwirkungen sind deshalb unverzichtbar. Seit Jahren setzt das BUWAL bei der Ausgestaltung der Umweltpolitik auf Kooperation mit der Wirtschaft und wo immer möglich auf die Nutzung der Marktmechanismen, im Wissen, dass nur so wirksamer und kosteneffizienter Umweltschutz möglich ist.

Im Fokus der vorliegenden Studie steht der Einfluss des Wirtschaftswachstums auf die Umwelt. Gelingt Wirtschaftswachstum bei gleichzeitig abnehmender Umweltbelastung, so wird von Entkopplung gesprochen. In der Schweiz kann bisher nicht in allen Umweltbereichen derselbe Entkopplungserfolg verzeichnet werden.

Etwa beim Klima oder dem Landschaftsverbrauch ist der negative Zusammenhang zwischen wirtschaftlichem Wachstum und Umweltqualität besonders ausgeprägt. Umso grössere Anstrengungen sind in solchen Bereichen nötig, um zu erreichen, dass der technische Fortschritt einerseits und der Strukturwandel andererseits den Wachstumseffekt überkompensieren. Die Experten empfehlen in erster Linie den Einsatz marktwirtschaftlicher Instrumente, wobei sie dafür auch neue Anwendungsfelder wie z.B. Flächennutzungszertifikate ins Auge fassen.

Die Untersuchung ist eine von sechs Studien des Projekts «Umwelt und Wirtschaft», in welchem folgende Fragestellungen untersucht wurden (in Klammer die beauftragten Expertenbüros):
- Auswirkungen des Umweltschutzes auf BIP, Beschäftigung und Unternehmen
Erhöht oder dämpft die Umweltpolitik das Wirtschaftswachstum und die Beschäftigung? Welche Bedeutung hat Umweltschutz für Innovationen? (Infras/Fraunhofer Institut Systemtechnik und Innovationsforschung)
- Wachstum und Umweltbelastung: Findet eine Entkopplung statt?
Welche Bedeutung hat das Wirtschaftswachstum für die Umwelt: Positiv, neutraloder als Verstärker der Umweltbelastungen? (Fachhochschule Solothurn/Ernst Basler + Partner)
- Wettbewerb und Umweltpolitik in einer globalisierten Wirtschaft

Was kann die Schweiz im internationalen Rahmen bewirken, wie eigenständig soll und kann ihre Umweltpolitik in einer «globalisierten Welt» sein? (B,S,S. Volkswirtschaftliche Beratung)
- Finanzmärkte und Umwelt
Welche Bedeutung hat der Finanzsektor (Vermögensverwalter, Banken, Vorsorgeeinrichtungen, Rück-(Versicherungen) für die Umwelt? Wie können zukunftsorientierte Tendenzen durch geeignete Rahmenbedingungen gefördert werden? (BHP Brugger & Partner/onValues)
- Konsequente Umsetzung des Verursacherprinzips
Wo ist das Verursacherprinzip (als grundlegendes wirtschaftliches Ordnungsprinzip) verletzt? Welches sind die Folgen, die Gegenmassnahmen und deren Wirkungen? (econcept/Infras)

- Machbarkeitsstudie «Evaluation der bisherigen Umweltpolitik»
Wie lässt sich Umweltpolitik evaluieren, insb. bezüglich Kosten-Wirksamkeit? (Interface Politikstudien) Alle Teilstudien liegen in der Verantwortung der jeweiligen Autorinnen und Autoren und brauchen sich nicht mit der Haltung des BUWAL zu decken. Sie stehen zum kostenlosen Download bereit unter: www.buwalshop.ch.

In einem Synthesebericht fasst das BUWAL die wichtigsten Erkenntnisse zusammen und stellt damit auch die Bezüge zwischen den Studien her:
- «Wirtschaftliche Dimensionen der Umweltpolitik» Synthesebericht aus den Forschungsarbeiten des Projekts «Umwelt und Wirtschaft». Wichtigste Erkenntnisse, Konsequenzen für Umwelt- und Wirtschaftspolitik (BUWAL) Der Synthesebericht wird dem BUWAL als Grundlage zur Weiterentwicklung der Umweltpolitik dienen.

Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft
Dr. Bruno Oberle - Vizedirektor BUWAL


Zusammenfassung (Seiten 11-16)

Der Einfluss des Wirtschaftswachstums auf die Umwelt ist seit Beginn der 90er Jahre anhand von statistischen Modellen untersucht worden. Die Hypothese, dass die Umweltbelastung in den frühen Phasen der wirtschaftlichen Entwicklung zunimmt, in späteren Phasen aber wieder abnimmt, wurde als «Environmental Kuznets Curve» (EKC) zur Diskussion gestellt und mit ökonometrischen Untersuchungen zu überprüfen versucht. Zusammenfassend lassen die Ergebnisse der EKCStudien nicht den Schluss zu, dass allgemein die Umweltbelastung mit steigendem Einkommen abnimmt. Selbst für einzelne Schadstoffe kann dies nicht eindeutig konstatiert werden. Eine zumindest überwiegende empirische Evidenz, die den Schluss zulässt, dass wirtschaftliches Wachstum ab einer gewissen Höhe mit einer niedrigeren Emissionsentwicklung einhergeht, zeigt sich in erster Linie bei SO2, NOX, CO, Rauch und Staub. Dieser empirische Nachweis kann jedoch nicht ausschliessen, dass die Umweltentlastungen möglicherweise durch die Verlagerung von Umwelt belastenden Industrien in andere, insbesondere ärmere Länder erreicht wurden. Der Nachweis der EKC berücksichtigt zudem nicht die effektiven Umweltschäden, sondern nur die Emissionen bzw. Konzentrationen. So nützt der Rückgang der Emissionen ab einer bestimmten Einkommensschwelle wenig, wenn bereits irreversible Umweltschäden eingetreten sind. Letztgenannter Aspekt stellt jedoch nicht nur ein Problem im Zusammenhang mit der EKC-Hypothese dar, sondern ist generell bei Untersuchungen zur Entkopplung zu berücksichtigen.

Ein naheliegender Schluss für diejenigen Schadstoffe, für die die EKC-Hypothese bestätigt werden kann, wäre, dass sich diese Schadstoffe «automatisch» verringern, sobald nur ein bestimmter Stand der wirtschaftlichen Entwicklung erreicht bzw. überschritten ist. Dies würde heissen, dass das Einkommen als allein erklärender Faktor die Umweltbelastung beeinflusst. Wie in den Kapiteln 3 und 4 gezeigt, wird jedoch die Umweltbelastung durch mehrere Faktoren beeinflusst. Besonders zu erwähnen ist die Bedeutung einer aktiven Umweltpolitik als entscheidender Faktor für das Entstehen einer EKC, wie dies auch in einigen empirischen Studien erörtert wird. Dass die EKC-Studien diesen Faktor im Modell nicht berücksichtigen, ist als methodisches Problem zu werten. Ausserdem deuten weitere methodische Mängel der EKC-Studien darauf hin, dass das Einkommen nicht als allein erklärender Faktor, der den Umweltverbrauch beeinflusst, interpretiert werden kann. Somit ist klar, dass Umweltentlastung nicht «automatisch» eintritt, sobald nur eine bestimmte Einkommensschwelle überschritten ist. Vielmehr hängt dies noch von weiteren Einflussfaktoren ab.

Die folgende Tabelle gibt für die auf die Schweiz bezogenen Umweltindikatoren an, für welchen Indikator jeweils eine relative bzw. absolute Entkopplung von der Entwicklung des BIP festzustellen bzw. nicht festzustellen ist.

(Seite 12)

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Im Vergleich mit fünf anderen ausgewählten Industrieländern verzeichnet die Schweiz die geringsten Entkopplungsfortschritte (Tabelle B). Dies ist zum einen auf ihre in vielen Bereichen bereits vorhandene, relativ geringe Umweltintensität zurückzuführen, zum anderen auf das stärkere BIP-Wachstum der anderen Länder.
Das Ergebnis weist jedoch auch darauf hin, dass die Umweltpolitik in der Schweiz weiterentwickelt werden sollte, damit die international in vielen Bereichen relativ geringe Umweltintensität gehalten werden kann. Nicht nur in der Schweiz, sondern auch in den anderen Ländern fehlen Entkopplungsfortschritte in den Bereichen Klima (Ausnahme: Sondersituation in Deutschland), Energie, Verkehr und Siedlungsabfälle.

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Welche Erklärungen gibt es für die beobachteten Zusammenhänge zwischen Wirtschaftswachstum und den verschiedenen Umweltbelastungen in der Schweiz? Die Verfechter der EKC-Hypothese geben autonomen technischen Fortschritt, autonomen Strukturwandel und wachsendes Umweltbewusstsein als Erklärungen dafür an, dass Entkopplung endogen durch den Wachstumsprozess entstehen kann. Alle drei Erklärungsansätze können jedoch der an ihnen geübten Kritik nicht standhalten. Die Literatur ist sich weitgehend einig, dass Umweltpolitik als entscheidender Faktor gilt, der den im Hinblick auf eine Entkopplung nötigen technischen Fortschritt bzw. Strukturwandel auslöst.

Neben der Förderung des umweltschonenden technischen Fortschritts und des Strukturwandels kann Umweltpolitik auch eine Änderung der Lebensstile auslösen. Diese wiederum begünstigt eine Entkopplung, sofern die neuen Konsummuster nicht im gleichen Ausmass das Wirtschaftswachstum beeinträchtigen.*

Eine zusammenfassende Beurteilung der Literatur zu theoretischen Erklärungsansätzen, die eine Entkopplung begünstigen, lässt den Schluss zu, dass Umweltpolitik eine notwendige Bedingung für die Entkopplung ist.*
(Seite 15)

Das methodische Grundgerüst für die Analyse der Entkopplung in den Vertiefungsbereichen Klima, Luft, Natur und Landschaft und Materialverbrauch ist in Abbildung A dargelegt. Wo jeweils möglich und sinnvoll, wird die Methode der Dekompositionsanalyseverwendet. Die einzelnen Faktoren der Dekompositionsanalyse können den drei Hauptfaktoren für eine Entkopplung − technischer Fortschritt, Strukturwandel und Änderung der Lebensstile − zugeordnet werden. Anhand der Dekompositionsanalyse wird der Einfluss möglicher vorgelagerter Ursachen, insbesondere (umwelt-)politischer Massnahmen und Preisentwicklungen, analysiert. Insbesondere wird gezeigt, wie die Umweltpolitik einen massgeblichen Einfluss auf den technischen Fortschritt, den Strukturwandel und − bisher in einem kleineren Ausmass − auf eine Änderung der Lebensstile ausüben kann.


Vertiefungsbereich Klima Vertiefungsbereich Luft

Die Ursachenanalyse im Klimabereich zeigt, dass die Nicht-Entkopplung von CO2-Emissionen und Wirtschaftswachstum mit einem den technischen Fortschritt und den Strukturwandel dominierenden Wachstum der wirtschaftlichen Aktivitäten, insbesondere der Zunahme der Verkehrsleistungen, begründet werden kann. Bisherige Energieeffizienzsteigerungen in Wirtschaft, Verkehr und Haushalten reichen nicht aus, um das Wachstum der Aktivitäten (Wertschöpfung, Verkehrsleistungen, Wohnungsbestand) und die hiermit verbundene Energie- und Emissionszunahme auszugleichen. Ausserdem hat insbesondere im Güterverkehr im Untersuchungszeitraum eine Veränderung des Modal-Splits zugunsten der Strasse stattgefunden. Die Zukunftstrends lassen eine weitere Zunahme der Aktivitäten, die Treibhausgasemissionen verursachen, erwarten.

Eine erfolgreiche Entkopplungsstrategie, die die wirtschaftlichen Aktivitäten nicht abbremst, bedingt, dass der emissions- und energiesparende technische Fortschritt und der Strukturwandel (inkl. Änderung des Modal-Splits im Verkehr zugunsten der Schiene) so stark forciert werden, dass sie gemeinsam den Wachstumseffekt überkompensieren können.*

Welche Politik eignet sich für diese Strategie? Zentraler Bestandteil ist die im CO2- Gesetz bereits definierte, aber noch nicht eingeführte CO2-Abgabe. Damit würden die Verursacher direkter CO2-Emissionen in allen Sektoren erfasst, und die Entscheidung, wo die Emissionen am kostengünstigsten reduziert werden können, würde vom Markt gefällt. Diese Strategie kann von flankierenden Massnahmen in den einzelnen Sektoren, insbesondere im Verkehrsbereich, begleitet werden.

Vertiefungsbereich Luft

Aus der Ursachenanalyse im Bereich Luft geht hervor, dass bei den Emissionen von NOx, CO, NMVOC und SO2 für die meisten Verursachergruppen eine absolute Entkopplung stattgefunden hat. Hingegen kann bei der Ozonimmission (Sommersmog) noch keine Entkopplung zum Wirtschaftswachstum festgestellt werden. Die PM10-Belastungen sind seit 2001 wieder steigend. Diese Entwicklung hängt eng mit dem starken Anstieg des Absatzes von Dieselöl ab ca. 2000 und mit den erst in der Markteinführungsphase befindlichen Technologien zur Umwandlung und Filterung der schädlichen Emissionen zusammen. Die Zukunftstrends weisen auf eine Abnahme der Luftschadstoffkonzentrationen (mit Ausnahme von Ozon) hin.

(Seite 15:)
Für eine Entkopplung des Wirtschaftswachstums von den Ozon- und einer weiteren Reduktion der PM10-Belastungen bedarf es der raschen Diffusion der Katalysatortechnik im Lkw-Verkehr und des Einbaus von Partikelfiltern im gesamten Dieselfahrzeugbetrieb. Beide Techniken sind wirksamer als die Einhaltung der Emissionsstufe EURO4. Die Euro-Abgasnormen gelten zudem einzig für neu zugelassene Fahrzeuge. Die Entkopplung wird aber nur dann in absehbarer Zeit erreicht werden können, wenn nicht nur die Neuwagen, sondern auch der Fahrzeugbestand mit diesen Technologien ausgerüstet werden. Anreize für die Technikdiffusion bieten die Differenzierung der LSVA und der Motorfahrzeugsteuer nach dem Schadstoffausstoss.

Vertiefungsbereich Natur

Eine Entkopplung des Wirtschaftswachstums vom Verbrauch von Natur und Landschaft hat nicht stattgefunden. Am Beispiel des Flächenverbrauchs wird gezeigt, wie der Wachstumseffekt im Bereich der Siedlungsflächen bei Weitem nicht durch Effizienzsteigerungen (Abnahme des Flächenverbrauchseffekts) aufgefangen werden konnte. Im Gegenteil hat die Flächennutzungsintensität (ausser im Verkehrsbereich) abgenommen. Festzuhalten ist, dass es darum gehen muss, das Wachstum der Siedlungsfläche zu begrenzen und vorhandene Flächen effizient zu nutzen. Die folgenden Ursachen haben sich als wesentlich für den Flächenverbrauch herausgestellt:
- Industrie, Dienstleistungen, Landwirtschaft: kaum reale Preissteigerungen für Industrie-, Gewerbe- und Büroflächen,
- Verkehr: Verkehrsmengenwachstum Strasse
- Haushalte:
- Lebensstile: Zunahme der Einpersonenhaushalte und Anspruch auf grössere Wohnflächen,
- kaum reale Preissteigerungen für Wohngebäude
- Ländlicher/städtischer Raum:
- zunehmende Verstädterung der Schweiz,
- geringer Zwang zum sparsamen Umgang mit Flächen im ländlichen Raum aufgrund geringerer Flächenknappheit und tiefer realer Baupreise.

(Seite 16:)
Bestehende politische Instrumente haben kaum zur Entkopplung von Flächenverbrauch und Wirtschaftswachstum beitragen können. Gegenwärtige Trends lassen erwarten, dass in der Zukunft diejenigen Aktivitäten, welche die landschaftliche und biologische Vielfalt beeinträchtigen und zu einer Reduktion der kultur- bzw. naturnahen Flächen führen, weiter zunehmen. Wir empfehlen für die weitere Diskussion, verschiedene Instrumente zu operationalisieren und ihre potenziellen Auswirkungen auf Umwelt und Wachstum näher zu analysieren. Im Vordergrund stehen:
- Einrichtung neuer Natur- und Nationalparks sowie Förderung des naturnahen Tourismus und der biologischen Landwirtschaft mit integrierten Projekten.
- Flächennutzungszertifikate, welche die Menge an Boden bzw. Fläche, die
überbaut werden dürfte, begrenzen, und Flächenverbrauchsabgaben.

Vertiefungsbereich Materialverbrauch

Flächennutzungszertifikate und Flächenverbrauchsabgaben werden in der Literatur als potenziell sehr wirksam für eine Verminderung des Flächenverbrauchs diskutiert. Derartige Instrumente müssten so operationalisiert werden, dass sie mindestens wachstumsneutral wirken. Ausserdem sollten die Abgaben staatsquotenneutral ausgestaltet werden. Der Materialverbrauch der Schweiz wurde mit Hilfe der von Eurostat entwickelten Materialflussanalyse (MFA) betrachtet. Mit der MFA besteht seit kurzem eine Methode, die über wenige aggregierte physische Grössen die Stoffströme von Primärmaterial aufzeigt. Die vertiefte Analyse zeigt, dass die Materialintensität bei industriellen Mineralien gegenüber 1980 nur sehr geringfügig, bei Baustoffen jedoch stärker zugenommen hat und Baustoffe zugleich eine grosse Bedeutung für die MFA der Schweiz haben, dass Preissteigerungen in der Vergangenheit zu gering waren, um den Materialverbrauch zu bremsen, dass eine Integrierte Produktpolitik (IPP), welche die «Entschlankung» des Materialverbrauchs nachhaltig voranbringt, in der Schweiz erst seit kurzem besteht und noch weiter ausbaufähig ist.

Gegenwärtige Trends lassen erwarten, dass in der Zukunft diejenigen Aktivitäten, die den Materialverbrauch erhöhen, zunehmen. Soll eine Entkopplung zwischen Materialverbrauch und Wirtschaftswachstum erreicht werden, sind verschiedene Massnahmen zu empfehlen, die sich auf folgende drei allgemeine Strategien zurückführen lassen:
1. Erhöhen der Ressourceneffizienz (bzw. Vermindern der Materialintensität) über den gesamten Lebenszyklus hinweg (Herstellung inkl. Vorstufen, Transport, Verwendung und Entsorgung),
2. Integration von wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Aspekten im Rahmen der Festigung bzw. Etablierung einer integrierten Produktpolitik (IPP),
3. Verstärkter Einsatz von erneuerbaren Ressourcen.

Allgemeine Handlungsempfehlungen

Das Ziel einer möglichst absoluten Entkopplung aller Umweltbelastungen vom wirtschaftlichen Wachstum setzt voraus, dass die Emissionen bzw. die Umweltinanspruchnahme dauerhaft sinken, und das Wirtschaftswachstum gleichzeitig möglichst ungebremst bleibt. Die Ursachenanalyse für vier verschiedene Vertiefungsbereiche hat gezeigt, dass in den Bereichen Klima, Natur und Landschaft sowie Materialverbrauch das Wachstum der wirtschaftlichen Aktivitäten einen bedeutenden negativen Einfluss auf die Entwicklung der jeweiligen Umweltbelastung ausübt, während im Bereich Luft der Wachstumseffekt eine untergeordnete Rolle spielt. In den Bereichen Flächenverbrauch und Materialverbrauch werden die ökologisch negativen Auswirkungen des Wachstumseffekts durch eine verminderte Nutzungseffizienz zusätzlich verstärkt.

Die Umweltpolitik muss also in den vom Wachstum dominierten Umweltbereichen umso effektiver sein, d.h. der technische Fortschritt und Strukturwandel (inkl. Modal-Shift im Verkehr) müssten in einem solchen Ausmass forciert werden, dass sie den Wachstumseffekt überkompensieren. Die wirtschaftlichen Aktivitäten sollten dabei nicht gebremst, sondern vielmehr in eine umweltgerechte Richtung gelenkt werden. Durch das Auslösen von Innovations- und Investitionsprozessen

(Seite 17:)
kann das wirtschaftliche Wachstum sogar beschleunigt werden. Die umweltpolitischen Massnahmen für eine erfolgreiche Entkopplungsstrategie werden demnach sowohl an ihrer hohen Wirksamkeit als auch an ihrer wirtschaftlichen Effizienz gemessen.

Diese Strategie beinhaltet demnach in erster Linie den Einsatz marktwirtschaftlicher Instrumente des Umweltschutzes als Beitrag zu einer effizienzorientierten Umweltpolitik. Dass ökonomische Instrumente trotz ihres beginnenden Einsatzes ab dem Ende der 90er Jahre noch immer nicht ausreichend zur Anwendung kommen, wird in der Ursachenanalyse für die Vertiefungsbereiche sehr gut deutlich: Die Zunahme der Umweltbelastung spiegelt sich nicht oder nicht vollständig in Preisveränderungen wider. Erst wenn der Internalisierungsgrad in allen problematischen Umweltbereichen ansteigt, wird die angestrebte Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Umweltbelastung erreichbar sein. Hält die umfassende Internalisierung darüber hinaus auch dauerhaft an, so kann der langfristige Wachstumsprozess mit Umweltentlastungen einhergehen.

Weiterer Forschungsbedarf

Weiterer Forschungsbedarf liegt primär bei der Konkretisierung der vorgeschlagenen Instrumente und Massnahmen vor. Insbesondere sollen vor einer Einführung der im Vordergrund stehenden Instrumente folgende Aspekte näher untersucht werden:
- Evaluation aller bisherigen umweltpolitischen Instrumente hinsichtlich ihrer Wirkungen auf Umweltqualität und Wirtschaftswachstum,
- Prüfung der erwarteten Wirkungen der vorgeschlagenen Instrumente (ex-ante-Analyse über zu erwartende Wirkungen hinsichtlich Verbesserung der Umweltqualität und Wirkung auf das Wirtschaftswachstum), welche stark abhängig von ihrer konkreten Ausgestaltung sind,
- Prüfung der politischen Akzeptanz der vorgeschlagenen Instrumente,
- konkrete Operationalisierung der Instrumente.

Weitere relevante Forschungfragen mit Bezug auf die Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Umweltbelastung sind:
- Die Analyse weiterer Vertiefungsbereiche (Lärm, Wasser),
- vertiefende Analyse der Zukunftstrends und Entwicklung langfristiger Szenarien insb. im Hinblick auf umweltrelevante Aktivitäten.


Wachstum und Umweltbelastung: Findet eine Entkoppelung statt? - 1 Literaturanalyse (S25-...)


  • More is less - a discussion of small island examples
  • Eine nachhaltige Wirtschaft - oder, Grenzen des Wachstums - wirklich überholt? Englisch; Limits to Growth aus dem Buch "Towards a Sustainable Economy", vonTed Trainer (1996)
  • Einige Seiten aus dem Buch "Ein Planet wird geplündert", von Herbert Gruhl (1976)
  • Overshoot chapter 11 - Fact versus Faith
  • Radio DRS Satire zum Fahrplanwechsel vom 11.12.2004
  • Medienmitteilungen des Bundesrats vom 2.12.2005 zur geplanten Staulösung
  • ecoglobe - Staus? Der Schweizer Bundesrat wird sie lösen!
  • ecoglobe - Einerleier - Bundesrat und Radio DRS beim Santichlaus am 6.12.05.
  • Verkehr, Wachstum, Nachhaltigkeit? - Brief an den Bundespräsidenten Samuel Schmidt vom 6.12.05.
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