Brief an den Bundesrat und an das Bundesamt für Gesundheit über notwendige Änderungen in der neuen Verordnung. Genf/Genève, 26 Juni 2004 An den Bundesrat Sehr geehrte Frau Bundesrätin und Herren Bundesräte, Dem Vernehmen nach soll auf den ersten Juli eine neue Tabakverordnung in Kraft gesetzt werden. Eine sorgfältige Analyse zeigt, dass die Enwurffassung dieser neuen Tabakverordnung einige Bestimmungen ethält, die dem erklärten Ziel der Gesundheitsvorsorge diametral zuwider laufen. Diese Bestimmungen werden motivationspsychologischen Überlegungen nicht gerecht und sind dazu angetan, die Tabakprävention nicht zu fördern sondern zu schwächen. Es ist meine berufliche Schuldigkeit und bürgerliche Pflicht, hierauf hinzuweisen. 0. Prinzipielle Überlegungen a. Wie auch Herr Thomas Zeltner, Direktor des BAG, sagt, hat die Gesundheit absolute Priorität vor sektoriellen wirtschaftlichen Überlegungen. Wenn man vordergründig wirtschaftliche Überlegungen näher betrachtet, weisen die harten Zahlen aus, dass eine strikte Gesundheitsvorsorge in Bezug auf Tabak die weit grösseren wirtschaftlichen Vorteile bietet. Während die wirtschaftliche Bedeutung der Tabakindustrie nämlich nur in einzelnen Sektoren zählt, betreffen die durch das Rauchen verursachten Schäden unser ganzes Land. Und diese Kosten sind laut Berechnungen kompetenter Stellen um ein Mehrfaches höher als die Partikulargewinne in dieser Industrie. Das Arbeitspotential, das gegenwärtig im Tabakbereich eingesetzt wird, kann in anderen Wirtschaftssektoren eine wirklichen Nutzen erbringen. Der ganze Wirtschaftstandort Schweiz gewinnt dabei. b. Es besteht kein Recht auf Rauchen. Rauchen wird nur geduldet weil es lange Zeit zum guten Ton gehörte. Anderseits bestehen gesellschaftliche und gesetzlichen Pflichten zum Schutze der Gesundheit und der Umwelt. Persönliche Freiheit geht immer nur soweit, wie andere Menschen keinen Schaden erleiden oder unnötig belästigt werden. Tabakrauch jedoch schadet immer, den RaucherInnen und den gezwungenermassen passiv Mitrauchenden. Rauchende nehmen sich das vermeintliche Recht heraus, immer dort zu rauchen wo es nicht ausdrücklich verboten ist. Bei respektvollem Zusammenleben werden Rauchende jedoch nur dort rauchen, wo es wirklich keinen Normalatmenden schaden kann. Rauch kennt nur die physikalischen Grenzen von hermetisch abgetrennten Räumlichkeiten. Ein gegenseitig respektvolles Zusammensein von Normalatmenden und Rauchenden ohne Raumtrennung ist deshalb illusorisch. Aus diesem Grund sind Überlegungen wie solche, dass Rauchende nicht diskriminiert werden sollen, fehl am Platz. Solcher Art Argumenten kommen von der Tabakindustrie, die mit allen Mitteln versucht, ihre Rückzugspositionen so lange wie möglich zu halten. Rauchende fühlen sich immer diskriminiert. Von einer echten Diskriminierung kann jedoch nur die Rede sein, wenn es sich um normales und nicht-schädigendes Verhalten handelt. Rauchen schadet jedoch immer. ./.. - Seite 2/3 c. Das BAG nun hat die Pflicht, die besten Massnahmen vorzuschlagen und nicht nur solche, die vielleicht im kleineren Kreise politisch opportun sind. Bei einem korrekten Vorgehen hat unsere Regierung dann die Chance und die Verantwortung, die richtigen Massnahmen zu beschliessen. Die nachstehenden Punkte enthalten Vorschläge und Begründungen für eine optimale neue Tabakverordnung, bzw. notwendige und wirksame Massnahmen im Sinne einer realen und guten Gesundheitsvorsorge in Bezug auf Tabakrauch. 1. Süssstoffe in Zigaretten. Laut Verordnungsentwurf sollten neu aromatische und süsse Zusatzstoffen in Zigaretten erlaubt werden. Das BAG hat eingeräumt, dass ihr in dieser Beziehung ein ernster Fehler unterlaufen ist. Die Erfahrungen mit den Alcopops zeigen, dass sogar Kinder im Alter von 13 Jahren bereits als AlkoholikerInnen in eine Entwöhnungsklinik eingeliefert werden müssen. Schoko- und Caramelzigaretten würden dementsprechend zu einer starken Steigung der NeuraucherInnen unter unseren Kindern und Jugendlichen führen. Es ist also darauf zu achten, dass die überarbeitete Fassung der Tabakverordnung, welche dem Bundesrat zur Inkraftsetzung vorgelegt wird, die Beimischung von Süssstoffen in Zigaretten eindeutig ausschliesst. 2. Verkaufsverbot an Minderjährige Erzieher und Psychologen wissen bestens um die Anziehungskraft des Verbotenen und des scheinbar Erwachsenen. Die Tabakindustrie wirbt seit Jahren mit der Lüge, Rauchen sei die freie Wahl von Erwachsenen. In Tat und Wahrheit ist die Werbung hauptsächlich auf Kinder und Jugendliche ausgerichtet, dies in den verschiedensten direkten und indirekten Formen. Die grosse Mehrheit der Rauchenden hat als Jugendlicher angefangen, nicht wenige bereits im Kindersalter. Ein Verkaufsverbot ist auch nicht durchsetzbar. Ein solches Verbot hilft nur der Tabakindustrie in ihrer falschen Botschaft, Rauchen sei etwas für Erwachsene. Und die meisten Kinder und Jugendliche wollen gerne die vermeintlichen Vorteile des Erwachsenenseins geniessen. Aber kein Erwachsener greift freiwillig zur Zigarette. Ausnahmslos alle, gorss und klein, werden durch die Rauchwerbung dazu verführt. Ein Verkaufsverbot an Jugendliche bedeutet also Gratiswerbung für das Rauchen und diese Massnahme ist deshalb in der neuen Tabakverordnung ersatzlos zu streichen. 3. Gesundheitswarnungen auf den Schachteln. Gesundheitswarnungen wirken bis zu einem Alter von etwa 35 bis 40 Jahre oftmals nicht. Erfahrungen in Deutschland un Kanada zeigen, dass solche Warnungen auf Zigattenschachteln nicht beachtet werden. Die Warnbilder werden sogar zu einem Sammelobjekt und es werden anderseits speziellen Hüllen gekauft, um diese Bilder zu verdecken. Diese ganze teure Übung ist Geldverschwendung. Stattdessen soll die Vorschrift erlassen werden, dass alle Tabakwaren in den genaue gleichen Buchstaben und Schriftgrössen angeschrieben werden und zwar nur in der Farbe Schwarz auf weissem Grund. Logo und Farbe der Verpackung sind ein starkes Werbemittel. Rauchende sind extrem Markentreu und die Farbe und Aufmachung der Zigarettenschachteln sind Teil ihrer Identifikationen mit dem Suchtmittel Zigarette/Nikotin. Nikotinabhängige sollen ihre Droge weiterhin nach dem ihnen bekannten Namen kaufen können. Aber jede weitere Identifikationsmöglichkeit soll wegfallen. Die neue Tabakverordnung soll demnach auf das Aufdrucken von Warnbildern verzichten. Statdessen sollen alle Tabakverpackungen sich nur durch den Markennamen unterscheiden dürfen und nicht durch irgenwelchen, Farben, Logos oder gar Verpackungformen. ./.. - Seite 3/3 4. Angaben zum Teer- und Schadstoffgehalt. Teer- und Schadstoffangaben sind nutzlos. Einerseits spielen etwas mehr oder weniger Schadstoffe gar keine Rolle im Vergleich zur Schädlichkeit des Tabakrauchs überhaupt. Es gibt im Tabakrauch bis zu 3000 verschiedene Chemikalien, von welchen viele giftig sind. Die paar Stoffe die ausgewiesen werden, sind wenig wichtig im Vergleich zum Ganzen. Man weiss, dass Rauchen schädlich ist. Andererseits sind Menschen bis zum Alter von etwa 35 - 40 Jahren weitgehend unempfänglich für Risikowarnungen und der direkte Risikobezug zu den Schadstoffgehalten fehlt. Des weiteren werden diese Angaben zu Vergleichen zwischen verschieden Zigarettenmarken verwendet. Schadstoffangaben bedeuten darum für die Tabakindustrie eine willkommene gratis Voraussetzung um Schadstoffvergleiche für Werbezwecke zu nutzen. Es kann also viel Geld gespart werden, wenn auf die Angabe von Schadstoffmengen ganz verzichtet wird. Die neue Tabakverordnung soll darum auf Schadstoffangaben nicht nur verzichten sondern solche Angaben sogar untersagen. 5. Werbung. Das Rauchen lebt von der gesellschaftlichen Akzeptanz, bzw. vom Beispiel und von der Werbung. In anderen Ländern haben Werbeeinschränkungen zu einer merklichen Abnahme der Rauchens geführt. Die Industrie fürchtet nichts mehr als Werbeverbote. Das Rauchen kann mit einem generellen Werbeverbot entscheidend zurückgedrängt werden. Werbung in allen ihren bekannten und noch ubekannten Formen soll deshalb strikte verboten werden und Zuwiderhandlungen streng geahndet. Auf Interessengruppen darf keine Rücksicht genommen werden. Die rauchbedingten Schäden sind um ein vielfaches höher als sektorielle wirtschaftliche Vorteile. Unser Land als Ganzes, das heisst die ganze Wirtschaft, wird stärker wenn die Arbeit aus dem schädigenden Tabakbereich in anderen Bereichen Nutzen bringend eingesetzt werden kann. In der EU sind Werbeverbote im Kommen und in einzelnen Ländern schon verordnet worden. Die neue Tabakverordnung soll demnach die Werbung in allen ihren Formen verbieten. 6. Schutz vor Passivrauch Der Schutz der normalen Atemluft verdient grössere Priorität. Gegenwärtig wird den Versuchen, die Rauchenden zur Aufgabe ihrer Sucht zu bewegen, viel Aufmerksamkeit gewidmet. Die Ergebnisse sind jedoch klein in Vergleich zum Aufwand. Ein grösserer Teil als bisher der vorhandenen Mittel sollte für den aktiven Schutz und Erweiterung der Normalluftbereiche eingesetzt werden. Normalatmende sollen vermehrt auf ihre Rechte hingewiesen werden. Luft mit Tabakrauch ist bis zu 3000 mal schädlicher als die Luft einer Grossstadt. Der Mehrheit der Rauchenden, die gerne aufhören möchten, aber dies wegen der Suchtstärke des Nikotins nicht können, wird mit rauchfreien Bereichen unterstützt. Wenn die Bestimmungen des Umweltschutzgestzes von 1983 auch auf Tabakrauch angewendet werden, ist das Rauchen überall in der Öffentlichkeit untersagt. Den Rauchenden verbleibt dann noch die absolute Privatsphäre. Die neue Tabakverordnung soll also die folgenden neuen Bestimmungen erhalten: a. Der Schutz der normalen Atemluft und die Ausweitung rauchfreier Bereiche wird gefördert. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und freue mich auf Ihre bestätigenden Rückäusserung. Mit freundlichen Grüssen, Helmut E. LubbersAuskunft: Bundesamt für Gesundheit Philippe Vallat Leiter "Nationales Programm zur Tabakprävention" Telefon 031 322 95 05 Brief vom 2. Juli 2004 an den Bundesrat Vernehmlassungsunterlagen: Quelle: Medienmitteilung (Wir haben den Text kopiert weil man nie sicher ist über die Permanenz einer Verknüpfung.)
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