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25/2011
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Landwirtschaft in Afrika
Richtige Fragen und falsche Antworten.
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Das Schweizer Radio Echo der Zeit berichtete über das Weltsozialforum in Dakar, Senegal.
Daniel Voll berichtete aus dem Dorf Keur Moussa über Land-Grabbing , das ein wichtiges Thema am Welt-Sozialforum war.
Philipp Scholkman hatte ein Telefongespräch mit dem Professor Joachim von Braun in Bonn über die Preise und Spekulation mit Nahrungsmitteln .
Endstation Hunger - Energiedefizit in der Landwirtschaft: "Endsation Hunger" - ein profetischer Artikel aus 1982!
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DRS-1 Echo-Sendung vom 9.2.2011, Transkription von Helmut Lubbers
" «Land-Grabbing» ein Thema am Welt-Sozialforum" 
Weizen Mais Zucker und andere sind extrem teuer. Investitinonen in die Landwirtschaft werden damit attraktiv, auch in Afrika. Aber nicht für alle Bauern, denn jetzt dränegen ausländische Investoren auf den afrikanischen Markt und kaufen sich in grossem Umfang Ländereinen auf und nicht selten die besten Böden.
"Land grabbing", Landraub nennen das die Kritiker am Welt-Sozial-Forum. das diese Woche in Senegal stattfindet. Von dort zunächst der Bericht von Daniel Voll.
Keur Moussa, eine Landgemeinde rund zwei Autostunden nördlich von Senegals Hauptstadt Dakar. Gemüsebauer Sheik Geh steht am Rande des Auberginenfeldes. Das saftige grün der Blätter steht im starken Kontrast zum gelben Stroh auf dem Landstück nebenan. Mitten in der Trockenzeit ist Wasser knapp. Obwohl Sheik Gies Pflanzung auf einem Grundstück liegt, wo noch vor wenigen Jahrzehnten nur Wasser war.
[Senegalesisch]
Der Wind bläst über die weite Fläche, wo früher der Lach Dalmar war, einer der grossen Seen Senegals. Seit den fünfziger Jahren ist er ausgetrocknet und heute vollständig verlandet. Der Grundwasserspiegel sinkt jedes Jahr. Mitte der neunziger Jahre konnten die Bauern das Wasser noch aus einer Tiefe von 3 Metern an die Oberfläche pumpen. Heute sind es bereits 17 Meter.
[Senegalesisch]
Das meiste Wasser verbrauchen allerdings nicht Sheik Gie und die rund 600 anderen Kleingemüsebauern im Dorf, sondern zwei grosse Plantagen in der Nachbarschaft. Dort baut ein italienischer Produzent im grossen Stil Melonen an. Produziert wird vor allem für den Export, sagt Ibar Enansis von der Kleinbauernorganisation Mobin.
"La production est sélectionnée. La première qualité est exportée. Mais la reste, ce qui reste, au niveau local."
Senegal verkauft hier nur die zweite Qualtät, die im Ausland keinen Absatz findet. Und weil so im Inland weniger Grundnahrungmittel angebaut werden, steigt die Abhängigkeit von teuren Importen aus dem Ausland.
Der italienische Produzent ist kein Einzelfall. In der Landgemeinde Kerusa werden inzwischen 60 bis 70 Prozent der Ackerfläche von reichen Städtern und Auslàndern kontrolliert, schätzt Ibarahim Nassis.
"Presque toute la surface cultivable, presque 70 pourcent de cette surface est occupée par cette personne étrangère là. C'est l'accaparement considérable de terre."
"Accaparement des terres". Der Begriff beschreibt, wie fremde Investoren in den làndlichen Regionen Grund und Boden Kaufen und dabei die Struktur der traditionellen Landwritschaft massiv verändern.
"Accaparement des terres" is eines der häufigsten diskutierten Themen am Weltsozialforum in Dakar. Denn in vielen Ländern Afrikas haben in den letzten Jahren ausländische Investoren Land gekauft. Gerade in Senegal und den Nachbarländern Mauretanien und Mali. Mauro Guenita, Direktor des Instituts für alternative Entwicklungspolitik in Bamaco, hat die Situation in Mali untersucht. In den letzten sieben Jahren haben sich Grossinvestoren über sechsundeinhalb Tausend Quadratkilometer Land gesichert. Ein grosser Teil der fruchtbaren Böden im Einzugsgebiet des Nigers.
Die Grossinvestoren betreiben vor allem Monokulturen, setzen Intensivdünger ein und neues Saatgut.
"L'investisseur étranger veut accélérer son investissement. Il faut rentabiliser. Le retour sur l'investissement doit être assez rapide. Et puisque ceci est les cas, on assiste à une utilisation intensive des substances chimiques, de variétés de sémences qui peuvent accélérer aussi la dégradation."
Die Umwelt leidet und auch die Gesellschaft.
Mamadou Bohita hat es ausgerechnet. Weniger als die Hälfte der Kleinbauern haben heute weniger Land als sie für den Unterhalt ihrer Familien brauchen.
Sie können ihre Familien nicht mehr richtig ernähren. Junge wandern in die Stadt aus, wo sie Arbeit suchen aber nicht finden können weil es in Mali weder in der Industrie noch im Dienstleistungssektor genügend Arbeitsplätze gibt.
"Parce que on n'a pas d'industrie pour eux. Ni d'employées, de personnel qui doit être là. On n'a pas de services dans les villes qui vont pouvoir employer ces personnes qui vont quitter les terres.."
Mamadou Bohita, der Sozialforscher aus Bamako, unterstreicht jeden Satz mit der linken Arm. Die Entwicklung der letzten Jahre wird noch beschleunigt, sagt er.
Das heisst, die Elendsviertel um die grossen Städte werden wachsen und viele junge Westafrikaner werden ihr Glück in der Migration suchen, in Europa oder in den USA.. Dies birgt viel politischen Zündstoff. Die Diskussionen am Weltsozialforum zeigen es. Die kleinen Bauern machen Druck auf die Regierungen und wollen den Ausverkauf des Ackerlandes stoppen.
-- Daniel Voll vom Weltsozialforum über das sogenannte "land grabbing".
"Die Spekulation mit Nahrungsmitteln bremsen" 
[PS] Es erhält noch besondere Brisanz mit der gegenwärtigen Agrarkrise. Die Grundnahrungsmittel sind in den letzten Monaten weltweit sehr viel teurer geworden.
Manche stellen selbst die Massenproteste im arabischen Raum in Bezug zu der Preisexplosion.
Ein renommierter Experte und Frühwarner ist Professor Joachim von Braun. Der Agrarwissenschaftler war Generaldirektor des International Food Policy Research Institute in Washington, einer der führenden Forschungseinrichtungen für Welternährungsfragen. Jetzt ist er Direktor am Zentrum für Entwicklungsforschung der Universität Bonn.
Ich fragte von Braun zunächst nach seiner Einschätzung. Wie dramatisch ist die Lage?
Wir haben nun schon die zweite Welternährungskrise, Preiskrise, innerhalb von drei Jahren. Das ist tatsächlich gravierend für die ärmere Bevölkerung der Wellt. Für die Menschen, die einen Dollar pro Tag haben, bedeuten diese Verdoppelungen der Weizenpreise und erhöhten Maispreise die sofortige Wiederkehr von Hunger in grossen Teilen der Bevölkerung. Also die Lage ist tatsächlich ernst.
Wie muss man sich das erklären? Was sind die Gründe? Sind's vor allem diese Missernten und Dürren, wie sie gerade in Nordchina gemeldet werden, die das Angebot verknappen?
Das sind die Auslöser, das schlechte Wetter. Und es ist in der Tat schlecht, global schlecht, nicht nur in Australien, Teilen Südasiens, Argentinien, Kanada, Russland. Alle diese Länder haben mit Wetterepisoden Schlagzeilen gemacht, die wir auch im Fernsehen gesehen haben. Etweder brannte es oder es war überschwemmt.
All das ist ein Problem. Aber das ist nur deswegen eine Problem weil die letzten zwei Jahrzehnte die Investitionen in die Landwirtschaft und in die Produktivitätssteigerug, insbesondere in den Entwicklungsländern, vernachlässigt worden sind. Deswegen hat die Produktion mit dem raschen Wachstum der Nachfrage nicht mithalten können.
Die Weltwirtschaft wächst ja Got sei Dank, überwiegend in den entwicklungs- und Schwellenländern. Auch arme Leute sind reicher geworden. Eine Mittelklasse ist da und fragt mehr Milch und Fleisch nach und alles das setzt die Märkte unter Druck und dann wirken sich die Wetterstörungen langfristig eben auch aus.
Welche Rolle spielt die Spekulation? Es heisst ja, dass an den Agrarmärkten zunehmend spekuliert wird mit Nahrungsmitteln. Was für eine Rolle spielt das?
[JvB] Politische Fehler haben die Ernährungskrise 2008 ausgelöst und sind auch zum Teil Schuld an der gegenwärtigen. Da gehören zum einen die Handelsbehinderungen dazu, die Exportstopps und die bereiten den Nährböden für Spekulation. Die Spekulation ist deswegen auch sehr viel einfacher geworden weil, angefangen vor etwa fünf, sechs Jahren, an den Warenterminmärkten kräftig dereguliert wurde, denn Finanzspekulanten, also den Investoren die eigentlich gar nicht am Weizen oder an der Baumwolle interessiert sind, sondern Gewinne an den Preissteigerungen oder Preisverfällen haben wollen, deren Engagement hat sich stark erhöhen können. Es ist für sie billiger geworden, zu spekulieren und so sind die Agrarmärkte zunehmend in den Sog der allgemeinen Commodity-Spekulation, also um Öl, Gold, etc., hineingesogen worden. Das muss wieder abgestellt werden.
[PS] Und wie, wie soll man, kann was dagegen tun?
[JvB] Also, die G-20 haben dieses Jahr unter der Führung von Frankreich dieses jetzt zum Thema gemacht.
Die Spekulation muss zum einen transparent aufgehellt werden. Also es müssen die Informationen - wer handelt denn da - wie in jedem normalen Markt ttransparent machen.
Marktransparenz ist das erste. Zweitens Spekualtion muss dann teurer werden wenn sie besonders riskant ist. Und das ist sie hier in diesen Tagen, wo die Preise schon hoch sind, da setzt die Spekulation dann noch oben was drauf und macht die Dinge gefährlich, auch politisch destabilisierend gefährlich.
Und drittens, wenn die Warenterminmärkte besonders schnell handeln, dann steigt das Risiko von Mrktfehlern. Also dieser Sekundenhandel muss reduziert werden, damit wir wieder etwas mehr Bedächtigkeit und Rationalität in das commodity-Handeln mit Food bekommen.
[PS] Gibt's nicht ein ganz grundsätzliches Problem, wenn nämlich immer mehr Leute immer mehr essen und das Wetter mit der Klimaveränderungimmer verrückter spielt, werden da nicht automatisch die Preise immer höher?
[JvB] Ja wir dürfen es nicht mit dem Versuch bewenden lassen, an den Symtomen zu kurieren, also die Spekulation unterbinden oder zu reduzieren. Nein, es muss grundlegend erstens eine neue landwirtschaftliche Strategie her, und zwar international und national. Wir müssen die Produktivität in der Landwirtschaft erhöhen, insbesondere im Kleinbauernsektor der Entwicklungsländer, pfleglicher und rationaler mit Wasser umgehen. Aber wir müssen auch die Märkte offenhalten und wir müssen über nachhaltige Konsumstrukturen, sprich weniger Verluste, weniger Verschwendung, offen reden und neu nachdenken.
[PS] Produktivität bei den Kleinbauern erhöhen? Sagten Sie. Da hilft es wohl nicht weiter, wenn sagen wirin Afrika in grossem Stil gerade Agrarland aufgekauft wird
und den Kleinbauern entzogen.
[JvB] Diese Tendenzen zum sogenannten "land grabbing" sehe ich als sehr bedenklich an. Wir brauchen einen angemessenen "Code of Conduct", ein Verhaltenskode.
Kleinbauern, die unsichere Landtitel haben, das Land wegzunehmen, ist abzulehnen. Wir brauchen Prinzipien der Information und Teilhabe, die umgesetzt werden müssen mit den Kleinbauern.
Ein wesentlicher Teil dieser ausländischen Direktinvestitionen in Land in Afrika ist auch spekulativ. Da wird nämlich noch gar nichts angebaut, sondern die Investoren versuchen erst Mal, das Land unter ihre Kontrolle zu bekommen um es möglicherweise später weder weiterzuverkaufen. Denn die Landpreise steigen im Gefolge der Grundnahrungsmittelpreise stark an. Also die beiden Themen hängen sehr eng zusammen. Preissteigerungen bei Getreide und Ölsaten ziehen die Preise für Wasser implizit hoch und für Land mit Wasser nach oben. Und daraus ergibt sich diese Tendenz zum "land grabbing", um es plastisch zu sagen.
[PS] Bei der letzten Krise vor drei Jahren wurde schon alseits bekräftigt, die Staaten müssten wieder mehr investieren in die Landwirtschaft. Ist daraus gar nichts geworden?
[JvB] Es ist erfreulich, festzustellen, dass die Investitionstätigkeit im Agrarsektor zugenommen hat. Es ist was daraus geworden. Aber noch nicht so viel, wie wir uns das eigentlich gewünscht haben und auch noch lange nicht so viel, wie auf dem vorletzten G-8-Gipfel in Laquila versprochen worden ist. Bedenklich ist, dass bei dieser hohen Preissituation jetzt das Geld für die Nothilfe wieder fehlt und Einrichtungen wie das Welternährungsprogramm und andere wegen der hohen Preise nicht helfen können.
[PS] Die Einschätzungen des Agrarwissenschaftlers Joachim von Braun.
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