WISSENSCHAFT Schleichende Schädigung Passivrauchen erhôht das Krebsrisiko und stört die Entwicklung von Kindern. Jedes Jahr sterben in der Schweiz 500 Menschen daran. HEUTE ZWEIFELT kein Forscher, der unabhangig von der Tabakindustrie ist, dass Passivrauchen krank macht. "Die Belege sind eindeutig", sagt Lungenspezialist Philippe Leuenberger yom Unispital Lausanne. Die Beweislast ist erdrückend: Einige hundert Studien bestätigen die Schädlichkeit des unfreiwillig eingeatmeten Qualms. Bei Erwachsenen vergrössert er das Risiko für Lungenkrebs, bei Kindern verursacht er langwierige Erkrankungen der Atemwege, fasste die US-Umweltbehorde bereits 1993 zusammen. Inzwischen häIt die Weltgesundheits-Organisation das Passivrauchen auch fur mitschuldig an Herzkrankheiten und dem plötzlichen Kindstod. Seine schädliche Wirkung ist zwar etwas geringer, aber ebenso ernst zu nehmen wie die des freiwillig inhalierten Rauchs: Das Risiko, an Lungenkrebs und Herzkrankheiten zu erkranken, ist bei Ehepartnern von Rauchern um jeweils 25 Prozent erhoht, so die Befunde der Epidemiologen. Sie ziehen ihre Schlüsse aus gross angelegten Befragungen zufallig ausgewählter Personen. Rein statistisch gesehen stürben in der Schweiz Jahr fur Jahr rund 500 Nichtraucher an den Foigen der Sucht ihrer Mitmenschen bei jahrlich 8000 Toten unter den freiwilligen Rauchern -, rechnet der Zürcher Praventivmediziner Felix Gutzwiller vor. Mit dem Qualm inhaliert der Mitrauchende unfreiwillig rond 4000 Substanzen, von denen etwa 40 aIs Krebs erregend eingestuft werden. Die Liste liest sich wie der Report eines Chemieunfalls: Zyanid, Blei, radioaktives Polonium, Kadmium, Kohlenmonoxid und viele mehr. "Beim Verglimmen des Tabaks und des Papiers entstehen im Passivrauch andere Substanzen aIs im Filterrauch", sagt Ursula Ackermann-Liebrich vom Basler Institut fur Sozial- und Praventivmedizin. Sie wirken auch anders auf den Körper. Kinder leiden am meisten unter blauem Dunst. Rauchen Mami oder Pari zu Hause - was bei jedem zweiten Schweizer Schulkind der Fall ist -, riskieren die Sprosslinge Entwicklungsstorungen und chronische Krankheiten wie Asthma, Bronchitis, Allergien, Mittelohrentzündung und Herzleiden. Von einer "modernen Form der Kindsmisshandlung" spricht Felix H. Sennhauser, arztlicher Direktor des Kinderspitals Zürich. Aber auch Erwachsene beeinträchtigt der Dunst des Glimmstangels. Schon 1994 belegte eine Schweizer Studie zur Gesundheitsbelastung durch Luftschadstoffe, dass das Risiko fur Atemwegserkrankungen steigt, je öfter und langer sich jemand in verrauchter Umgebung aufhalt. Besonders wenn am Arbeitsplatz geraucht wird, leiden Nichtraucher häufiger unter Bronchitis und Atemnot; Asthmasymptome werden ausgelost oder verschlimmert. Zwar können Arbeitnehmer seit 1993 ihr Recht auf einen rauchfreien Arbeitsplatz einklagen. Doch so vehement wie im Ausland fordern Schweizer Nichtraucher frische Luft nicht ein. Vor zwei Jahren erhielt eine Barfrau in Australien 400000 Franken - nach 25 Jahren in verrauchten Bars war sie an Halskrebs erkrankt. In den USA gab es ähnliche Urteile. Beate Kittl LESEBEISPIEL: Sieben Prozent der Befragten sind 28 Stunden pro Woche dam Rauch ausgesetzt. LESEBEISPIEL: ln 20 Prozent der Schweizer Betriebe gilt ein allgemeines Rauchverbot. Quelle: FACTS - Das Schweizer Nachrichtenmagazin - 6.11.2003 ecoglobe Rauchseiten pages - pages sur la fumée | Ihre Reaktion |