Offener BriefHerrn Casper Selg und Mitarbeitenden, Schweizer Radio ECHOSchwarztorstrasse 21 3007 Bern Postfach 3000 Bern 14 Frau Fernsehdirektorin Ingrid Deltenre und Mitarbeitenden, Schweizer Fernsehen Fernsehstrasse 1–4, Postfach, 8052 Zürich Genf, 3 Februar 2007 Klimawandel hat Konjunktur Sehr geehrter Herr Selg, Sehr geehrte Frau Deltenre, Sehr geehrte Mitarbeitende, Anbei sende ich Ihnen die Kopien meiner offenen Briefe vom 30.1 und 3.2.07 an die KOF-ETH, Zürich in Sachen Wachstum. Seit längerer Zeit hat das Klima Hochkonjunktur. Einerseits ist es beängstigend. Andererseits lässt sich mit dieser Angst aus verschieden Gründen ganz gut leben. Die Zeitspanne ist "lange": Ende des Jahrhunderts, also was soll's? Dass das historisch betrachtet extrem kurz ist, wird nicht bedacht. Ohne die USA und China brauchen wir nichts zu machen, heisst es auch. Es würde nur unsere Wirtschaft schaden. Man vergisst geflissentlich, dass man die Pflicht hat, selber zu machen was man für richtig hält. Die anderen kann man nicht zwingen. Es passiert nicht bei uns, besagen die mitgelieferten Bilder, sondern in Afrika oder Bangla Desh. Das ist weit weg. Dass wir hier genau so betroffen sein werden, wird entweder verschwiegen oder herabgemildert. Wenn jedoch der Permafrost schmilzt und die Gletscher verschwinden und Wetterextreme die Hänge aufweichen, wer stoppt dann die Erdrutsche? Könnte es dann soweit kommen, dass die ganze Infrastruktur des Landes lahmgelegt wird und die Wirtschaft zum erliegen kommt? Es werden ja häufigere Wetterextreme vorausgesagt. Aber nee, die eigene Bevölkerung soll nicht aufgeschreckt werden. Keine Panikmache, lautete bisher die Devise. Ich weiss, dass Schweizer Wetterkundlern nahegelegt wurde, im Radio nicht die volle Wahrheit zu sagen, wie sie es wissenschaftlich für richtig halten. Dafür muss man gar nicht erst in die Vereinigten Staaten von Amerika reisen. Es wird mit Zahlen in Zentimetern Meeresspiegelsteigung und Temperatursteigungen in einigen wenigen Grad gegaukelt. Das rüttelt die Leute doch nicht auf. Was sind schon ein paar Grad. Pflanzen wir halt Palmen und Zuckerrohr. Die Spannbreiten zwischen den verschiedenen Szenarien erzeugt zusätzlich Unsicherheit. Bei Herausarbeiten des Berichtes, wofür die IPCC unglaubliche sechs Jahre brauchte, wurde um jedes Wort gefeilscht. Nun heisst es 90 Prozent Sicherheit anstelle von 60 Prozent vor 6 Jahren. Der hoffnungsvolle Mensch nimmt die anscheinend fehlende zehn Prozent als Strohhalm und verdrängt die Drohung. Danach kommen alle jene, die weiter besänftigen und mit vielen Worten sagen, dass es eine Revolution braucht und dann einschwenken auf Pseudolösungen wie das Kyotoprotokoll, Hybridautomotoren und ähnliches. Für die Unzulänglichkeit und kontraproduktive Wirkung des Kyotoprotokolls und seine Mechanismen verweise ich auf meine beiliegenden Webseiten. Mittlerweile hat eine ganze Industrie sich dieser Mechanismen und Ideen bemächtigt und verdient ganz gut Geld dabei. Geld verdienen ist keine Schande. Aber Geld,dass durch Vorgaukelei verdient wird und die Probleme verschärft, wie auch bei der lügenhafte Tabakwerbung, ist zumindest höchst unverantwortlich. CarbonNeutral, Offset (Kompensation), Emissionshandel, Biotreibstoffe, alles geeignet fürs Wirtschaften aber schlecht für die Erde. Irgendwie wird es schon weitergehen, meint man nund man sagt, dass man optimistisch sein muss. Die drei Säulen des Sozialen, der Wirtschaft und der Umwelt werden hervorgehoben und die Wirtschaft darf ja keinen Schaden erleiden. Dass Wirtschaft und Soziales eine Einheit bilden - die politische Ökonomie hiess das früher - versteht man nicht. Dass ebendiese Wirtschaft vollständig in der Umwelt eingebettet ist und von ihr vollständig abhängig, versteht man ebensowenig. Man meint, die Welt mit Geld und Investitionen retten zu können, so auch Sir Nicholas Stern in seinem Bericht. Dem ist leider nicht so weil man mit Geld die Treibhausgase nicht wieder eliminieren kann und ebensowenig die ausgestorbenen Arten wieder zu Leben erwecken oder die Gletscher wiederaufbauen und die Erdrutsche zurück den Hang hinaufschieben und und und. Die PolitikerInnen stört das noch am wenigsten. Viele reden sowieso nur das, wovon sie meinen, dass ihre nächste Wahl abhängt, je nach Klientel. Und verstehen tun sie noch weniger. Glorreiches Beispiel dafür lieferte mir Bundesrat Joseph Deiss. Auf meine letzten Briefe an den Bundesrat über den ökologischen Unsinn des Verkehrsfonds erhielt ich eine höfliche Antwort von Herrn Bundesrat Schmid und eine nichtssagende Floskel der Bundeskanzlei. Die anderen acht angeschriebenen der Exekutive schwiegen höflich. Das Hauptargument, dass man nicht immer weiterwachsen kann, ist nämlich tabu, wird ausgeblendet. Womöglich hat das Wort in den Gedanken der Menschen die Bedeutung "wirtschaftliche Aktivität und Arbeitsplätze" angenommen, obwohl es doch wirklich wirtschaftliche Expansion bedeutet. Das mag ein Grund dafür sein, dass die MeinungsführerInnen aller Schattierungen das Wachstum nicht in Frage stellen. Die europäischen Grünen beschlossen hier in Genf vor einigen Monaten ganz mutig, dass die Steigerung des Wachstums von der Steigerung des Materialverbrauchs entkoppelt werden soll. Alsob die Entkoppelung möglich wäre und alsob es Wachstum hoch zwei gäbe und Wachstum hoch eins die Erschöpfung der Erde nicht beschleunigen würde. Wir können nun das Klima und die Molche in unseren Naturschutzweihern schutzen was wir wollen, wenn wir jedoch gleichzeitig weiter auf Wirtschaftswachstum setzen, sind wir verloren. Dies ist der wunde Punkt bei der ganzen Aufregung über das Klima, dass die wirklichen Hintergründe ausgeblendet bleiben, das Wirtschaftswachstum und das Bevölkerungswachstum. Es ist dringend notwendig, das jemand den Mut hat und das Ansehen und den Durchhaltewillen und die Kraft, dieses zum Thema in der Öffentlichkeit zu machen. Sie wird dann die Person des Jahres 2007. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und danke Ihnen für Ihre Rückäusserung und Aufgreifen des Themas in den Sendungen von Radio RDS und des Schweizer Fernsehens. Mit freundlichen Grüssen, Helmut Lubbers ökologisch Psychologe BE MSocSc DipEcol Kopie auf www.ecoglobe.ch/climate/d/echo7203.htm Beilagen |